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Meinung: Wolfgang Kubicki sollte der FDP und sich selbst seinen Ruhestand gönnen



Die FDP liegt in Trümmern: Bei der Wahl gescheitert und Aushängeschild Christian Lindner weg. Dass aber der 72-jährige Wolfgang Kubicki die Partei erneuern soll, ist absurd.

Regierungsbeteiligung? Weg. Bundestagsfraktion? Weg. Christian Lindner? Weg. Vor der FDP liegen schwierige Monate, in denen sich die Partei personell neu und thematisch breiter aufstellen muss. Hart gesagt: Wer nur Politik für die oberen fünf Prozent in Deutschland macht, muss sich nicht wundern, wenn er bei der Bundestagswahl noch nicht einmal fünf Prozent bekommt.

Genau für den Fall des Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde hatte FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. "Ja, dann ist für mich politisch Schluss, denn ich werde in der nächsten Woche 73 Jahre alt", sagte Kubicki dem "Flensburger Tageblatt" noch am Wahlabend. Es werde schwer werden, die Partei in ihren Strukturen zu erhalten, wenn sie nicht im Bundestag ist. "Ich habe das einmal miterlebt, ich weiß, wie schwierig das ist. Und ich werde in diesem Fall nicht mehr die Kraft haben, der FDP dann in den kommenden vier Jahren weiterzuhelfen."

Es kam, wie von Kubicki und der FDP befürchtet. Und schon am Morgen danach – schwupps – gilt Kubickis Wort nicht mehr: "Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren", sagte Kubicki am Montag der "Bild"-Zeitung mit Blick auf den dann angesetzten Parteitag. Er würde sich als Parteivorsitzender bewerben, "um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren".

Auch Meinungsänderungen schaden der FDP

Offenbar ist die FDP in ihrer Analyse noch nicht darauf gekommen, dass genau solche Meinungsänderungen der Partei massiv geschadet haben. Nicht nur, dass sich die Liberalen in einer Regierungskoalition wie ein Teil der Opposition aufgeführt haben. Sie haben auch jeden mühsam gefundenen Kompromiss kurz nach Verkündung wieder infrage gestellt, um doch noch ein wenig mehr für sich und ihre reiche Klientel herauszuholen. Die Wählerinnen und Wähler durften miterleben, dass das Wort von FDP-Chef Lindner nicht viel zählte.

Nun setzt Kubicki also womöglich doch seine Polit-Karriere fort. Er hat durchaus seine Verdienste – nicht nur für die Liberalen, sondern auch für das Land. Immerhin mischt er seit Jahrzehnten in der Bundes- und schleswig-holsteinischen Landespolitik mit. Und auch so manche Debatte mischte er auf. Seit 2017 bekleidet er als Vizepräsident des Bundestages eines der höchsten Ämter der Republik. Sagen wir es so: Einen Ruhestand hätte er sich also mehr als verdient.

Wolfgang Kubicki mit über 70 als Erneuerer?

Wieso ändert jemand, der bei der nächsten Bundestagswahl voraussichtlich 76 Jahre alt sein wird, über Nacht seine Meinung? Wieso traut er sich die Kraft zur Erneuerung der Partei plötzlich doch zu? Haben die Nachrichten von FDP-Anhängern sein Ego so sehr gekitzelt? Reizt ihn die Aufgabe oder die Macht – zumindest innerhalb der Partei? Reizen ihn die Einladungen in Talkshows? Kubicki sollte sich und den Jüngeren in der FDP seine Rente ruhig gönnen. Denn auch personell brauchen die Liberalen Erneuerung.

Quellen: Kubicki-Biografie auf bundestag.de, "Flensburger Tageblatt" (Bezahlinhalt),

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