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Zwangsrekrutierungen im Kongo?: M23-Rebellen wollen Truppen mit Angehörigen von Regierungssoldaten stärken



Die Rebellen von M23 wollen den Präsidenten stürzen und weitere Gebiete im Kongo erobern. Dabei rekrutieren sie immer mehr Männer für ihre Armee. Auch vor Kindern von kongolesischen Soldaten schrecken sie nicht zurück. Tausende Familien sind vertrieben und hungern.

Rebellen der Gruppe M23 sollen im Osten der Demokratischen Republik Kongo Verwandte kongolesischer Soldaten ins Visier genommen haben. Familien berichteten, die Frauen der geflüchteten oder toten Regierungssoldaten seien aus Militärkasernen in Goma fortgejagt worden und in der Stadt gestrandet. Ihre Kinder seien teils gezwungen worden, sich dem Rebellenaufstand anzuschließen. Als die von Ruanda unterstützten Rebellen Goma Ende Januar einnahmen, wandten sie sich schnell den Militärkasernen in und um die Stadt zu. Betroffene Frauen berichteten, Hunderte dort ansässige Soldatenfamilien seien vertrieben worden.

M23 ist die bekannteste der mehr als 100 bewaffneten Gruppen, die im rohstoffreichen Osten des Kongos um Macht und Einfluss kämpfen. Die Einnahme Gomas, Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu, und kurz darauf Bukavus, Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu, markierte eine Eskalation der seit Jahren andauernden Kämpfe zwischen den Rebellen und den Regierungstruppen. Tausende kongolesische Soldaten flüchteten oder ergaben sich. Tausende Menschen kamen zu Tode.

Nach dem erzwungenen Abschied aus den Militärkasernen in Goma sind viele Familien geflüchteter kongolesischer Soldaten in temporären Notunterkünften untergekommen. Dazu gehören auch Schulen, in denen die Habseligkeiten der Menschen verstreut liegen und sich mehrere Familien in einzelne Klassenräume zwängen. In ihren Unterkünften berichteten sie der Nachrichtenagentur AP von ihrem neuen Leben voller Entbehrungen und Unsicherheit.

Als sie aus dem Militärstützpunkt Mubambiro im Gebiet Masisi vertrieben wurden, gelang es Francine Kayenga und ihren drei Kindern nur, ein paar Kleidungsstücke und eine Matte zusammenzuraffen. Kayengas Mann wurde in dem Konflikt getötet. "Ich weine jede Nacht", sagte die hochschwangere Kayenga. "Wenn ich meine Kinder nicht hätte, hätte ich mein Leben beendet."

Minderjährige an die Waffe

Erstmals hatten die Rebellen Goma im Jahr 2012 eingenommen. Unter wachsendem internationalen Druck zogen sie sich nach einigen Tagen zurück. Dieses Mal ist ihre Rebellion in vielerlei Hinsicht anders.

Die M23 hat davon gesprochen, Präsident Félix Tshisekedi in der weit entfernten Hauptstadt Kinshasa zu stürzen. Die Gruppe unternimmt weitere Vorstöße, um zusätzliches Gebiet zu erobern und wird dabei nach Einschätzung von UN-Experten von 4000 ruandischen Soldaten unterstützt. Rufe nach einer Waffenruhe verhallen ungehört. Die Anführer der Rebellen haben angekündigt, Städte von angeblich schlechter Verwaltung und Unsicherheit zu "säubern".

Albertine Malongis Mann ist als kongolesischer Soldat in dem Konflikt getötet worden. Die Witwe berichtet, ihr 19-jähriger Sohn sei aus Goma geflohen, nachdem er gehört habe, dass die Rebellen Menschen für ihren Kampf gegen die Regierung zwangsrekrutierten. "Sie wollen, dass all die älteren Jungen, besonders die Söhne von Soldaten, sich ihrer Armee anschließen", sagte die 33-Jährige.

Die AP konnte die Berichte über Zwangsrekrutierungen nicht unabhängig bestätigen. Das UN-Menschenrechtsbüro hat aber von Fällen berichtet, in denen auch Minderjährige zum Dienst an der Waffe gezwungen worden seien. In Gebieten, in denen die Rebellen die Kontrolle haben, seien Minderjährige zudem standrechtlich hingerichtet worden, insbesondere in Bukavu. "Wir fordern Ruanda und M23 auf, sicherzustellen, dass Menschenrechte und das Völkerrecht respektiert werden", erklärte das Menschenrechtsbüro.

Schulen als Notunterkünfte

Die M23 setzt ihren Kampf gegen die Regierungstruppen fort, versucht ihre Einflusssphäre auszudehnen und die Kontrolle über Goma und Bukavu zu zementieren. Die Rebellen haben davon gesprochen, die Schulen rasch wieder zu öffnen. Die Familien stellt das vor die Frage, wohin sie gehen sollen, wenn die Klassenräume, in denen sie Unterschlupf gefunden haben, wieder für den Unterricht genutzt werden. "Wir wissen nicht, wo wir leben werden, wohin wir gehen werden. Unsere Häuser wurden verbrannt. Wir wissen nicht, ob unsere Ehemänner noch leben", sagte die 37-jährige Mwamini Tusawe in der Grundschule Furaha.

Sowohl an dieser Grundschule als auch an der Rutoboko-Sekundarschule, die ebenfalls als Unterkunft für vertriebene Soldatenfamilien dient, spielten Kinder auf den Pausenhöfen, während ihre Mütter versuchen, sich in einem neuen Leben zurechtzufinden. Einige Mütter versuchten, ihre wenigen mitgenommenen Habseligkeiten zu verkaufen, um die nächste Mahlzeit zu finanzieren.

Frieden und Sicherheit finden die Familien auch deshalb nicht, weil immer wieder Rebellen auf der Suche nach Soldaten vorbeikommen. Lucie Mapasa - auch sie verlor ihren Mann in dem Konflikt - beschrieb das Grauen während des jüngsten Besuches von M23-Kämpfern. "Sie richteten eine Waffe auf mich und wollten wissen, wo mein Mann ist", sagte Mapasa. "Ich zeigte ihnen meine Kinder und erklärte, dass ihr Vater tot ist."

In den Klassenzimmern gibt es Wandgemälde und Bilder von Unterrichtsmaterialien. Doch scheint Bildung die geringste Sorge zu sein, wenn die Nahrungsmittel zur Neige gehen. "Wir haben alles verkauft, nur um zu essen", sagte die zehnfache Mutter Louise Sabina, 39 Jahre alt. "Eines Tages wird nichts mehr übrig sein und wir werden verhungern."

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