Die gemeinsame Abstimmung mit der AfD verärgert einige frühere Granden der CDU. Ex-Vorstandsmitglied Michel Friedman zieht persönliche Konsequenzen und verlässt die Partei.
Michel Friedman will nicht länger der CDU angehören. Der Publizist und frühere hochrangige Unionspolitiker zieht aus der umstrittenen Abstimmung im Bundestag, bei der die CDU/CSU einen Antrag zur Migrationspolitik erstmals mit Stimmen der AfD durchbrachte, seine persönlichen Konsequenzen.Kommentar Merkels Affront 12:14
Gegenüber dem Hessischen Rundfunk erklärte der 68-Jährige, er werde aus der Partei austreten. Die Abstimmung im Bundestag verurteilte Friedman mit scharfen Worten: Sie sei "eine katastrophale Zäsur für die Demokratie der Bundesrepublik" und ein "unentschuldbares Machtspiel". Friedman war seit 1983 – also mehr als 40 Jahre lang – Mitglied der Christdemokraten und hatte von 1994 bis 1996 dem Bundesvorstand der CDU angehört.
Michel Friedman: Merz hat "Büchse der Pandora" geöffnet
Dieses Kapitel ist für ihn nach der historischen Bundestagssitzung jedoch beendet. "Die Naivität derjenigen, die bei der CDU uns erklären wollen, dass das alles ja nicht gewollt war, dass man deren Stimmen gar nicht haben wollte, ist so unterkomplex, dass man da gar nicht mehr hinhören kann", erklärte Friedman. PAID Interview Michel Friedmann
Mit der Abstimmung habe CDU-Chef Friedrich Merz die "Büchse der Pandora" einer Zusammenarbeit mit der AfD geöffnet – auch wenn er nicht mit der in Teilen rechtsextremen Partei koalieren wolle. Die Stimmen der AfD seien vergiftet und würden nun auch die Union vergiften. Am Freitag könnte die Union mit den Stimmen von rechts auch das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz verabschieden.STERN PAID 27_23 Michel Friedman AfD Dann packe ich meine Koffer_0600
Ein Großteil der Familie von Michel Friedman wurde im Dritten Reich von den Nazis ermordet. Seine Eltern und seine Großmutter überlebten dank der Unterstützung von Oskar Schindler. Friedman engagierte sich unter anderem als stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland und als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses. Erst vor wenigen Monaten hatte er bei einer Rede im hessischen Landtag die AfD-Abgeordneten als "geistige Brandstifter, verantwortlich für Hass und Hetze" bezeichnet.
In einem Essay für den stern schrieb Friedman schon 2023: "Sollte die AfD einer deutschen Bundesregierung angehören, sind meine Koffer gepackt. Dann gehe ich. Mein Leben ist spätestens dann in Gefahr. Nicht nur weil ich Jude bin, sondern weil ich Demokrat, ein Bürger bin. Weil ich meine Klappe nicht halten will, aber dafür auch nicht ins Gefängnis möchte. Ich werde meine Freunde bitten mitzukommen, bevor es zu spät ist."