22 hours ago

Wirtschaftsleistung: Was die Streichung eines Feiertages bedeuten würde



Stand: 15.04.2025 07:01 Uhr

In den kommenden Wochen stehen viele Feiertage an. Doch was wäre, wenn man einen davon streichen würde? Was Forscher für sinnvoll halten, stößt bei Unternehmern auf Ablehnung.

Lilli Hiltscher

Ostern, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt, Pfingsten: Allein in den kommenden neun Wochen stehen fünf Feiertage vor der Tür, die auf normale Arbeitstage fallen. Und da neben Christi Himmelfahrt in diesem Jahr auch der Tag der Arbeit auf einen Donnerstag fällt, hat man mit einem zusätzlichen Urlaubstag im Optimalfall jedes Mal direkt vier freie Tage.

Doch was für Arbeitnehmer verlockend klingt, ist für die Wirtschaft und den deutschen Staat eine schlechte Nachricht. Denn mit jedem Tag, der nicht gearbeitet wird, gehen dem deutschen Staat Milliarden verloren, wie Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) zeigen: Ein zusätzlicher Arbeitstag könnte das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 8,6 Milliarden Euro steigern.

"Das ist absolut gesehen durchaus eine Hausnummer und würde auch eine gewisse Entlastung für den Staatshaushalt bedeuten", so Christoph Schröder, Arbeitsexperte am IW Köln. Die Effekte eines zusätzlichen Arbeitstages seien in vielen Branchen spürbar: In der Industrie und auch in manchen Dienstleistungsbereichen könne sich ein ein zusätzlicher Arbeitstag positiv auswirken. "Am größten ist der Effekt in der Bauwirtschaft", so Schröder.

Unternehmer gegen Streichung

Müsste angesichts solcher Daten die Wirtschaft nicht für die Abschaffung eines Feiertages plädieren? Nein, sagt etwa Thomas Reimann. Er führt das Bauunternehmen ALEA AG in fünfter Generation, insgesamt 88 Mitarbeiter sind bei ihm im Hoch- und Tiefbau beschäftigt.

"Es ist sicherlich richtig, dass die Produktivität steigt, wenn man einen Feiertag streicht. Aber es ist doch fraglich, ob sich das tatsächlich positiv auswirkt oder ob ich nicht die Produktivität der Arbeitnehmer dadurch demotiviere", so der Mittelständler. Er fürchtet sogar, dass durch die Abschaffung eines Feiertages Mitarbeiter dann eher geneigt sind, sich den Anspruch auf freie Tage durch Krankentage zurückzuholen.

"Da braucht man auch Erholung"

Ähnlich sieht das Lutz Weiler, der mit seinem Unternehmen Klimasphalt vor allem im Straßenbau tätig ist. Trotz voller Auftragsbücher glaubt er nicht, dass ein zusätzlicher Arbeitstag für seine Firma sinnvoll ist: "Wir kalkulieren immer mit 220 Arbeitstagen. Zuletzt ist das um fünf Tagen gefallen auf 215, weil die Krankentage um fünf Tage zugenommen haben."

Würde nun ein Feiertag wegfallen, würde die Situation aus seiner Sicht nicht besser: "Das ist ein anstrengender Job, und da braucht man auch Erholung." Außerdem betont er: "Die Gewerkschaften werden sich diesen Tag zurückholen, ob es monetär ist oder in Arbeitszeit. Ich glaube nicht, dass das was bringen wird."

Gewerkschaften wollen mehr Feiertage

Und tatsächlich ist die Haltung der Gewerkschaften zur Abschaffung eines Feiertages sehr klar - und geht sogar genau in die entgegensetzte Richtung: "Es ist kein Geheimnis, dass wir uns gut vorstellen könnten, einen zusätzlichen Feiertag einzuführen", sagt Michael Rudolph vom Deutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen. So könne man sich etwa einen Feiertag für den Frauentag oder den Tag von der Befreiung des Faschismus vorstellen.

Rudolph betont, dass die Arbeitnehmer mehr statt weniger Erholung bräuchten. Diskussionen über die Abschaffung eines Feiertages stießen deshalb auf Unverständnis: "Das macht Beschäftigte sauer. Deshalb sind wir klar gegen Verschärfungen bei der Arbeitszeit oder Abschaffung von Feiertagen."

Weniger Feiertage als Chance

Doch es ist nicht nur die Diskussion über die Abschaffung eines bundesweiten Feiertages - es ist auch die ungerechte Verteilung, die in manchen Bundesländern für Kopfschütteln sorgt. So gibt es im Freistaat Bayern bis zu 14 Feiertagen - die meisten Feiertage in der ganzen Bundesrepublik. In Hessen gibt es dagegen gerade mal zehn gesetzliche Feiertage.

Eine, die das positiv sieht, ist Tatjana Steinbrenner vom Hessischen Handelsverband. Aus ihrer Sicht sind die wenigen Feiertage für das Bundesland ein Gewinn. Steinbrenner ist Inhaberin des Kaufhaus Ganz in Bensheim und arbeitet gerne, wenn alle anderen frei haben. Denn das lohne sich besonders: "Vor allem der November ist für uns ganz wichtig, denn dann kommen Menschen aus den angrenzenden Bundesländern und shoppen hier."

Grund dafür ist, dass in den meisten Bundesländern entweder der Reformationstag am 31. Oktober oder Allerheiligen am 1. November ein Feiertag ist. Nur in Hessen und Berlin muss an beiden Tagen gearbeitet werden, und die Geschäfte bleiben geöffnet - Einzelhändlerinnen wie Steinbrenner können sich dann über gute Geschäfte freuen.

Politisch Planbarkeit herstellen

Doch nicht alle Unternehmer sprechen sich wie Steinbrenner für weniger regionale Feiertage aus. Marcus Michel, Inhaber der Meyer-Haake GmbH, hält andere Maßnahmen für sinnvoller, um die Wirtschaft anzukurbeln. Er stellt Medizingeräte für den nationalen und internationalen Markt her, alles "Made in Germany". Was ihm - wie vielen anderen Unternehmern - zu schaffen macht, sind das ewige Hin und Her und die vielen bürokratischen Hürden.

"Ich denke, der richtige Ansatz, um das BIP zu steigern, wäre ein Gefühl der Sicherheit zu geben, eine klare Struktur, auf die man in Zukunft bauen kann", betont er. Unternehmen müsse ein Anreiz gegeben werden, um zu investieren und die Produktion auszubauen. "Das ist auf der Arbeitgeberseite das gleiche wie auf der Arbeitnehmerseite: Wenn Sie Mitarbeiter haben, die sich sicher fühlen, die motiviert sind, dann arbeiten die gerne."

Umfragen zeigen, dass viele Unternehmer die Abschaffung eines Feiertages ablehnen. Ähnlich ist es bei Arbeitnehmern: Zwei Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland sind gegen die Streichung eines Feiertags. Einzig die überwiegende Mehrheit der Rentner ist dafür.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved