Als "Windmühlen der Schande" bezeichnete Alice Weidel Windräder auf dem AfD-Parteitag und forderte, sie abzureißen. Welche Folgen hätte das?
Der AfD-Parteitag am Wochenende in Riesa brachte für Alice Weidel auch offiziell die langersehnte Entscheidung: Sie ist Kanzlerkandidatin. Damit ist sie die unumstrittene Nummer eins einer Partei, die sich in den vergangenen Jahren immer weiter radikalisiert hat – wobei Weidel lange versuchte, dem extremistischen Kern einen bürgerlichen Anstrich zu geben.
Doch in Riesa wirkte es so, als wolle sie fortan auf die letzte Zurückhaltung verzichten, wobei auch dies Teil einer Strategie ist. Weidel gab sich in ihren Reden so radikal wie selten zuvor. Sie skandierte rechtsextreme Kampfbegriffe wie "Remigration", nannte Demonstranten vor der Halle "rot-lackierte Nazis" und kündigte an, alle Klimasubventionen zu streichen, wenn die AfD an der Macht wäre.
Besonders viel Empörung erzeugte ihre Ankündigung, "alle Windräder" abzureißen. "Nieder, nieder mit diesen Windmühlen der Schande!", brüllte sie in einen tobenden Saal. Später erklärte sie gegenüber ntv, sie habe ja nur die Windräder gemeint, für die angeblich Grimms Märchenwald in Hessen abgeholzt werde. Während ihrer Rede klang der Ausruf aber eindeutig zweideutig.
Doch wäre es überhaupt möglich, die Windräder in Deutschland abzureißen? Und was wären die Folgen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum sind Windräder für Alice Weidel überhaupt ein Thema?
Für die Rechtsextremisten in der AfD steht Weidel wegen ihres privaten Lebensmodells und ihr Vergangenheit als Goldman-Sachs-Bankerin immer noch im Verdacht, eine verkappte Neoliberale zu sein. Die "Windmühlen der Schande" waren deshalb in doppelter Hinsicht eine Verbeugung vor dem Lager von Björn Höcke, das sie trotz der von ihr vorangetriebenen Professionalisierung der Partei vorerst weiter einbinden muss. AfD Riesa Analyse Sonntag 6.06
Zum einen streitet der thüringische AfD-Landesvorsitzende, der an der Grenze zu Hessen wohnt, seit Jahren gegen die Windräder im nahen Reinhardswald – nach Weidels Rede setzte er per Änderungsantrag durch, dass es dazu auch eine Passage im Wahlprogramm gibt.
Zum anderen war es Höcke, der Anfang 2017 in seiner Skandalrede in Dresden eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert hatte – und in diesem Zusammenhang das Berliner Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnete. Die AfD-Spitze unter Frauke Petry leitete daraufhin ein Ausschlussverfahren gegen Höcke ein, das Weidel als Vorstandsmitglied unterstützte.
Ab 2019 suchte sie dann die strategische Allianz mit dem Rechtsextremisten – die bis heute trotz aller Interessengegensätze hält. Auch in Riesa.
Welche Folgen hätten die Forderungen?
2023 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 449,8 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Fast ein Drittel davon kam demnach aus der Windkraft (31 Prozent). Damit sei diese der "wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland".
Der Rückbau der Windräder hätte also unabsehbare Konsequenzen für die Energiesicherheit in der Bundesrepublik.
Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Kerstin Andreae, erklärte zu Weidels Forderungen: "Die Aussage von Frau Weidel ist völlig destruktiv. Die Wortwahl 'Windmühlen der Schande' ist nicht nur unpassend, sondern verzerrt auch grundlegende Fakten und geht damit an der aktuellen Debatte vorbei." Der Ausdruck sei ein pauschaler Angriff auf eine der zentralen Säulen des Kampfes gegen den Klimawandel: die Nutzung von Windenergie.
"Doch auch jenseits der ökologischen Frage", erklärte Andreae: "Wo kommen wir denn hin, wenn staatliche Willkür so weit gehen würde? Wir reden von privaten Investitionen und Eigentum – diese zerstörerischen Angänge sind verheerend."
Ähnlich äußerte sich auch Stefan Thimm, Verbandsgeschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie Offshore: "Die AfD nimmt den wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands in Kauf. Austritt aus dem Euro, Absage an die EU, Nationalismus statt offener Grenzen und keine Unterstützung für Freihandelsabkommen – die Liste ist lang und alarmierend." Die Vorschläge der AfD stärkten die Abhängigkeit von Gas und Öl, Nutznießer wäre der russische Staatschef Wladimir Putin, so Thimm.
Wie erklärt Weidel ihre Aussage?
Die AfD-Vorsitzende bemühte sich nach ihrer Rede in mehreren Interviews, die Sätze zu relativieren – oder wie sie es formulierte: "zu kontextualisieren". Sie seien "im Zusammenhang mit der Abholzung im CDU-geführten Hessen" gefallen, sagte sie bei ntv. "Dabei wissen wir ja, dass sowieso nicht so richtig der Wind bläst zur Volllast". Denn "Windmühlen" besäßen einen "deutlich niedrigeren Effizienzgrad". Reportage AfD Riesa Samstag 18.24
Tatsächlich ist der größere Zusammenhang aber eindeutig genug. Denn zuvor hatte Weidel in ihrer Rede gerufen: "Subventionen und Förderprogramme – und ich sage: Subventionen, alle Förderprogramme – für den Klimaschutz und das EEG werden wir abschaffen. Weg mit dem EEG!" Kernkraftwerke sollten wieder angeschaltet und Kohlekraftwerke länger betrieben werden.
Würde die AfD mit dem Rückbau von Windrädern Rechte verletzen?
Das Niederreißen von Windrädern würde in verschiedene Rechte eingreifen: die des Grundeigentümers, also der zuständigen Kommune oder des Privateigentümers, aber natürlich auch in die Rechte des Windradbetreibers.
Die AfD nennt sich Rechtsstaatspartei. Artikel 14 schützt das Privateigentum. Und: "Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt."
Zudem gilt der Bestandsschutz. Eine einmal erteilte Genehmigung für eine bereits bestehende Anlage kann nur schwer wieder zurückgezogen werden.
Mit Material der Nachrichtenagentur DPA.