Bei "Caren Miosga" argumentiert Saskia Esken so, dass das Publikum sie auslacht. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat derweil Mühe, eine Forderung von Friedrich Merz zu verteidigen.
Einmal an diesem Abend lacht das Publikum über Saskia Esken, einmal mit ihr. Erst geht es um das Rentensystem, als Moderatorin Caren Miosga der SPD-Chefin an den Kopf wirft: "Alle wissen, es ist nicht mehr bezahlbar!" Da müsse die Politik doch ehrlich sein und steigende Beiträge ankündigen.
Esken antwortet: "Das stimmt nicht." Lautes Gelächter aus dem Publikum, eine verärgerte Saskia Esken. "Da muss das Publikum nicht lachen!" Wenn doch nur ein paar mehr Frauen Vollzeit arbeiten würden, ein paar Fachkräfte nach Deutschland kämen, dann hätte Deutschland doch gar kein Problem mehr mit der Rente.
Echt jetzt? Die Bundesrepublik steht vor der größten demografischen Krise seit ihrer Gründung und die SPD probiert es mal mit Zuversicht?
Wahlkampf im "Winterwunderland"
Es sind solcherlei blauäugige Versprechen, die den Leiter des stern-Politikressorts Veit Medick in der Sendung vermuten lassen, die Parteien der Mitte befänden sich derzeit in einem "Winterwunderland". Der Journalist sitzt mit Esken und Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) zweien gegenüber, die den Wählern sechs Wochen vor der Bundestagswahl offenbar nichts mehr abverlangen wollen. Haseloff spräche von Steuersenkungen und "Wirtschaftswachstum in astronomischen Höhen", Esken von sicheren Renten. "In diesen Raubtierzeiten wird niemandem etwas zugemutet? Das kann doch nicht sein!" Das können außer Medick auch andere im Studio nicht so ganz glauben, wie die Lacher aus dem Publikum andeuten.
Reiner Haseloff sitzt an diesem Abend nicht nur in der Runde, um sich als CDU-Gegenpart mit Esken über die Schuldenbremse, den Spitzensteuersatz und – an diesem Punkt wird es am hitzigsten – Netzentgelte zu streiten. Sondern auch, weil ein Ereignis in seinem Bundesland das Vertrauen vieler Bürger in den Staat erneut erschütterte: der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg vor gut drei Wochen.
Bei Caren Miosga will Haseloff für das Staatsversagen keine Verantwortung übernehmen
An dem Abend des Anschlags durfte man froh sein, dass der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff hieß. Er fand in den Stunden nach dem Anschlag den richtigen Ton, zeigte Anteilnahme und versprach Aufklärung: "Wir müssen das jetzt alle erst einmal verarbeiten und auch Konsequenzen ziehen", sagte er in den Tagesthemen. Der Blick gesenkt, die Mundwinkel ebenso – der Schock dieses Landesvaters war echt.
Bei Caren Miosga blitzt er wieder durch, dieser Landesvater, als er über den Anschlag sagt: "Das haben wir nicht verkraftet. Das werden wir lange nicht verkraften." Die Frage ist nur: Reicht Betroffenheit drei Wochen später noch aus? Oder müsste man nicht langsam auch über politische Konsequenzen reden? Haseloff räumt zwar ein: Das war "Staatsversagen", betont aber schnell, es gehe jetzt nicht um "individuelle Verantwortung vor Ort", sondern um das "System Deutschland."
Dabei hatten sich Bekannte von Taleb A. auch mit Hinweisen an die Polizei Sachsen-Anhalt gewandt. Warum diese offensichtlich nicht bearbeitet wurden – unklar. Caren Miosga fragt nicht näher nach, Saskia Esken moniert nur, dass die CDU ein Ampel-Sicherheitspaket im Bundesrat blockierte. Nur ging es dabei um biometrische Überwachung, den Anschlag verhindert hätten die darin enthaltenen Vorschläge nicht.
Weihnachtsmärkte Sicherheit 08.41
Allerdings auch nicht der Vorstoß von Friedrich Merz nach der Tat: Es müsse die Möglichkeit geschaffen werden, Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen, wenn sie straffällig würden, forderte der Kanzlerkandidat.
Saskia Esken: "Olaf Scholz ist ein echter Kämpfertyp"
Warum mache Merz diesen Vorschlag, will Miosga wissen, wenn der Täter von Magdeburg die deutsche Staatsbürgerschaft überhaupt nicht hatte? "Eine Ablenkungsmanöver", urteilt Journalist Medick, dafür, dass Merz andere Lösungen fehlten. Haseloff wiegelt ab: Er halte es für falsch, dass die Ampel den Zugang zur Staatsbürgerschaft vereinfacht habe. Ob auch er Straftätern die Staatsbürgerschaft entziehen würde, sagt er nicht.
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Die Sendung am Sonntagabend war rastlos. Miosga hetzte regelrecht durch die Wahlprogramme der Parteien, und es scheint das Symptom eines Wahlkampfes zu sein, der seine zentralen Themen noch nicht gefunden hat. Wenn es also keine Sachthemen sind, die diesen Wahlkampf treiben werden, dann vielleicht die Kanzlerkandidaten? "Das glaube ich nicht", sagt Medick. Die Kandidaten seien "keine echten Zugpferde".
Als Saskia Esken daraufhin antwortet, schallt das Gelächter zum zweiten Mal aus dem Publikum: "Olaf Scholz ist ein echter Kämpfertyp", sagt sie – und muss dann selbst schmunzeln. "Ja, ja, ihr lacht, aber es ist wirklich wahr!", beteuert sie noch. Für die SPD wäre es nur gut, wenn auch die Wähler bald etwas mitbekämen vom Kämpfertyp Scholz – sind doch 77 Prozent unzufrieden mit ihm als Kanzler. Kein anderer Kandidat ist so unbeliebt. Sechs Wochen hat er noch.