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Friedrich Merz: Billionenmann oder Biggest Loser? Fünf Szenarien für den CDU-Chef



Friedrich Merz will mit Milliardenschulden die Wirtschaft ankurbeln und Deutschland verteidigungsfähig machen. Doch die Grünen blockieren bisher. Woran er scheitern kann.

Friedrich Merz hatte alles so schön geplant. Erst kam die schnelle Einigung mit der SPD auf gigantische Finanzpakete, dann würden die Grünen schon mitmachen, weil er ja umsetzt, was sie immer wollten. Und das alles noch mit den Mehrheiten des alten Parlaments. So seine Hoffnung. 

Das Veto der Partei am Montag hat den designierten Kanzlerkandidaten aus diesen Träumen gerissen. Plötzlich hängt das gesamte Sondierungspapier damit wieder am seidenen Faden. Schließlich ist das Geld die Grundlage einer funktionierenden Koalition, die Ampel hat's gezeigt. Die Grünen wollen jetzt nachverhandeln, könnten das Paket aber auch ganz ablehnen. Oder? 

Diese fünf Szenarien gibt es für Friedrich Merz

Und selbst dann muss Manöver von Friedrich Merz noch nicht geglückt sein. Der 69-Jährige ist damit längst noch nicht Bundeskanzler. Diese fünf Szenarien gibt es jetzt.

Szenario 1: Ein Kompromiss mit wenigen Änderungen

Dafür tun CDU und SPD gerade vieles. Die Grünen würden dann einwilligen, den von Union und SPD geplanten Grundgesetzänderungen zuzustimmen. Im Gegenzug erhalten sie dafür ein paar Zugeständnisse. So könnte im Gesetzentwurf festgehalten werden, dass das geplante Sondervermögen nicht nur in Infrastruktur, sondern auch in „Klimatechnologie“ oder „Klimaneutralität“ investiert werden soll. 

Eine weitere Forderung der Grünen ist, dass damit nur "zusätzliche Investitionen" gemeint sind. So könnte ausgeschlossen werden, dass davon politische Lieblingsprojekte von SPD und Union finanziert werden. Die drei Parteien haben Entgegenkommen signalisiert. Auch könnte der Verteidigungsbegriff erweitert werden, etwa, indem man ihn mit den Themen Cybersicherheit und Bevölkerungsschutz ergänzt.

Ein Problem ist der große Zeitdruck. Das alles müsste aber wohl noch im Laufe des Mittwochs über die Bühne gehen, damit der veränderte Gesetzentwurf für die Anhörung vorliegt. Denn bei grundlegenden Veränderungen könnte es passieren, dass die Opposition auf einer neuen Anhörung bestehen kann. Das könnte die Abstimmung so lange verzögern, bis der alte Bundestag nicht mehr existiert. Eine Einigung wäre dann kaum noch möglich.

Unterstützt wird dieser Weg von den Ministerpräsidenten. Diese forderten nach ihrem Zusammentreffen am Mittwoch in Berlin die Verhandler dazu auf, Infrastruktur, Verteidigung und Länderverschuldung in einem Rutsch zu reformieren.

Wahrscheinlichkeit: eher hoch

Szenario 2: Einigung nur bei Verteidigung 

Die Grünen wollen mit dem Sondervermögen für Infrastruktur keine Wahlgeschenke für SPD und CDU/CSU finanzieren. Mancher bei den Grünen hält eine Abstimmung über ein solches Vermögen im alten Bundestag nicht für notwendig. Denn es bestehe anders als beim Verteidigungsvermögen kein Zeitdruck. Auch der nächste Bundestag könnte darüber befinden, dann wahrscheinlich mit Hilfe der Linken. Das würde wohl auch die Verhandlungsposition der Grünen verbessern.

Die SPD will das unbedingt verhindern. Eine Einigung nur auf mehr Verteidigungsausgaben seien der Bevölkerung nicht vermittelbar, heißt es bei den Sozialdemokraten. Die SPD will unbedingt beides gemeinsam beschließen. Vielen in der Unions-Bundestagsfraktion käme es dagegen sehr entgegen, wenn beide Pakete getrennt würden. Mancher hofft, im neuen Parlament würde es dann nie zu einer Einigung kommen. Auch wegen des Kooperationsverbots der Union mit der Linkspartei. 

In diesem Fall allerdings wackelt die Mehrheit für Merz im Bundesrat. Besonders die Ministerpräsidenten von SPD und CDU hatten auf das Sondervermögen gedrungen. Für die Länder hängt viel Geld davon ab, mindestens 100 Milliarden Euro. Eine solche Einigung in den Verhandlungen würde die Chancen erhöhen, dass das Paket am Ende doch noch ganz platzt.

