2 days ago

Verletzungsmisere: Der Abwehr-Schock und die Wut der Bayern auf Kanadas Fußballverband



Der FC Bayern muss in den entscheidenden Wochen auf die beiden wichtigsten Defensivspieler verzichten. Die Stimmung in München ist angespannt und führt zu harschen Reaktionen.

So wütend hat man die Bayern-Verantwortlichen lange nicht erlebt. "Wir fordern von Canada Soccer eine lückenlose Aufklärung der Abläufe und behalten uns juristische Schritte ausdrücklich vor", polterte Münchens Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen und drohte sogar mit einer Klage gegen den kanadischen Fußballverband. Sportdirektor Christoph Freund will den Fall "lückenlos aufklären. Wie es abgelaufen ist, ist nicht korrekt", schimpfte er.

Was war passiert? Bayerns linker Außenverteidiger Alphonso Davies war zur kanadischen Nationalelf gereist und hatte sich im Länderspiel gegen die USA (2:1 für Kanada) am Knie verletzt. In der 12. Minute musste er vom Platz. Nach der Partie gab es zunächst Entwarnung. Es hieß, die Verletzung sei nicht so schwer, und Davies setzte sich in den Flieger zurück nach München. Dort erhielt er die niederschmetternde Diagnose: Kreuzbandriss. Der pfeilschnelle Kanadier wird mindestens sechs Monate ausfallen, die Saison ist für ihn beendet.

Zu viele schlechte Nachrichten für die Münchner Nerven

"Einen offensichtlich verletzten Spieler mit einem angeschlagenen Knie ohne fundierte medizinische Abklärung auf einen zwölfstündigen Interkontinental-Flug zu schicken, ist aus unserer Sicht grob fahrlässig und ein klarer Verstoß gegen die medizinische Sorgfaltspflicht", schimpfte Dreesen. Und nicht nur das. In München ist man der Auffassung, dass Davies gar nicht im Spiel um Platz drei der Concacaf-Nations-League hätte auflaufen dürfen. Er soll vorher muskuläre Probleme gehabt haben. Davies-Berater Nedal Huoseh übte in einem Interview ebenfalls scharfe Kritik am kanadischen Verband und warf Nationaltrainer Jesse Marsch vor, seinen Kapitän unnötig in Verletzungsgefahr gebracht zu haben.

Die Bayern haben sich in den vergangenen Jahren häufiger mit Nationalverbänden (Niederlande, Frankreich, Chile) angelegt, wenn Profis verletzt von Länderspielreisen heimkamen. Für Klubs ist es bekanntermaßen ein ständiges Ärgernis, dass sich immer wieder Spieler im Einsatz für die Nationalteams verletzen. Die Drohung mit einer Klage hat aber eine neue Qualität. Ob es so weit kommt, steht auf einem anderen Blatt.

Um die Heftigkeit der Reaktion in diesem Fall zu verstehen, reicht ein Blick auf die aktuelle Lage in München. Denn neben Davies mussten die Bayern eine zweite Hiobsbotschaft verkraften: den Ausfall von Dayot Upamecano. Der französische Innenverteidiger war in bestechender Form, ist jetzt aber zu einer mehrwöchigen Pause gezwungen, weil bei ihm freie Gelenkkörper im Knie festgestellt wurden. Dass zudem Manuel Neuer an einem Muskelfaserriss laboriert und vorläufig fehlt (zumindest im Champions-League-Spiel gegen Inter Mailand), trifft die Bayern ins Mark.

Es stehen die entscheidenden Wochen der Saison an. In der Bundesliga führen die Bayern – noch – mit sechs Punkten vor Verfolger Bayer Leverkusen, dennoch ist der Gewinn der Meisterschaft kein Selbstläufer. Im Viertelfinale der Champions League wartet der italienische Meister Inter Mailand. Ziel ist selbstverständlich das Finale, das in München stattfindet. Ein vorheriges Aus wäre eine herbe Enttäuschung.

Große Herausforderung für FC-Bayern-Trainer Kompany

Ausgerechnet in der entscheidenden Saisonphase muss Trainer Vincent Kompany nun die Stammabwehr umbauen, was möglicherweise Auswirkungen auf das Gesamtsystem hat. Mit Davies und Upamecano brechen ihm zwei formstarke Säulen weg. Besonders Upamecano war in den vergangenen Wochen herausragend. "Unser Kader ist stark und wird diese Ausfälle auffangen. Wir werden jetzt noch enger zusammenrücken. Die Qualität ist da, um weiter unsere großen Ziele zu verfolgen", gab sich Sportvorstand-Manager Max Eberl kämpferisch.

Für Davies steht auf der linken Außenbahn der Vierkette Raphael Guerreiro zur Verfügung oder als Notlösung Josip Stanisic, der aber normalerweise rechts spielt. In der Innenverteidigung ist Eric Dier ein Ersatzkandidat für Upamencano. Dem Engländer mangelt es jedoch an Schnelligkeit, ein klarer Nachteil. Der zweite Stamm-Innenverteidiger, der Südkoreaner Kim Min-jae, hat sich nach Achillessehnen-Beschwerden zurückgemeldet, dürfte aber nicht in Topform sein.

Gleiches gilt für Hiroki Ito. Der Japaner kann sowohl als Innen- wie als linker Außenverteidiger spielen, war aber nach einem Mittelfußbruch ein halbes Jahr lang verletzt. Auch er dürfte mit Rückständen zu kämpfen haben. Für Neuer wird wohl der blutjunge und unerfahrene, gleichwohl sehr talentierte Jonas Urbig einspringen. In der Hinrunde stand er für den 1. FC Köln in der 2. Bundesliga im Tor, bevor die Bayern das Talent in der Winterpause verpflichteten. Für die Münchner hat Urbig bisher zwei Bundesligaspiele und die beiden Partien in der Königsklasse gegen Bayer Leverkusen absolviert.

Eine eingespielte und routinierte Defensive steht Kompany also nicht zur Verfügung. Er wird kreativ sein müssen, um die Gemüter seiner Vorgesetzten zu beruhigen.

Quellen: DPA, "Kicker", "Süddeutsche Zeitung", "Bild"

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved