8 hours ago

Was die EU-Digitalgesetze den US-Techkonzernen vorschreiben



Stand: 21.01.2025 21:02 Uhr

In den USA dürfen die großen Tech-Konzerne unter Trump auf maximalen Handlungsspielraum hoffen. In der EU sind sie stärker reglementiert. Was sehen die Regeln vor? Und wird sich die EU weiter mit Meta, X und Co anlegen?

Paul Vorreiter

Die EU-Kommission hat zwei scharfe Schwerter, um die Macht der Techkonzerne zu kontrollieren: den Digital Services Act und Digital Markets Act, kurz DSA und DMA.

Das erste Regelwerk richtet sich gegen Desinformation und Fake-News. Es setzt auch den Rahmen, wie mit strafbaren Inhalten umgegangen werden soll. Was illegaler Inhalt ist, kann dabei von Land zu Land unterschiedlich sein. Große Plattformen sind verpflichtet, zu prüfen, welche Risiken der Manipulation bei ihnen bestehen, zum Beispiel vor Wahlen und müssen passende Gegenmaßnahmen ergreifen.

Das zweite Paket verspricht faire Wettbewerbsbedingungen: kleine und mittelgroße Anbieter sollen mit ihren Produkten eine Chance gegen die Übermacht der großen Konzerne haben. Zum Beispiel sollen Kunden auch auf alternative Streaming-Dienste aufmerksam werden können, statt nur an die hauseigenen Apps herangeführt zu werden. Auch will die EU dafür sorgen, dass auf den Plattformen sichere Produkte verkauft werden.

Hohe Strafen sollen die Plattformen dazu disziplinieren, sich an die beiden Gesetzespakete zu halten. Nach dem DSA drohen etwa Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes, nach dem DMA kann es noch mehr sein.

"Nehmen die Durchsetzung sehr ernst"

Aber ist die EU-Kommission willens, sich mit den Plattformen anzulegen? Oder wird sie dem Druck aus den USA seit dem Machtwechsel nachgeben? Im EU-Parlament zeigte sich die zuständige Kommissarin, Henna Virkkunen, jedenfalls entschlossen.

"Die Kommission nimmt die Durchsetzung des DSA sehr ernst, wir haben bereits entscheidende Schritte unternommen", betont die Finnin. Seit dem Inkrafttreten des DSA seien "nicht weniger als zehn Verfahren" eingeleitet worden: eines gegen X, drei gegen TikTok, eines gegen AliExpress, je zwei gegen Metas Plattformen Facebook und Instagram und eines gegen Temu.

Verfahren unterschiedlich weit fortgeschritten

Die Verfahren befinden sich in unterschiedlichen Stadien - und es geht um jeweils unterschiedliche Vorwürfe. Bei TikTok blickt die Kommission darauf, ob eine süchtig machende Gestaltung des Dienstes Minderjährige gefährdet oder ob die Plattform im rumänischen Wahlkampf einen rechtsextremen Kandidaten besonders gepusht hat.

Von X hatte die Kommission erst kürzlich weitere interne Unterlagen eingefordert. Sie will nachvollziehen, ob an den Algorithmen geschraubt wurde und wie die Moderation der Inhalte funktioniert. Dabei geht es vor allem darum, technisch nachzuvollziehen, was passiert - und das kann lange dauern.

Noch keine Entscheidungen über politische Fälle

Die Verfahren des DSA sind an keine zeitliche Frist gebunden. Gegen X laufen die Untersuchungen schon seit Dezember 2023. In das Verfahren hineinfließen könnten auch Erkenntnisse dazu, wie der Livestream von Elon Musk mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf der Plattform dargestellt wurde.

"Wir befinden uns bei all diesen Fällen noch auf einer technischen Ebene - sei es beim DSA oder DMA", erläuterte Kommissionssprecher Thomas Regnier unlängst. "Die technische Arbeit daran wird fortgesetzt, und so lange das so ist, wird über die Fälle politisch noch nicht entschieden."

Der Streit zwischen den Lagern ist längst entbrannt

Während die Teams der Kommission prüfen, läuft die politische Debatte darüber, was von den Digitalgesetzen überhaupt zu halten ist. Auch innerhalb der EU sind sie umstritten. Im EU-Parlament forderten liberale, linke und grüne Abgeordnete jetzt, die Regeln konsequenter umzusetzen.

Rechtsaußen-Politiker hingegen stellten die Unabhängigkeit von Faktenprüfern in Frage und sprachen von "Zensur". "Damit bringen Sie zum Ausdruck, was Sie am meisten fürchten: die freie Meinungsäußerung", sagte die AfD-Europaabgeordnete Christine Anderson an Abgeordnete des gegnerischen politischen Lagers gewandt. "Sie fürchten sie so sehr wie der Teufel das Weihwasser. Sie fürchten sie, bedroht sie doch ihre machterhaltende Deutungshoheit. Aber die Voraussetzung einer Demokratie ist nun mal die freie Meinungsäußerung, und deshalb muss dieser unsägliche DSA weg."

So lange das Digitalgesetz aber besteht, wird es der EU-Kommission noch viel Arbeit bescheren. Kommissarin Virkkunen kündigte an, noch in diesem Jahr die Zahl der Mitarbeiter, die sich in der Behörde damit befassen, auf 200 zu verdoppeln.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen

© Varient 2025. All rights are reserved