Wie unterscheiden sich die Parteien beim Thema Migration? Die Sendung "Peter Kloeppel: Wie lösen wir die Flüchtlingskrise?" wirft einen Blick in die Parteiprogramme. Die Vorschläge reichen vom "Bleiberecht für alle" (Linke) bis zur kompletten Ablehnung dauerhafter Einwanderung (AfD).
Es war der 31. August 2015, als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel erstmals die berühmten Worte "Wir schaffen das" sagte. Gemeint waren die Herausforderungen, die mit der Aufnahme einer hohen Zahl von Geflüchteten auf Land und Gesellschaft zukommen würden. Merkel hat damals etwas Alternativloses gesagt: Die Fakten waren geschaffen, die Menschen waren da. Man musste es also schaffen. "Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft - wir schaffen das!", waren ihre genauen Worte damals.
Dann kamen die Kölner Silvesternacht und die ersten Zweifel. Und nicht erst seit dem Anschlag von Solingen ist klar: Es gibt ein Problem bei der Migration, und zwar ein ziemlich großes und komplexes, wenn es denn überhaupt nur eins ist.
Die Ampelkoalition musste reagieren. Innenministerin Nancy Faeser verfügte schärfere Grenzkontrollen, außerdem wurden 28 Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Zudem legte Faeser ein Sicherheitspaket vor. Dieses Paket enthält im Kern zwei Gesetze. Zum einen das "Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems", zum anderen das "Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung". Ersteres enthält unter anderem eine Verschärfung des Waffenrechts. Bundesländer können Waffenverbotszonen einrichten, das Mitführen von Messern im öffentlichen Raum wird eingeschränkt. Das "Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung" soll dem Bundeskriminalamt (BKA) durch automatischen Datenabgleich und Gesichtserkennung die Identifizierung von Verdächtigen erleichtern. Und es erlaubt der Bundespolizei, Kontrollen in Waffenverbotszonen durchzuführen.
Beide Gesetze passierten den Bundestag. Das zweite musste auch vom Bundesrat verabschiedet werden, bekam aber nicht die erforderliche absolute Mehrheit. Die Länder, in denen die Union an der Regierung beteiligt ist, stimmten dagegen oder enthielten sich. Denn CDU und CSU geht das Gesetz nicht weit genug, sie stellten einen eigenen Antrag, der letztlich aber auch abgelehnt wurde. Während das "Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems" in Kraft treten kann, wird beim zweiten noch gerungen, der Ausgang ist ungewiss.
Aber wo und wie unterscheiden sich die Parteien voneinander? Die Vorschläge reichen von einem "Bleiberecht für alle" (Die Linke) bis zur kompletten Ablehnung dauerhafter Einwanderung (AfD).
Die Vorschläge und Forderungen der einzelnen Parteien in der Übersicht
SPD
Die SPD möchte Migranten, die in der EU arbeiten wollen, mehr Möglichkeiten schaffen, auf legalem Wege einzuwandern. Die Partei fordert aber auch mehr legale Zugangswege für Geflüchtete. Dabei setzt sie auf die sogenannten Resettlement-Programme der UN. Um Teil eines Resettlement-Programms zu werden, muss ein Geflüchteter bestimmte Voraussetzungen erfüllen (Anerkennung des Status als Flüchtling, besonderer Schutzbedarf). Eine Auslagerung der EU-Asylverfahren in Drittstaaten lehnt die SPD ab.
Beim Schutz der EU-Außengrenzen fordert die SPD die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften, Menschenrechtsverletzungen sind aufzuklären und zu verhindern.
Zum Thema Bleiberecht und Abschiebung heißt auf der Seite der SPD-Bundestagsfraktion: Wer keinen Schutz benötigt und keine Bleibeperspektive hat, muss Deutschland verlassen. Das gilt vor allem auch für Straftäter und Gefährder. Die Identitätsfeststellung von Straftätern und Gefährdern soll erleichtert werden.
CDU
In ihrem Papier "Antworten auf zentrale Fragen in der aktuellen Asyl- und Flüchtlingspolitik" sieht die Partei Deutschland in "einer anhaltenden schweren Migrationskrise". Um diese zu bewältigen, fordert die Union unter anderem einen Aufnahmestopp für Asylbewerber aus Syrien und Afghanistan, wie auch die Abschiebung ausreisepflichtiger Syrer und Afghanen. Flüchtlinge, die in ihr Heimatland reisen, sollen ihren Schutzstatus verlieren. Eine solche Reise beweise, dass sie "keine Verfolgung zu befürchten" haben.
Die Union fordert zudem dauerhafte Grenzkontrollen, die Zurückweisung illegaler Einreisen, sowie die konsequente Abschiebung ausreisepflichtiger Personen und einen zeitlich unbegrenzten Ausreisearrest.
Bündnis 90/Die Grünen
In ihrem Themenpapier "Einwanderung gestalten" bekennen sich die Grünen zum "Grund- und Menschenrecht auf Asyl". Menschen, die "vor Krieg und Verfolgung […] fliehen müssen, sollen in Deutschland und Europa Schutz finden". Dafür brauche es mehr legale Möglichkeiten für die sichere Einreise und ein zügiges und faires Asylverfahren. Freiwillige Rückkehr soll Vorrang vor Abschiebung haben. Dafür soll es eine "europaweite, ergebnisoffene und unabhängige Rückkehrberatung" geben.
