Nach Trumps Amstanstritt wartet Bernie Sanders erst einmal - ob sich aus den Reihen der Demokraten vielleicht eine schillernde Oppositionsfigur hervortut. Nun nimmt er den Protest gegen Trump in Graswurzel-Manier selbst in die Hand. Journalisten beantwortet er die Frage nach abermaliger Kandidatur.
Bernie Sanders steht mit einem Megafon auf der Ladefläche eines Kleinlasters, spricht zu mehreren Hundert enthusiastischen Wählern draußen an einer Highschool in Warren, einem Vorort von Detroit. Es ist eine Menschenmenge, für die es keinen Platz mehr in der Sporthalle der Schule gab, ja nicht einmal in zwei weiteren Räumen im Gebäude, die für den Fall eines massiven Andrangs zusätzlich bereitstanden. Die Leute draußen brechen in Begeisterungsstürme aus, als "Bernie" ihnen mitteilt, dass insgesamt 9000 Menschen zur Kundgebung gekommen sind.
Das sage ihm, dass "die Leute in unserem Land es nicht erlauben werden, dass Trump uns in Richtung einer Oligarchie führt", fügt der Senator mit Blick auf die Reihe von einflussreichen Superreichen in der Umgebung des US-Präsidenten hinzu. "Sie werden es nicht erlauben, dass Trump uns in ein autoritäres System führt. Wir sind bereit, zu kämpfen. Und wir werden gewinnen."
Sanders warnt vor Massen-Entlassungen
Sanders ist 83 Jahre alt, aber das kann ihn nicht stoppen. Der gebeugte silberhaarige, selbst erklärte demokratische Sozialist ist zu einem Anführer des Widerstandes gegen Trumps zweite Präsidentschaft geworden, leidenschaftlich wie eh und je, und verreißt die Machtfülle, die der Republikaner an sich gerissen habe. Er warnt vor der Entlassung Zehntausender öffentlicher Bediensteter, die unter Federführung des viele Milliarden schweren Trump-Vertrauten Elon Musk im Gange ist.


Die "Oligarchie" ist dem 83-Jährigen ein Dorn im Auge.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Sanders steht - zumindest derzeit - in seiner Rolle alleine da, ist bislang der einzige gewählte Progressive, der eine nationale Kampagne auf die Beine stellt, um die Furcht und Wut der weitläufigen Anti-Trump-Bewegung zu bündeln, sie zu einem unüberhörbaren Faktor in der politischen Landschaft zu machen. Am vergangenen Freitagabend zog er in Kenosha im Staat Wisconsin 4000 Menschen an, am nächsten Morgen 2600 im nahe gelegenen Altoona, einem Ort mit weniger als 10.000 Einwohnern. Und die Menge von 9000, die zu seinem Auftritt in Warren kam, übertraf sogar seine eigenen Erwartungen.
Eine dritte Präsidentschaftskandidatur?
Sanders aus Vermont, der im Januar seine vierte Amtszeit im Senat antrat, gibt zu, dass dies nicht die Rolle ist, die er sich für diese Phase seiner Karriere vorgestellt hat. Tatsächlich haben er und sein Team in den ersten Wochen der Trump-Präsidentschaft abgewartet, bevor sie dann das starteten, was sie jetzt die "Stop Oligarchy Tour" nennen. Sie wollten erst einmal sehen, ob ein prominenter Demokrat die Führungslücke in der Widerstandsbewegung füllen würde. Sanders ist parteilos, aber arbeitet mit den Demokraten zusammen und hat sich auch zweimal um die demokratische Präsidentschaftskandidatur beworben.
Ein drittes Mal wird es nicht geben. "Dies ist wie Wahlkampf-Kundgebungen, nicht wahr? Aber ich kandidiere nicht als Präsident, und dies hier ist kein Wahlkampf", sagte Sanders der Nachrichtenagentur AP. "Du musst tun, was du tun musst. Das Land steckt in der Bredouille, und ich will meine Rolle spielen."
