1 day ago

Pro und Contra: Wäre der Abgang von Thomas Müller die richtige Entscheidung?



Hat es sich ausgemüllert? Laut Medienberichten wird die Karriere von Thomas Müller beim FC Bayern in diesem Sommer enden. Richtig so?

Für beide Seiten die beste Lösung

Loslassen fällt schwer, das gilt für Politiker ebenso wie für Sportler. Nur wenige erwischen den richtigen Moment für den Abschied. Dass Thomas Müller jetzt beim FC Bayern offenbar keinen neuen Vertrag bekommt, hat für beide Seiten eigentlich nur Vorteile.

Der Rekordmeister muss den Generationenwechsel vollziehen, nicht nur im Fall Müller, sondern auch im Tor bei Manuel Neuer. Müllers hohes Gehalt lässt sich sportlich nicht mehr rechtfertigen, denn im Kader von Trainer Vincent Kompany spielt der 131-fache DFB-Nationalspieler schon länger kaum noch eine Rolle. Nur achtmal stand er in der Bundesliga in der Startelf, ihm gelang lediglich ein Tor in 23 Spielen. Zwar hat Thomas Müller auch mit bald 36 Jahren immer noch seine besonderen Momente. Aber eben nur noch punktuell – und der FC Bayern braucht mehr als das. Nach 25 Jahren im Verein dürfte das niemand besser wissen als Müller selbst.

Die Bayern-Führung setzt einen ihrer verdientesten Spieler nun mehr oder weniger sanft vor die Tür. Damit geht eine Ära zu Ende, wie es sie im modernen Fußball nur noch ganz selten gibt: Müller wird am Saisonende höchstwahrscheinlich mehr als 500 Bundesliga-Spiele für den Rekordmeister gemacht haben. Mit 32 Titeln beim FC Bayern ist er jetzt schon der erfolgreichste Spieler des Vereins. Und Weltmeister war er ja auch noch. Eine großartige Karriere, für die Thomas Müller einen würdigen Abschluss finden kann. Lieber ein rauschender Abschied als irgendwann ein Abgang durch die Hintertür, möglicherweise mit einer schweren Verletzung.

Thomas Müller, so hört man, hätte gern noch ein Jahr drangehängt. Vielleicht wird ihm später klar, dass der Zeitpunkt für das Ende seiner Zeit bei Bayern nicht so schlecht ist. Der zwölffache Deutsche Meister kann gut und gern noch ein paar Jahre lang seine Karriere ausklingen lassen, vielleicht in den USA nach so langer Zeit bei einem Verein mal etwas ganz Anderes erleben. So wie sein Kumpel Bastian Schweinsteiger, der seine Zeit in Chicago im Nachhinein als seine "schönsten Jahre" bezeichnet. Nur bitte nicht nach Saudi-Arabien, aber das würde zum bodenständigen Müller ohnehin nicht passen. Und jede Wette: Früher oder später landet Thomas Müller doch wieder beim FC Bayern.

Eugen Epp

Die Bayern verscherbeln mit Thomas Müller ihr emotionales Tafelsilber

Das soll es gewesen sein? Die größte Vereinslegende dieses Jahrtausends einfach so vom Hof gejagt? Thomas Müller hat in München alles erlebt, was man erleben kann. Er goss den Rasen der Allianz-Arena nach dem verlorenen "Finale dahoam" 2012 mit seinen Tränen. Nur um ein Jahr später den Henkelpott in Wembley in die Höhe zu recken. Er überlebte alle Trainer von van Gaal bis Ancelotti, von Guardiola bis Tuchel. Und lange Zeit galt die Devise "Müller spielt immer" (Louis van Gaal).

Sicher, das ist schon einige Jahre her, und selbst wenn es einige Jahre so aussah: Auch an einem Thomas Müller geht die Zeit nicht spurlos vorbei. Doch trotz allem hat er immer wieder gezeigt: Er ist noch da. Er ist noch fit. Er ist noch immer ein wichtiger Teil dieser Mannschaft.

Ihn jetzt einfach vom Hof zu schicken, ist ein Stich ins Herz eines jeden Bayern-Fans. Wo wir auch schon beim größten Problem wären: Thomas Müller IST der FC Bayern. Niemand hat in den vergangenen Jahrzehnten so sehr für den Rekordmeister gestanden wie er. Niemand hat so oft seine – offenbar sehr elastischen – Knochen hingehalten. Der Müller-Thomas war und ist die absolute Identitätsfigur der Münchner.

Nun könnte der Verein in die gefährliche Versuchung kommen, aus ihm ein Bauernopfer zu machen. Für den Fortschritt, für die Zukunft, für den Umbruch. Doch einen solchen Umbruch aus Zwang zu vollziehen, geht verlässlich nach hinten los. Der (ehemalige) Langzeitrivale aus Dortmund kann ein Lied davon singen. Nachdem man dort im vergangenen Sommer die beiden Ikonen Mats Hummels und Marco Reus fast geräuschlos aussortierte, dümpelt der einst so stolze BVB im Niemandsland der Tabelle herum. Planlos, ziellos und vor allem identitätslos. 

Die Fans distanzieren sich emotional immer mehr von ihren Vereinen, wenn sie keine Spieler haben, zu denen sie aufblicken können. Sollte der FC Bayern Müller tatsächlich einfach so ziehen lassen, verscherbeln sie ihr emotionales Tafelsilber – und das ist in München ohnehin eine Rarität. 

Müller mag nicht mehr der Schnellste sein (das war er nie), er mag nicht mehr das allerhöchste Spielniveau haben (das hatte er nie), aber was er noch immer hat, ist die Hingabe, den Einsatz, der ein ganzes Stadion in Brand setzen kann. Lieber sollte der FC Bayern Müller behalten, als im Sommer zwei neue Söldner zu holen, denen egal ist, wo sie spielen.

Phil Göbel

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