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Bundestagswahl 2025: Duell ums Direktmandat: In diesen Wahlkreisen gab es Überraschungen



Manche Ergebnisse der Bundestagswahl waren zu erwarten, in anderen Wahlkreisen passierte Erstaunliches. Das Ergebnis zeigt: Bekannte Namen ziehen nicht überall. Ein Überblick.

Für die Bundestagswahl war Deutschland in 299 Wahlkreise eingeteilt. Tausende Direktkandidatinnen und Direktkandidaten wollten einen dieser begehrten Wahlkreise für sich ergattern. Manchenorts gab es dabei spannende Duelle und interessante Ergebnisse.

Hier lohnt sich ein Blick besonders:

Auch Kanzler- und Spitzenkandidaten gewinnen nicht immer

Der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz holt in seinem Wahlkreis 146 im Hochsauerland wie erwartet mit Abstand die meisten Erststimmen: 47,7 Prozent. Keine Überraschung in der traditionell tiefschwarzen Region.

Auch für den bisherigen Kanzler Olaf Scholz geht es gut aus: Knapper Sieg im Wahlkreis 61 – Potsdam, Potsdam-Mittelmark II, Teltow-Fläming II.

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck dagegen kann seinen Wahlkreis Nr. 1 in Flensburg-Schleswig nicht verteidigen. Auch die Wahlkreis-Gewinnerin Petra Nicolaisen (CDU) zieht wegen des neuen Wahlrechts nicht in den Bundestag ein. Mehr dazu lesen Sie weiter unten im Artikel.

FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner kassierte eine doppelte Niederlage: Mit seiner Partei und auch persönlich im Wahlkreis 99 (Rheinisch-Bergischer Kreis). Erststimmensiegerin hier: Caroline Bosbach, die Tochter des langjährigen CDU-Bundespolitikers Wolfgang Bosbach.

Auch die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel kann ihren Wahlkreis am Bodensee nicht holen. Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek war in Osnabrück ähnlich chancenlos. Jan van Aken, der zweite Linken-Spitzenkandidat, hatte sich nicht um ein Direktmandat beworben – und auch BSW-Kanzlerkandidatin Sahra Wagenknecht nicht.

Wo die Politprominenz gewonnen und verloren hat

Ein enger Weggefährte von Scholz, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, schafft es nicht: Er verliert in Hamburg-Eimsbüttel gegen den Grünen-Kandidaten Till Steffen – und auch der Listenplatz zieht nicht.

SPD-Chef Lars Klingbeil dagegen gewinnt seinen Wahlkreis mit mehr als 42 Prozent deutlicher als viele erwartet hatten. Als Neuling im Bundestag ist Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in Hannover 36,2 Prozent holt.

Der frühere Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang (CDU) kommt nicht in den Bundestag: Er verlor im Wahlkreis Wuppertal I gegen den SPD-Abgeordneten Helge Lindh und ist auch nicht über die Landesliste abgesichert. Mit gleichem Schicksal im Berliner Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf: Der frühere Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Im Duell der Bundestags-Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD) gegen Katharina Dröge (Grüne) setzte sich mit 0,2 Prozentpunkten Vorsprung die Grüne durch. Bislang hatte Mützenich seinen Wahlkreis immer direkt gewonnen.

Der 2021 als Unions-Kanzlerkandidat gegen Olaf Scholz unterlegene Armin Laschet hat in Aachen das Direktmandat gewonnen. Laschet holte 32,3 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Aachen I. Für Laschet war es nach 1994 der zweite Wahlkreis-Sieg bei einer Bundestagswahl – 2021 war er nicht im Wahlkreis angetreten und über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag gekommen. Mit dem damaligen CDU-Vorsitzenden Laschet als Kanzlerkandidat hatte die Union mit 24,1 Prozent 2021 ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl geholt.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat in seinem Wahlkreis in Paderborn mit Abstand die meisten Stimmen errungen, womit er nach Angaben der Bundeswahlleiterin über das Direktmandat ins Parlament einzieht. Linnemann erreichte 45,5 Prozent der Erststimmen.

