1 day ago

Zum Wochenende: Rotten Rolling Releases?



Halten Rolling-Releases länger als LTS-Releases? Dieser Artikel stellt Thesen auf, liefert aber keine Antworten.

Meine Lebenserfahrung mit Betriebssystemen kann man in vier Zeitalter einteilen:

  1. DOS
  2. Windows
  3. Ubuntu
  4. Rolling Distributionen

An die alten Zeiten mit DOS und Windows kann ich mich kaum noch erinnern, und darum soll es nicht gehen. Abgesehen von ersten Linux-Erfahrungen mit SuSE Linux 5.2 aus dem Jahre 1998 (das hiess damals noch so; heute: openSUSE), begann mein richtiger Einstieg in die Linux-Welt mit Ubuntu 6.10 (Edgy Eft) im Jahr 2006.

In den ersten Jahren habe ich jedes Ubuntu-Release installiert. Das war eine spannende Zeit, die von interessanten halbjährlichen Neuerungen geprägt war. In jedem April und Oktober habe ich mich wie ein Kind auf die Verbesserungen und Neuigkeiten im halbjährigen Ubuntu-Release gefreut; das war fast wie Weihnachten.

An diesen Feierlichkeiten habe ich ca. 10 Jahre lang teilgenommen. So ab 2015 wurde mir die Neuinstallation bzw. das Upgraden zu viel, weshalb ich auf den LTS-Pfad eingeschwenkt bin. Ab dann wurde nur noch alle zwei Jahre die Long-Term-Version neu installiert. Nachdem Canonical (die Firma hinter Ubuntu) ab den 2020er Jahren sich mit Eigenentwicklungen immer mehr von der Community entfernt hatte, begann bei mir die Zeit des Distro-Hoppings.

Letztlich bin ich bei der kuratiert-rollenden Distribution Manjaro gelandet. Während all dieser Jahre bin ich dem Gnome-Desktop treu geblieben, obwohl er bei Ubuntu auch einmal anders hiess (Unity). Ob das der Weisheit letzter Schluss war, wage ich zu bezweifeln. Nicht, weil ich Probleme mit Manjaro habe, sondern weil sich die Weltkugel der Linux-Distribution kontinuierlich weiterdreht. Wer weiss, was da noch kommt.

Genug des Vorgeplänkels; nun komme ich zum Thema.

Wie gesagt, wer sich auf ein LTS-Release-Modell verlässt, hat (theoretisch) zwei Jahre lang Ruhe und kann ein stabiles System geniessen: Nicht frickeln, sondern arbeiten ist hier die Devise. Die Release-Zeiten bei LTS-Modellen fallen unterschiedlich lang aus, aber da möchte ich jetzt keine Haarspalterei betreiben. Vorhin habe ich "theoretisch" geschrieben, weil man dennoch in hoher Kadenz mit Updates bespielt wird. Dabei handelt es sich in erster Linie um Sicherheitsupdates, was notwendig und gut ist. Je nachdem, welche Paketformate man verwendet (Flatpak), tritt die Update-Policy ohnehin in den Hintergrund, weil sich die Pakete selbst aktualisieren oder über die Flatpak-Paketverwaltung aus dem LTS-Zyklus ausbrechen.

These 1: LTS-Release-Modelle nerven durch häufige Updates genauso wie Rolling-Release-Modelle.

Obwohl Manjaro einem kuratierten rollendem Modell folgt, rauschen fast jeden Tag Updates herein. Ich fühle da kaum einen Unterschied zu einer reinen Arch-Installation. Die Updates kommen etwas später, aber sie kommen kontinuierlich.

These 2: Egal ob LTS oder Rolling, häufige Updates sind an der Tagesordnung.

Die entscheidende Frage ist, welchen Einfluss das auf die Systemstabilität hat. Rollende Distributionen haben zwei Vorteile:

  1. Sie beheben spät erkannte Probleme schneller
  2. Sie halten die Funktionalität auf dem neuesten Stand

Dem gegenüber gibt es Nachteile:

  1. Sie führen nicht erkannte Probleme ein
  2. Sie setzen höhere Kenntnisse der Anwender:innen voraus, um diese Probleme selbst zu beheben

Wie sieht der Vergleich zu LTS-Distros aus:

  1. Anwendungen sind besser/länger getestet, weshalb sie weniger Probleme mit sich bringen
  2. Spät erkannte Probleme hat man länger am Hals
  3. Auf neue Funktionen muss man länger warten

These 3: Aufgrund der neuen Paketformate relativiert sich der Unterschied zwischen LTS und Rolling.

Nun stellt sich die Titel-Frage, wie lange Rolling Releases halten. Das Versprechen ist, dass man eine Distribution, die einem Rolling-Release-Modell folgt, nie mehr neu installieren muss. Bisher glaube ich nicht daran. Um das beurteilen zu können, muss man die Installationsdauer einer Distribution messen können. Das macht man mit diesem Befehl im Terminal:

Auf meinem Notebook: stat -c %w / 2023-11-17 15:04:12.000000000 +0100 Auf meinem Desktop: stat -c %w / 2023-04-14 08:48:38.000000000 +0200

Nun, in beiden Fällen liegt die Installation der Distribution weniger als zwei Jahre zurück, weshalb ein Vergleich mit einem 2-jährigen LTS-Update-Zyklus schwierig ist. Gelegentlich treten bei meinen Rechnern Probleme beim Update auf. In den meisten Fällen liegt es an Abhängigkeiten, die nicht aufgelöst werden können. Darüber habe ich erst neulich geschrieben. Auch heute bockte mein Desktop beim Update von ca. 125 Paketen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es Abhängigkeiten von 32-Bit-Grafik-Bibliotheken von systemd. Durch das manuelle Löschen dieser Bibliotheken konnte ich das Problem schnell beseitigen.

These 4: Je länger man eine Rolling-Distribution betreibt, desto häufiger treten Fehler auf.

An dieser Stelle möchte ich die Fähigkeiten des Paketmanagers infrage stellen. Warum ist Pacman (bzw. Pamac) nicht in der Lage, solche einfachen zweistufigen Abhängigkeiten aufzulösen? Hier ist ein fiktives Beispiel:

Der Upate-Prozess kann nicht fortgeführt werden, weil Paket A von B abhängig ist, und Paket B von D1 und D2 benötigt wird.

Wenn ich mich recht erinnere, ist genau das die Kernaufgabe eines Paketmanagers.

Dieser Artikel bietet keine Antworten, sondern stellt Fragen. Was haltet ihr von meinen vier Thesen und wie sind eure Erfahrungen? Verrottet eine Rolling-Release-Installationen mit der Zeit? Schreibt es bitte in die Kommentare.

Titelbild: https://pixabay.com/photos/apples-rotten-apples-rotten-fruits-6694486/

Quellen: stehen im Text


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