Seit ihrem Verlust des Weißen Hauses und der Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat haben die Demokraten in Washington alle Mühe, sich hinter einer konsistenten Botschaft oder einem Botschafter beziehungsweise einer Botschafterin zu scharen, um Trumps aggressiven Kurs zu stoppen. Es hat keine zentralisierte Bewegung gegeben, um den Widerstand gegen den Republikaner zu organisieren.
Werbetour für Buch statt Widerstand
"Wenn du dich umschaust, wer sonst (außer Sanders) tut es? Niemand", sagte die Abgeordnete Alexandra Ocasio-Cortez, eine enge Verbündete des Senators, die nach eigenen Angaben in den kommenden Wochen gemeinsame Kundgebungen mit ihm, aber auch Solo-Auftritte plant.
Jenseits der Sanders-Tour haben sich zornige Wähler bislang beim Organisieren von Protestaktionen auf Graswurzel-Gruppen wie Indivisible gestützt. Deren Mitgründer Ezra Levin lobt den Einsatz des Senators und wünschte sich, wie er sagt, dass Demokraten seinem Beispiel folgten und durch das Land reisten, um für Widerstand zu trommeln. Insbesondere stößt er sich am Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, der während einer Sitzungspause zwei Werbetouren für ein von ihm verfasstes Kinderbuch unternommen habe, anstatt Widerstand zu mobilisieren.
Wer könnte sich bei den Demokraten hervortun?
Tatsache ist allerdings, dass wenige demokratische Führungspersönlichkeiten die Fähigkeit haben, kurzfristig derartige Menschenmengen auf die Beine zu bringen oder die nötige Logistik für Aktivitäten in nationalem Ausmaß zu organisieren. Mögliche demokratische Präsidentschaftsbewerber 2028 wie die Gouverneure Gavin Newsom aus Kalifornien, Gretchen Whitmer aus Michigan und Josh Shapiro aus Pennsylvania beispielsweise haben US-weit begrenzte Prominenz und waren bislang auch eher abgeneigt, stärker ins nationale Rampenlicht zu rücken.


Hier setzt sich Sanders für öffentliche Schulen - und damit für eine erschwingliche Bildung - ein.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Senator Chris Murphy aus Connecticut, der zu den lauteren Trump-Kritikern zählt, glaubt, dass sich die Demokraten besser organisieren müssen. Viele Wähler wünschten sich derzeit sehnlichst, in Aktion treten zu können, sagt er. "Leute sehen die Bedrohung. Sie sorgen sich und sind wütend und motiviert, und sie wollen in eine Richtung geschickt werden, um zu helfen."
Murphy räumt ein, dass Sanders weiterhin zahlreiche Kritiker in der Demokratischen Partei habe, denen seine progressiven Vorstellungen - etwa eine staatliche Krankenversicherung für alle, kostenloser Besuch öffentlicher Colleges und ein "Green New Deal" in der Klimapolitik - zu weit gingen. Aber er selbst glaubt, "dass seine Botschaft der Kern dessen ist, auf dem wir aufbauen müssen". Sanders vertritt die Ansicht, dass Trumps Sieg im November nur möglich gewesen sei, weil Demokraten die Arbeiterschicht im Stich gelassen hätten.
Die Wähler, die am vergangenen Wochenende in Wisconsin und Michigan zu Sanders' Auftritten kamen, waren gemischt, manche haben ihn bei seinen Präsidentschaftsbewerbungen nicht unterstützt. Aber die meisten sagten, dass demokratische Politiker nicht genug getan hätten, um Trump zu stoppen. "Ich bin hier, weil ich um unser Land fürchte", sagte die 77-jährige pensionierte Rechtsanwältin Diana Schack. "Ich werde immer mehr zu einem Bernie-Fan, insbesondere angesichts der Arbeit, die er leistet, indem er durch das Land reist."