Die rechtspopulistische FPÖ gewinnt die Nationalratswahl in Österreich - doch niemand will unter ihrer Führung in eine Koalition. Angesichts dieser Ausgangslage weicht der Bundespräsident vom traditionellen Vorgehen ab und überlässt es den Parteien, selbst eine Lösung zu finden. Für FPÖ-Chef Kickl unverständlich.
FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisiert Bundespräsident Alexander Van der Bellen scharf für dessen Weigerung, den Rechtspopulisten mit der Regierungsbildung zu betrauen. Van der Bellen fordere Klarheit von den drei stimmenstärksten Parteien - die rechtspopulistische FPÖ, die konservative ÖVP und sozialdemokratische SPÖ - über eine mögliche Koalitionsmehrheit, sagte Kickl. "Doch genau das wäre seine Aufgabe gewesen." Der Bundespräsident habe die Verantwortung für die Regierungsbildung von sich geschoben und so selbst für Unklarheit gesorgt. Das Wahlergebnis sei "glasklar". Die FPÖ hätte als stimmenstärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten müssen, sagte der 55-Jährige weiter.
Das Staatsoberhaupt hatte vorerst keiner Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Traditionell wurde bisher immer die stimmenstärkste Kraft mit dieser Aufgabe betraut. In der Verfassung verankert ist das aber nicht. Van der Bellen erklärte sein Vorgehen damit, dass es eine "Pattsituation" bei der Regierungsbildung gebe. Er forderte die Vorsitzenden von FPÖ, ÖVP und SPÖ auf, in Gesprächen in dieser Woche zu klären, welche Koalitionsmehrheit möglich wäre.
Grund dafür ist, dass keine andere Partei mit der EU- und islamkritischen FPÖ koalieren will - die ÖVP zumindest dann nicht, wenn die Partei von Kickl geführt wird. Auch wenn sich Konservative und die Rechten in ihrer restriktiven Migrationspolitik und in Wirtschaftsfragen grundsätzlich nahe stehen, sieht der amtierende Kanzler Karl Nehammer den Russland-freundlichen Kickl als "Sicherheitsrisiko". Für die notwendige Mandatsmehrheit müssen zumindest zwei Parteien ein Bündnis schließen. Möglich ist erstmals auch eine Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und einer kleineren Partei, wie den liberalen Neos.
Kickl, der nach seinem fast 40 Minuten langen Monolog erneut keine Fragen von Journalisten zuließ, machte einmal mehr klar, dass seine Partei mit der ÖVP koalieren will. Schließlich gebe es zwischen den beiden Parteien inhaltlich die meisten Überschneidungen. "Die Wähler und Wählerinnen haben bei der Nationalratswahl eine satte Mehrheit von circa 55 Prozent für eine Mitte-rechts-Koalition bestehend aus FPÖ und ÖVP hergestellt", sagte er.
Er verwies mehrfach darauf, dass seine Partei stimmenstärkste Partei wurde und die ÖVP unter Nehammer hohe Verluste einfuhr. Nach diesem "Totalabsturz" den Kanzleranspruch zu stellen, sei "absurd" und eine Missachtung des Wahlergebnisses. Er forderte die ÖVP auf, sich nicht länger gegen Koalitionsverhandlungen zu stellen. "Nach einer katastrophalen Wahlniederlage muss man umdenken." Er habe allerdings den Eindruck, dass ÖVP und SPÖ versuchen, das "Machtwort der Wähler" vom Tisch zu wischen und eine Verlierer-Koalition zu bilden.