
Die neue Bundesregierung könnte nach Ansicht des Bundesrechnungshofs zusätzlich viele Milliarden Euro einnehmen. Nicht nur bei Steuersubventionen sieht die Behörde großes Potenzial.
Durch Steuerbetrug und wirkungslose Subventionen, aber auch einfach aufgrund technischer Probleme im Steuervollzug gehen dem Staat jährlich Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe verloren. Das ist das Ergebnis eines Sonderberichts des Bundesrechnungshofs.
Darin empfiehlt die Behörde Maßnahmen, wie das geändert werden sollte. Dazu gehört vor allem die kritische Prüfung steuerlicher Subventionen. Hier allein gebe es ein Einnahmenpotenzial von 30 Milliarden Euro jährlich, heißt es. Genannt werden die Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen (2,1 Milliarden Euro) oder die steuerliche Begünstigung von Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin (sieben Milliarden Euro).
Kritisch verwies Rechnungshofpräsident Kay Scheller auch auf als ökologisch schädlich betrachtete Subventionen, die zudem der Nachhaltigkeitspolitik von Bund und Ländern widersprechen. Neben dem Dieselprivileg gelte dies etwa für Vergünstigungen im Energiebereich. Scheller verwies zudem auf die Koalitionspläne für die Erhöhung der Pendlerpauschale, "die auch immer im Ruf steht, ökologisch schädlich zu sein".
"Maßnahmen dringlicher denn je"
"Für einen handlungsfähigen Staat brauchen wir stabile und nachhaltige Staatsfinanzen - auch und gerade im Interesse der kommenden Generationen", so der Behördenchef. "Angesichts des wachsenden Schuldenbergs sind Maßnahmen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts aber dringlicher denn je." Allein auf konjunkturell bedingte Steuermehreinnahmen zu setzen, halte man nicht für ausreichend.
"Die Handlungsspielräume sind enorm", sagte Scheller. Durch die Umsetzung der empfohlenen Reformen könnten milliardenschwere Mehreinnahmen erzielt und künftige Haushalte entlastet werden. Zugleich führe dies zu mehr Steuergerechtigkeit.
Dabei gehe es um Beträge, deren Streichung auch mit Verzicht bei den Betroffenen verbunden sei. "Dazu gehört natürlich auch ein Quäntchen Mut, hier Verantwortung zu übernehmen", räumte Scheller mit Blick auf die Politik ein. Solche Maßnahmen bräuchten Vorlauf und Transparenz. Die Betroffenen müssten die Chance bekommen, sich rechtzeitig darauf einzustellen.
Reform bei ermäßigtem Mehrwertsteuersatz gefordert
Eine grundlegende Reform verlangt der Rechnungshof beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz, dessen finanzielle Wirkung ein Volumen von 35 Milliarden Euro erreicht habe. "Wir haben hier über die Jahrzehnte einen Wildwuchs von Steuererleichterungen bekommen, auch auf Güter, die man durchaus eher als Luxusgüter bezeichnen kann", sagte Scheller. Der ermäßigte Satz müsse auf die Grundversorgung beschränkt werden.
Kritisch äußerte er sich zu Plänen, Ermäßigungen im Bereich der Gastronomie noch auszuweiten: "Wir sind sehr zurückhaltend, was das Empfehlen von neuen Vergünstigungen angeht." Eingestellt werden sollten laut dem Bericht zudem Mehrfachförderungen. Mitnahmeeffekten, die der Rechnungshof etwa beim Familienleistungsausgleich sieht, solle entgegengewirkt werden. So werde das Existenzminimum volljähriger Kinder bei diesen selbst steuerfrei gestellt, bei ihren Eltern aber auch.
Kampf gegen Steuerbetrug
In dem Bericht wird auch mehr Entschlossenheit bei der Bekämpfung von Steuerbetrug gefordert. Vorgestellt werden mehrere Vorschläge, wie die bestehenden Steuergesetze besser durchzusetzen wären. Entscheidend sei die Digitalisierung der Finanzverwaltung. Moderne IT-Systeme zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug und die Unterstützung der Steuerfahndungsstellen der Länder durch den Bund seien wichtig.
Auf bis zu 70 Milliarden Euro schätzt der Rechnungshof allein den Schaden durch Nichterfassung, Manipulation und Löschen von Bargeldeinnahmen in Kassensystemen. Eingedämmt werden könne dies durch die Kassen-Nachschau als Prüfinstrument, was bisher zu wenig genutzt werde. Auch die geltende Bonpflicht sei hier ein wichtiges Instrument, sagte Scheller. Er äußerte die Hoffnung, dass sich das Vorhaben von Union und SPD, die Bonpflicht wieder abzuschaffen, nur auf die Ausgabe in Papierform beziehe, nicht aber auf elektronische Bons.
"Eher von neuen Vergünstigungen absehen"
Aktuell würden die vorgeschlagenen Lösungen kaum diskutiert, heißt es in dem Bericht. "Eher sind Bestrebungen erkennbar, weitere Steuervergünstigungen einzuführen." Subventionen würden verschenkt, es gebe lückenhafte Besteuerung, veraltete IT-Systeme und Schäden durch Steuerbetrug in zweifacher Milliardenhöhe.
Union und SPD schlagen im Entwurf ihres Koalitionsvertrages vor, Steuervergünstigungen auszuweiten. Für Essen in der Gastronomie soll die Umsatzsteuer auf sieben Prozent gesenkt werden. Die Entfernungspauschale für Pendler soll steigen. Die steuerliche Begünstigung für E-Dienstwagen wird erhöht.
Scheller ging auf Details des Koalitionsvertrages nicht ein. Was neue Vergünstigungen angehe, müsse die Politik diskutieren. "Wir würden jedenfalls sagen, dass unser Rat ist, nicht auf neue Vergünstigungen zu setzen, eher davon abzusehen", sagte Scheller. "Denn das schwächt die Einnahmenbasis." Effizientes Wirtschaften mahnte er mit Blick auf das neue Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz an.