Und auch Jens Spahn (CDU) zieht per Direktmandat in den Bundestag ein. Der ehemalige Gesundheitsminister, der in der Corona-Pandemie deutschlandweit bekannt wurde, erreichte im Wahlkreis Steinfurt I/Borken I 41,8 Prozent der Erststimmen.

Der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im Wahlkreis Leverkusen - Köln IV die meisten Stimmen geholt und zieht damit erneut in den Bundestag ein. Nach Angaben des Bundeswahlleiters entfielen auf ihn 32,7 Prozent der Erststimmen. Der SPD-Gesundheitsexperte sitzt seit 2005 als direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag.

Der AfD-Politiker Maximilian Krah hat mit Abstand die meisten Erststimmen im Wahlkreis 162 (Chemnitzer Umland-Erzgebirgskreis I) errungen. Damit zieht er genau wie AfD-Bundeschef Tino Chrupalla, der im Wahlkreis 156 (Görlitz) mit großem Abstand erfolgreich war, über das Direktmandat in den neuen Bundestag ein. Krah kam auf 44,2 Prozent der Erststimmen.

Krah hatte vor der Europawahl im Juni 2024 nach Berichten über mutmaßliche Russland- und China-Verbindungen sowie Ermittlungen gegen einen Ex-Mitarbeiter wegen mutmaßlicher Spionage für China in den Schlagzeilen gestanden. Der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl 2024 war später von der AfD-Delegation im Europaparlament ausgeschlossen worden.

Die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang hat eine Niederlage in ihrem Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd einstecken müssen. Sie bleibt aber über die Landesliste abgesichert und weiter Bundestagsabgeordnete. Die 31-Jährige kam bei der Wahl auf 10,68 Prozent der Erststimmen.

Sechs linke Wahlkreise – und eine gescheiterte "Mission Silberlocke"

Vor wenigen Monaten noch galt der Gewinn von drei Direktmandaten quasi als einzige Chance der Linken auf Einzug in den Bundestag. Doch das Blatt hat sich gedreht: Die Linke ist auch mit ihrem Zweistimmenergebnis sicher drin.

Wahlkreis-Siege gab es trotzdem, nicht nur für den Favoriten Gregor Gysi in Berlin-Treptow-Köpenick, sondern auch für den früheren Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Weitere Wahlkreise holte die Linke in Leipzig und drei anderen Berliner Bezirken. Knapp verloren hat dagegen Dietmar Bartsch in Rostock. Die "Mission Silberlocke" ist damit trotz des großen Linken-Erfolgs gescheitert: Denn eigentlich wollten Gysi, Ramelow und Bartsch alle drei jeweils ein Direktmandat holen.

Besonderheiten der Bundestagswahl 2025

Im Wahlkreis Pforzheim hielt die CDU die AfD auf Abstand. Die Stadt stand bundesweit unter besonderer Beobachtung, weil die AfD hier traditionell stark ist.

Nach der Affäre der Grünen um ihren Abgeordneten Stefan Gelbhaar mit teils falschen Belästigungsvorwürfen stand auch der Wahlkreis Berlin-Pankow unter besonderer Beobachtung. Seiner Nachfolgerin als Direktkandidatin, Julia Schneider, waren zuvor kaum Chancen eingeräumt worden – doch sie holte den Wahlkreis und erreichte sogar mehr Erststimmen als ihre Partei Zweitstimmen.

Der Südschleswigsche Wählerverband ist erneut im Deutschen Bundestag vertreten – mit einem einzigen Sitz. Dem Politiker Stefan Seidler gelang der Wiedereinzug, wie aus einer Übersicht der Bundeswahlleiterin hervorging. Der SSW ist von der Fünf-Prozent-Hürde befreit und die Partei der dänischen und friesischen Minderheit – und damit die kleinste Partei im Bundestag.

Wahlkreisgewinner, die nicht in den Bundestag einziehen

Wegen des neuen Wahlrechts gibt es auch Gewinnerinnen und Gewinner bei dieser Bundestagswahl, die trotz eines Sieges in den Wahlkreisen nicht ins Parlament einziehen werden.