Die Grünen sind für Kontrollen an den EU-Außengrenzen. Diese müssen "in jedem Fall unter Beachtung der Menschenrechte ablaufen". Menschen, die kein Aufenthaltsrecht erhalten, sollen "zügig wieder ausreisen". Dabei soll jedoch sichergestellt werden, dass die entsprechenden Staaten "rechtsstaatliche Prinzipien im Umgang mit Geflüchteten" respektieren. In Kriegs- und Krisengebiete dürfe nicht abgeschoben werden.
Alle EU-Staaten sollen sicherstellen, dass jeder, der in Europa Schutz sucht, "existenzsichernde und menschenwürdige Bedingungen" und "rechtsstaatliche Standards" vorfindet.
FDP
Die Liberalen setzen sich für eine kritische Überprüfung der Fluchtursachen im Asylverfahren ein. Wer keine Chance auf ein Bleiberecht in der EU hat, soll möglichst gar nicht erst einreisen. Die irreguläre Migration soll durch schnellere Asylverfahren und konsequente Abschiebungen reduziert werden. Freiwillige Ausreisen sollen stärker gefördert werden.
Die Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen will die FDP temporär verlängern. Dabei ist sicherzustellen, "dass Flüchtlinge und Migranten, die sich bereits in einem sicheren Drittstaat aufgehalten haben, dorthin zurückkehren". Es soll auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden. An den großen deutschen Flughäfen sollen Ausreisezentren eingerichtet werden.
Die FDP hält die Sozialleistungen für Asylbewerber für zu hoch und damit zu attraktiv. Sie sollen nach unten korrigiert werden, ausreisepflichtige Personen sollen gar keine Sozialleistungen mehr bekommen.
Die Linke
Die Linke bekennt sich zur Genfer Flüchtlingskonvention, ebenso zum Recht auf Asyl. Alle Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sollen spätestens nach fünf Jahren in Deutschland Bleiberecht erhalten. Statt den Duldungsstatus einiger Flüchtlinge immer wieder zu verlängern (Kettenduldung), soll ihnen eine dauerhafte Perspektive angeboten werden.
Die Partei lehnt das Gemeinsame Europäische Asylsystem ab (GEAS) und bezeichnet es als "moralische Bankrotterklärung und ein Einknicken vor den rechten Kräften in Europa". Es verschlimmere die Situation an den Außengrenzen und entrechte schutzbedürftige Menschen. Die Linke lehnt Abschiebungen ab und fordert ein Bleiberecht für alle.
AfD
Laut der AfD "übersteigt die derzeitige Einwanderung in unser Sozialsystem bei weitem unsere finanziellen Möglichkeiten". Ein langfristiger Aufenthalt in Deutschland müsse deshalb davon abhängig gemacht werden, "ob jemand seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie selbst verdient." Es sei denn, es gebe "tatsächliche Schutzgründe". Doch selbst diese seien lediglich "ein Recht auf Zeit" und "keine Anwartschaft auf dauerhafte Einwanderung".
Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist, sollen abgeschoben werden. Die Bearbeitung "offensichtlich unbegründeter Asylanträge" will die AfD "drastisch verkürzen". Eine freiwillige Ausreise sei einer Abschiebung vorzuziehen. Möglicherweise seien manche Menschen durch "Gewährung einmaliger Starthilfe" zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen.
Die deutschen Grenzen sollen notfalls durch die "Errichtung von Grenzzäunen kontrollierbar" gemacht werden. Wer aus einem sicheren Transitland einreisen will, soll abgewiesen werden.
Die AfD befürwortet Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien, so wie die sofortige Abschiebung aller rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber. Menschen, deren Asylverfahren laufen, sollen nur noch Sachleistungen erhalten. Die AfD glaubt, auf diese Weise "illegale Zuwanderung von vornherein" zu unterbinden.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht setzt sich für eine Wahrung des Grundrechts auf Asyl und den Stopp unkontrollierter Migration ein. Aus seiner Sicht scheitert die EU seit Jahren an einer vernünftigen und wirksamen Regelung. Das Bündnis fordert "eine grundlegende Reform der Flüchtlings- und Migrationspolitik". Es vertraut auf "rechtsstaatliche Asylverfahren an den Außengrenzen und in Drittstaaten", so könne wirklich Schutz geboten werden. Das Verfahren könne allen, "die kein Recht auf Asyl […] und [k]eine Bleibeperspektive haben, den lebensgefährlichen und teuren Weg" ersparen.
Ausreisepflichtige Menschen sollen konsequent abgeschoben und mit Wiedereinreisesperren belegt werden.
Das BSW fordert die landesweite Einführung einer Bezahlkarte und eine Kürzung der Leistungen auf das verfassungsrechtlich geforderte Existenzminimum für Ausreisepflichtige in Form von Sachleistungen.
RTL zeigt die Doku "Peter Kloeppel: Wie lösen wir die Flüchtlingskrise?" am 31. Oktober um 20:15 Uhr. Sie finden die Sendung dann auch auf RTL+.