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Raum-Zoff im Bundestag: Otto-Wels-Saal: SPD weist AfD-"Falschinformationen" zurück



Verliert die SPD ihren Otto-Wels-Saal im Bundestag? Im Streit um den Sitzungsraum sei nun eine Entscheidung gefallen, heißt es aus der AfD. Die Sozialdemokraten widersprechen.

Behalten die Sozialdemokraten ihren traditionellen Tagungsraum – oder müssen sie ihn ausgerechnet an die rechtspopulistische AfD abgeben? Fast zwei Monate nach der Bundestagswahl ist immer noch unklar, ob die geschrumpfte SPD-Bundestagsfraktion ihren Sitzungssaal tatsächlich an die erstarkten Rechtspopulisten verlieren könnte. Nun geht der Raumstreit in die nächste Runde. 

Derzeit wird vonseiten der AfD verbreitet, dass intern eine offizielle Entscheidung in der Raumfrage gefallen sei – wonach die AfD sogar das Nachsehen habe. Demzufolge soll die SPD ihren angestammten Saal behalten dürfen, die AfD sich hingegen mit dem deutlich kleineren Fraktionssaal der ausgeschiedenen FDP begnügen müssen. 

Die AfD mal wieder in der Opferrolle? In der SPD ist man irritiert. "Ich frage mich, woher die AfD ihre Falschinformationen nimmt", sagt Katja Mast, die geschäftsführende SPD-Fraktionsmanagerin, auf stern-Anfrage. Die Darstellung der AfD sei falsch, denn: "Eine Entscheidung dazu gibt es noch nicht." Die Vergabe von Fraktionsräumen sei in der Geschäftsordnung geregelt. "Sie richtet sich nach klaren parlamentarischen Prozessen – nicht nach der Lautstärke einer Fraktion."

Die SPD hängt an ihrem Otto-Wels-Saal

Zuvor hatte die AfD Interesse am größeren Otto-Wels-Saal angemeldet. Die AfD-Fraktion ist nach der Bundestagswahl von 77 auf 152 Abgeordnete angewachsen. Die SPD hat nach ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1949 nur noch 120 Sitze. Die AfD braucht daher größere Räumlichkeiten als bisher.

Doch der Saal hat für die SPD eine historische Bedeutung. Sein Name erinnert an den einstigen SPD-Vorsitzenden Otto Wels. Die SPD-Fraktion tagt seit dem Umzug nach Berlin 1999 in dem Raum. In einer historischen Rede hatte Wels 1933 das Nein der SPD im Reichstag zum NS-Ermächtigungsgesetz begründet. "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht", sagte er. Nun will die in Teilen rechtsextremistische AfD in die Räume einziehen.

Der bisherige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ist angefasst: "Ich möchte den Otto-Wels-Saal nicht hergeben", sagte er. Ihm habe es jedes Mal etwas bedeutet, an den im Saal angebrachten Porträts derjenigen vorbeizugehen, die sich den Nationalsozialisten nicht gebeugt hatten. Den möglichen Verlust des Raumes für die SPD empfinde er als eine "tiefe Wunde".

Auch Katja Mast, die geschäftsführende SPD-Fraktionsmanagerin, betont die Bedeutung des Saals für die Sozialdemokraten – und lässt erkennen, in der Raumfrage nicht klein beigeben zu wollen. "Natürlich werden wir als SPD-Bundestagsfraktion in den kommenden Wochen auch weiter über die Raumfragen verhandeln", sagte sie dem stern, "immer in dem Bewusstsein der großen historischen Bedeutung von Otto Wels, seinem Widerstand gegen Demokratiefeinde und seiner großen Rede gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz."

Schulterschluss von Schwarz-Rot?

Die Raumverteilung im Reichstagsgebäude richtet sich üblicherweise nach der Stärke der Fraktionen. Laut Bundestagsverwaltung heißt der Saal auch offiziell gar nicht so. Die SPD könnte theoretisch auch in einen anderen Raum umziehen und diesen nach dem einstigen Vorsitzenden benennen. Es wird auch die Möglichkeit technischer Umbauten erwogen.

Kurz nach der Bundestagswahl hatte die Union Offenheit für Gespräche signalisiert. "Diese Dinge müssen jetzt zwischen den Fraktionen und mit der Präsidentin besprochen werden", sagte seinerzeit Patrick Schnieder, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, dem stern. Selbstverständlich sei die neue Fraktionsstärke der AfD zu berücksichtigen. "Es gibt aber keinen automatischen Zugriff auf bestimmte Räume", stellte der CDU-Politiker klar.

Üblicherweise kommen zu Beginn jeder Wahlperiode die Fraktionen zusammen, um diese Frage zu besprechen. Die Raumfrage wird im Ältestenrat entschieden, normalerweise einstimmig. Jedoch könnte eine Entscheidung auch durch eine Mehrheit gefällt werden – etwa durch einen Schulterschluss von Union und SPD, die voraussichtlich eine Koalition eingehen. 

Für das potenzielle Bündnis hätte das sowohl praktische als auch symbolische Bedeutung: Die Sitzungssäle der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU sowie der SPD liegen direkt nebeneinander.

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