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Abstimmung im Bundesrat: Grundgesetzänderung für Finanzpaket steht



Das Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur erhält auch im Bundesrat die nötige Zweidrittelmehrheit. Doch das ist aus Sicht vieler Länderregierungschefs nur der erste Schritt.

Der Bundesrat hat den Weg für das riesige Finanzpaket frei gemacht, mit dem nun über neue Schulden Milliardenbeträge in Verteidigung und Infrastruktur investiert werden können. Wie am Dienstag schon im Bundestag kam auch in der Länderkammer die nötige Zweidrittelmehrheit für die entsprechende Änderung des Grundgesetzes zustande. Mit 53 von 69 Länderstimmen fiel die Zustimmung deutlich größer aus, als es notwendig gewesen wäre. 

Nötig wären 46 Ja-Stimmen gewesen. Auch Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, in denen die Linke an der Landesregierung beteiligt ist, stimmten mit Ja. Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, wo die FDP Regierungspartner ist, enthielten sich dagegen. Enthaltungen gab es auch von Brandenburg und Thüringen, wo das BSW mitregiert. Enthaltungen gelten im Bundesrat wie ein Nein. 

Auf das Gesetz hatten sich Union, SPD und Grüne nach tagelangem Ringen verständigt. Die Grünen wurden für die Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat gebraucht. Es muss jetzt noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf sein verfassungsgemäßes Zustandekommen geprüft und unterschrieben werden.

Schuldenbremse im Grundgesetz wird gelockert

Mit dem Gesetz wird die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt, für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert. Für alle diese Ausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen künftig Kredite aufgenommen werden. Das wäre in diesem Jahr alles über etwa 44 Milliarden Euro.

Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur in Deutschland bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen, weitere 100 Milliarden Euro sollen fest in den Klimaschutz und in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen.

Kretschmann: Es geht um die Selbstbehauptung Europas

Im Bundesrat bekannte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zwar ausdrücklich zur Schuldenbremse, rechtfertigte deren Aufweichen aber mit der sich dramatisch ändernden Weltlage. "Es geht um nicht weniger als die Selbstbehauptung Europas – sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und technologisch", sagte der Grünen-Politiker. 

Es gehe auch um die Selbstbehauptung unserer Werte von Frieden, Freiheit und Demokratie. "Auf so eine außergewöhnliche Herausforderung kann man nicht mit gewöhnlichen Mitteln reagieren." Mit Blick auf das 500-Milliarden-Programm für Investitionen in die Infrastruktur dankte der Ministerpräsident der Grünen-Bundestagsfraktion dafür, "dass sie das Finanzpaket wesentlich besser gemacht hat".

Söder und Kretschmer mahnen Strukturreformen an 

"Historische Zeiten erfordern historische Maßnahmen", sagte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Mit der Grundgesetzänderung schaffe man die Möglichkeit, "einen Schutzschirm aufzuspannen". Diese Grundgesetzänderung sei allerdings nur eine erste Etappe. "Sie muss einhergehen mit investieren, konsolidieren und reformieren", sagte der CSU-Vorsitzende. 

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer wies ebenfalls auf die Notwendigkeit von Strukturreformen hin. "Mit Geld alleine kann man diese Dinge nicht klären", mahnte der CDU-Politiker mit Blick auf die marode Infrastruktur. 

"Wir brauchen eine andere Dynamik in der Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen Wachstumsbremsen lösen." Dieser zweite Schritt müsse kommen, damit sich die großen finanziellen Mittel am Ende "nicht nur in steigenden Preisen oder sogar einer zusätzlichen Inflation auswirken".

Bovenschulte und Rehlinger fordern rasche Umsetzung

Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger rief dazu auf, zügig in einen "Umsetzungsmodus" für die nun möglichen Investitionen in die Infrastruktur zu kommen. "Das Geld allein löst die existenziellen Fragen nicht", sagte die SPD-Politikerin, die auch amtierende Präsidentin des Bundesrats ist. "Wir brauchen jetzt eine übergreifende Macher-Mentalität und keine Miesmacherlaune. Handeln statt verzetteln, das ist das Gebot der Stunde." 

Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) forderte, die nötigen Ausführungsgesetze zügig zu beschließen und dabei immer auch auf die Umsetzungsfähigkeit und den Aufwand zu achten. "Was nutzt uns das schönste Sondervermögen, wenn wir es in die Praxis nicht umgesetzt bekommen?"

Rhein ruft zu Einsparungen auf allen politischen Ebenen auf

Hessens Regierungschef Boris Rhein sagte, der neue finanzielle Spielraum durch die Grundgesetzänderung verringere nicht den Konsolidierungsbedarf für die öffentlichen Haushalte. "Ganz im Gegenteil: Steigende Schulden führen zu steigenden Zinsen. Und das erhöht den Konsolidierungsdruck auf allen politischen Ebenen", sagte der CDU-Politiker. "Wir können uns nicht mehr alles leisten."

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