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Koalitionsverhandlungen: Plötzlich regt sich bei CDU und SPD was – pro Klima



Klima spielte weder im Wahlkampf noch bei den Sondierungsgesprächen eine große Rolle. Das soll sich jetzt ändern – und zwar nicht nur nach dem Willen der Grünen.

Es gibt viele Begriffe, um den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu beschreiben. Er ist Großvater von sieben Enkelkindern. Er ist impulsiv und denkt nicht vom Ende her, meinten manche nach der Abstimmung mit der AfD im Bundestag. Andere beschreiben ihn als kompetent und durchsetzungsstark. Eines aber wurde ihm bisher nicht zugeschrieben: sich besonders für Klimaschutz zu interessieren. 

Das könnte sich bald ändern. Denn nicht nur die Grünen stellen Bedingungen für ihre Zustimmung zum Finanzierungspaket. Ohne gezielte Klima-Investitionen soll es kein Sondervermögen geben – so lautet die Devise. Auch innerhalb der Union werden auf einmal Forderungen nach einer ambitionierteren Klimapolitik immer lauter. Wird Friedrich Merz am Ende – wenn auch widerwillig – noch zum Klimakanzler?

Eine Gruppe von CDU-Abgeordneten und Parteimitgliedern hätte jedenfalls nichts dagegen. Die so genannte Klimaunion veröffentlichte ein Positionspapier mit klaren Forderungen an die eigene Partei und die künftige schwarz-rote Koalition. "Wir wollen keine Fundamentalkritik an der bisherigen Klimapolitik äußern, auch nicht an unserer eigenen Partei", sagt Berthold Schilling, Geschäftsführer der Klimaunion, dem stern. "Es ist ein Appell an die neue Bundesregierung, sich aktiv für eine wirkungsvolle Klimapolitik einzusetzen, die stärker auf Marktwirtschaft und Kosteneffizienz setzt."

Das 46-seitige Papier drängt auf eine ambitionierte Klimapolitik – aber keinen radikalen Kurswechsel. "Ein 'Flip-Flopping' im Vier-Jahres-Takt können wir uns nicht leisten", heißt es. Einige Positionen aus dem Wahlkampf der eigenen Partei werden dabei kritisch hinterfragt.

Im Wahlprogramm hatten CDU und CSU klargestellt: "Das Heizungsgesetz der Ampel schaffen wir ab." Die Klimaunion drängt nun darauf, den "Grundgedanken" des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) beizubehalten. Zwar sollte das Gesetz "unbürokratischer und praktikabler" gestaltet werden – wichtiger sei jedoch die Investitionssicherheit für Unternehmen.

Auch andere Projekte der Ampel sollen fortgeführt werden, darunter das Klimageld, das Grüne, SPD und FDP als Wahlversprechen formuliert, aber nie umgesetzt hatten. Teilweise fordert die Klimaunion sogar strengere Maßnahmen. So sollen etwa die Sektorziele wieder eingeführt werden, die von der Ampelkoalition abgeschafft wurden.

Klimapolitik wieder am Verhandlungstisch 

Damit scheint die vergessen geglaubte Klimapolitik wieder in den Fokus zu rücken. In den Koalitionsverhandlungen wird es auch eine Arbeitsgruppe Energie und Umwelt geben. Auch bei seinem Finanzierungsplan wird Merz dem Thema Klima nicht ausweichen können. Die Grünen, auf deren Stimmen Union und SPD für eine Zweidrittelmehrheit angewiesen sind, haben Bedenken zum Investitionspaket geäußert. Auch einige CDU-Politiker könnten ohne eine Klima-Klausel dagegen stimmen. 

Der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Klimaunion, Thomas Heilmann, macht seine Zustimmung davon abhängig: "Wenn dieses Sondervermögen tatsächlich für zusätzliche Investitionen – etwa in den Klimaschutz – genutzt wird und nicht einfach als Auslagerung des Bundeshaushalts dient, dann würde ich zustimmen", sagt er dem stern

Heilmann rechnet damit, dass die Klimapolitik in den nächsten Tagen im Finanzierungspaket an Bedeutung gewinnen wird. Auch in den Koalitionsverhandlungen sieht er weitere Chancen, die Klimapolitik stärker zu vertreten – auch wenn es noch Hürden gebe. "Eine in unserem Sinne ambitioniertere Klimapolitik könnte an den Sozialdemokraten scheitern", sagt er. "Wir wollen Klimaschutz mit der Marktwirtschaft erreichen, die SPD weniger."

Ein gemeinsamer Klimaplan von Schwarz-Rot könnte auch daran scheitern, dass es in der SPD derzeit kaum prominente Klimapolitiker gibt. Während CDU-Abgeordnete Sektorziele und Klimageld fordern, herrscht bei den Sozialdemokraten zu diesen Themen weitgehend Funkstille.

SPD ohne Klimapolitiker

Auf die Frage, welche Rolle Klimapolitik in einer schwarz-roten Koalition spielen soll, antwortet die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer auf stern-Nachfrage: "Das Klimathema hat in vielen Lebensbereichen einen sehr hohen Stellenwert, ohne dass es direkt beim Namen genannt wird." Der Netzausbau sei beispielsweise bereits im Sondierungspapier enthalten, so Scheer.

Anders klingt es an der Parteibasis. Die Organisation SPD.Klima.Gerecht, eine Gruppe von SPD-Mitgliedern und Klimaaktivisten, will Klimapolitik stärker in der Partei verankern. "Gerade soziale Klimapolitik sollte eigentlich eine Kernaufgabe der SPD sein", sagt Leon Schmid von SPD.Klima.Gerecht. "Wenn ich ins Sondierungspapier schaue, fehlt mir die grundsätzliche Zukunftsausrichtung Deutschlands in Bezug auf Klimaschutz." Zusätzlich sehe er einige problematische Punkte. Ein Beispiel sei der geplante Ausbau von Gaskraftwerken.

Die Mitglieder der Organisation veranstalteten im vergangenen Jahr einen Klimadialog mit der SPD-Parteiführung im Willy-Brandt-Haus. Nun suchen sie verstärkt den Kontakt zu Abgeordneten, um für Klimathemen zu lobbyieren. Ihr Ziel: das Thema während der Koalitionsverhandlungen auf die Agenda setzen. 

Allerdings ist die Organisation nicht offiziell in der SPD verankert, was ihre Einflussmöglichkeiten begrenzt. Doch das könnte sich bald ändern. Denn die rund 30 aktiven Mitglieder berichten von wachsendem Interesse. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte die SPD bei einer Mitgliederabstimmung über den Koalitionsvertrag tatsächlich auf Widerstand stoßen.

Nach Ansicht des CDU-Abgeordneten Heilmann spiegelt das sinkende Interesse der Parteien an dem Thema die derzeitige gesellschaftliche Situation wider. "Entscheidend ist, dass das Thema Klimaschutz in der Bevölkerung an Aufmerksamkeit verloren hat", sagt er. Und das sei ein massives Problem angesichts der objektiv wachsenden Probleme. Denn: "Wenn Klimaschutz nur noch ein Thema für die Grünen ist, dann wird es sehr schwer für den Klimaschutz." 

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