Der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck besteht auf diese Position: Er rät den Grünen, zu einem Nein bezüglich eines Sondervermögens: "Deswegen würde mein Rat sein, lasst uns konzentrieren auf die Sicherheitsfrage", sagte er am Mittwoch bei einem Termin in Bayern. Hören die Grünen auf ihn? 

Wahrscheinlichkeit: eher hoch

Szenario 3: Überhaupt keine Einigung

Sollten sich Grüne, SPD und Union so verhaken, dass es vor der ersten Anhörung zu keiner Einigung kommt, würde dies noch nicht das Aus der schwarz-roten Pläne bedeuten. Vielmehr würden Union und SPD dann wohl versuchen, noch etwas mehr Zeit herauszuschlagen. 

Auch nach der ersten Lesung im Bundestag am Donnerstag wäre eine Einigung noch möglich, dann müssten aber wohl weitere Experten angehört werden. Das würde Zeit kosten. Womöglich würde es dann nicht mehr für eine Abstimmung mit dem alten Parlament vor dem 24. März reichen. Der Vorteil: Diese spätere Einigung würde der Grünen-Führung mehr Zeit geben, ihre Abgeordneten politisch und emotional einzunorden.

Alle Seiten wollen dem Vernehmen nach ein komplettes Scheitern der Verhandlungen unbedingt verhindern. Allerdings ist die Verhandlungslage nicht einfach: Die Grünen wollen zentrale Projekte der CSU verhindern. Die SPD hängt am Infrastruktursondervermögen. Die CDU-Bundestagsfraktion steht teils auf Seite der Grünen, die CDU-Ministerpräsidenten stehen auf der Seite der SPD. Friedrich Merz muss viele Fäden zusammenführen.

Wahrscheinlichkeit: eher gering

Szenario 4: Einigung, aber Scheitern bei der Abstimmung

Kommt es zu einem Kompromiss, ist die Mehrheit trotzdem nicht gewiss. Denn es entscheidet ja noch der alte Bundestag. Und aus den drei Fraktionen, die zustimmen sollen, scheiden laut der Bundestagsverwaltung 341 Abgeordnete aus. Der gemeinsame Puffer von Union, SPD und Grüne jenseits der Zweidrittelmehrheit beträgt 31 Stimmen.

Das heißt: Stimmt nur jeder zehnte der Noch-Abgeordneten mit Nein, enthält sich oder, noch einfacher, taucht nicht im Bundestag auf, wäre die Mehrheit futsch.

Hört man sich unter den ausscheidenden Abgeordneten um, ist parteiübergreifend Unverständnis zu hören. Einige reden sogar von Nötigung. Immerhin 50 Abgeordnete der CDU/CSU gehören dem nächsten Parlament nicht mehr an.

Mit den üblichen Instrumenten lassen sich bald ehemaligen Bundestagsmitglieder kaum disziplinieren. Für sie geht es eben nicht mehr um Posten, Mandate oder Funktionen. Sie sind tatsächlich nur noch ihrem Gewissen verpflichtet.

Dennoch dürfte sich einige Abgeordnete unter Druck setzen lassen – etwa mit dem Argument, dass bei einem Scheitern des Finanzpakets politisches Chaos drohe. Da die Abstimmung namentlich stattfinden dürfte, würde dann jeder sehen können, wer dafür verantwortlich wäre. Die Hoffnung der Fraktionsführungen: Niemand will der Schuldige sein.

Wahrscheinlichkeit: eher gering.

Szenario 5: Einigung, aber Verfassungsgericht kippt alles

Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegen bereits mehrere Eilanträge von Linke und AfD vor, sowohl von einzelnen Abgeordneten als auch von Fraktionen. Sie zielen vorerst darauf ab, die geplanten Sondersitzungen des Bundestags zu verhindern. Die Kläger sehen durch die geplante Entscheidung die Rechte künftiger Bundestagsmitglieder verletzt. Erst das neue Parlament dürfe entscheiden und müsse im Übrigen schneller zusammentreten.

Allerdings sieht kaum ein Verfassungsrechtler Chancen für die Beschwerden, zumal sich die Frage der Zulässigkeit stellt: Warum sollten Abgeordnete des alten Bundestages die Rechte des nächsten Parlaments einklagen können?

Auch eine juristische Stellungnahme der Augsburger Rechtsprofessorin Sina Fontana für die Anhörung des Haushaltsausschusses am Mittwoch klingt eindeutig: "Der alte Bundestag ist weiterhin handlungsfähig", heißt es in dem Papier, das dem stern vorliegt.  "Die Neuwahlen als dazwischengetretener neuer Legitimationsakt schwächen die Legitimation des Bundestages nicht." Und: "Die vorgesehene Verfahrensdauer für die geplanten Grundgesetzänderungen steht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben."

Wahrscheinlichkeit: gering 

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