Wie aus dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Bundeswahlleitung hervorgeht, betrifft dies 23 Politiker vor allem der CDU, aber auch einzelne von CSU, AfD und SPD. Ihre Wahlkreise liegen mehrheitlich in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern, einzelne im Osten und einer auch ganz im Norden. In diesen Wahlkreisen wird nun kein Direktmandat vergeben.

Folgende Wahlkreise und Kandidaten sind betroffen:

  • Wahlkreis 1 Flensburg – Schleswig - Petra Nicolaisen (CDU)
  • Wahlkreis 14 Rostock - Landkreis Rostock II - Steffi Burmeister (AfD)
  • Wahlkreis 54 Bremen I - Ulrike Hiller (SPD)
  • Wahlkreis 58 Oberhavel – Havelland II - Andreas Galau (AfD)
  • Wahlkreis 71 Halle - Alexander Raue (AfD)
  • Wahlkreis 151 Leipzig I - Christian Kriegel (AfD)
  • Wahlkreis 169 Schwalm-Eder - Anna-Maria Bischof (CDU)
  • Wahlkreis 181 Frankfurt am Main I - Yannick Schwander (CDU)
  • Wahlkreis 182 Frankfurt am Main II - Leopold Born (CDU)
  • Wahlkreis 183 Groß-Gerau - Marcus Kretschmann (CDU)
  • Wahlkreis 185 Darmstadt - Astrid Mannes (CDU)
  • Wahlkreis 202 Trier - Dominik Sienkiewicz (CDU)
  • Wahlkreis 204 Mainz - Ursula Groden-Kranich (CDU)
  • Wahlkreis 206 Ludwigshafen/Frankenthal - Sertac Bilgin (CDU)
  • Wahlkreis 218 München-Süd - Claudia Küng (CSU)
  • Wahlkreis 243 Nürnberg-Nord - Sebastian Brehm (CSU)
  • Wahlkreis 251 Augsburg-Stadt - Volker Ullrich (CSU)
  • Wahlkreis 259 Stuttgart II - Maximilian Mörseburg (CDU)
  • Wahlkreis 274 Heidelberg - Alexander Föhr (CDU)
  • Wahlkreis 275 Mannheim - Melis Sekmen (CDU)
  • Wahlkreis 277 Rhein-Neckar - Moritz Oppelt (CDU)
  • Wahlkreis 282 Lörrach – Müllheim - Stefan Glaser (CDU)
  • Wahlkreis 290 Tübingen - Christoph Naser (CDU)

Laut der neuen Wahlrechtsreform ziehen nicht mehr alle siegreichen Wahlkreis-Kandidaten automatisch in den Bundestag ein: Sie bekommen nur noch dann ein Mandat, wenn ihre Partei auf genügend Zweitstimmen kommt, anderenfalls geht der Wahlkreis leer aus. Dafür entfallen die früher üblichen Überhang- und Ausgleichsmandate. Künftig hat der Bundestag damit nur noch 630 Abgeordnete statt aktuell 733.

Und die Erststimmenkönigin ist …

Dorothee Bär!

Mit einem Ergebnis von 50,5 Prozent ist sie bundesweite Erststimmenkönigin. Die CSU-Politikerin gewann damit ihren Wahlkreis Bad Kissingen in Nordbayern deutlich, wie aus Zahlen der Bundeswahlleiterin hervorgeht. Auch die bundesweit zweithöchste Zahl geht an eine CSU-Politikerin: Emmi Zeulner in Kulmbach. Bär schafft es aber als einzige über die 50 Prozent.

Die Plätze drei bis fünf bei den Erststimmen gehen an die AfD in Sachsen – darunter auch Parteivize Tino Chrupalla, der in Görlitz auf 48,9 Prozent kommt – das bundesweit fünfthöchste Ergebnis. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz erreicht Platz sieben bei den Erststimmen. Platz 6 ging ebenfalls an die CDU mit Anne König in Borken II.

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