Bundeskanzler Scholz zeigt sich unverdrossen bereit für eine zweite Amtszeit, ungeachtet miserabler Zustimmungswerte. Geht es nach den Wählerinnen und Wählern, hätte die SPD aber mit Verteidigungsminister Pistorius als Kanzlerkandidaten deutlich bessere Karten.
Die SPD ist derzeit schlecht angesehen. Wie die Sozialdemokraten erneut die Bundestagswahl gewinnen wollen, erschließt sich weder mit Blick auf die Sonntagsfrage noch mit einem auf die schlechten persönlichen Beliebtheitswerte von Bundeskanzler Olaf Scholz. Geht es nach den Wählerinnen und Wählern, bietet sich aber womöglich ein Ausweg: ein Kanzlerkandidaten-Tausch zugunsten des sozialdemokratischen Verteidigungsministers. Im RTL/ntv-Trendbarometer stimmten 67 Prozent der Aussage zu, "Scholz sollte bei der nächsten Bundestagswahl zugunsten von Boris Pistorius auf eine erneute Kanzlerkandidatur verzichten". Nur 21 Prozent der Befragten verneinten.
Bemerkenswert: Auch das Lager derjenigen, die 2021 SPD gewählt haben, ist mehrheitlich dieser Ansicht. 63 Prozent der vormaligen SPD-Wähler befürworten den Kandidatentausch, 32 Prozent nicht. Im kleineren Lager der SPD-Anhänger, also regelmäßige Wähler der Partei, sprechen sich 52 Prozent für einen Wechsel des Kanzlerkandidaten aus, 40 Prozent lehnen ihn ab.
Deutlich für einen Wechsel sind auch die Anhänger der anderen großen Parteien. Die Zustimmung reicht von 62 Prozent bei den Grünen-Anhängern über 71 Prozent bei BSW-Anhängern und 73 Prozent bei CDU/CSU-Anhängern bis hin zu 83 Prozent der FDP-Anhänger und 84 Prozent der AfD-Anhänger. Unklar ist, ob diese Werte nicht vor allem Ausdruck der Abneigung gegen Scholz sind. Pistorius befürwortet eine robustere Unterstützung der Ukraine mit westlichen Waffen sowie mehr Investitionen in die Bundeswehr, was nur zum Teil vereinbar ist mit Ansichten der AfD- und BSW-Wähler.
Mit Abstand am beliebtesten
Klar ist aber: Kein anderer Politiker in Deutschland erfreut sich seit mehr als eineinhalb Jahren solcher Beliebtheit wie der vormalige niedersächsische Innenminister Pistorius. Zuletzt Anfang September hatte das Institut Forsa im Auftrag von RTL und ntv gefragt, bei welchen Politikern die Menschen das Land in "in guten Händen" sehen. Die Befragten konnten Werte von 0 ("ist überhaupt nicht in guten Händen") bis 100 ("ist voll und ganz in guten Händen") abgeben.
Mit 55 Punkten liegt Pistorius deutlich auf Platz eins, wenn auch mit zwei Punkten weniger als noch im Juni. Einen Punkt gab auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst ab, der wie Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther auf 49 Punkte kommt. Bundeskanzler Olaf Scholz verlor gar fünf Punkte und rangierte mit 30 Punkten nur noch auf Platz elf. Unionskanzlerkandidat Freidrich Merz landete mit 36 Punkten auf Platz sechs.
SPD-Spitze steht öffentlich zu Scholz
Aus der SPD-Spitze wird bei der Frage nach einem möglichen Kandidatentausch stets abgewiegelt. Prominente Befürworter einer Pistorius-Kandidatur gibt es in der Partei dennoch, etwa Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter: "Natürlich kommt der beliebteste Politiker Deutschlands als SPD-Kanzlerkandidat infrage", sagte Reiter dem "Tagesspiegel".
Vorsichtige Kritik an Scholz kam zudem zuletzt auch aus der Parteispitze selbst. Der einflussreiche SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte im ZDF: "Da habe ich auch eine Erwartung an den Bundeskanzler, dass man jetzt mit einer anderen Performance, mit einer Klarheit bei den Themen, mit dem Raus aus der Moderationsrolle dieser Regierung und dem Zeigen, dass man diese Wahl gewinnen will, dass wir das gemeinsam dann auch schaffen, diesen Wahlkampf zu gewinnen."
Zugleich beteuerte Klingbeil, er wolle mit Scholz in den Wahlkampf ziehen und dessen zweite Amtszeit erreichen. Eine Pistorius-Kandidatur gilt Beobachtern auch deshalb als Risiko, weil seine persönliche Beliebtheit womöglich die Bilanz seiner Amtszeit überstrahlt. Die Bundeswehr ist weiter mit großen Problemen konfrontiert. Waffen und andere Ausrüstung kommen in Teilen nicht so schnell wie notwendig und erhofft. Das Personalproblem ist ungelöst und mit seiner Forderung nach deutlich mehr Geld konnte sich Pistorius in den schwierigen Haushaltsverhandlungen der Ampelkoalition nicht durchsetzen.
Zudem gilt es als ausgeschlossen, dass Pistorius von sich aus Scholz herausfordert. Zunächst müsste der Kanzler verzichten, freiwillig oder auf Druck der Parteispitze. Das aber deutet sich bislang nicht an.