Die Preisschocks bei Strom- und Gasverträgen haben die Geschäftszahlen von Verivox runtergerissen. 2022 rutschte das Vergleichsportal erstmals wieder in die Verlustzone, wie der neueste Bericht zeigt.
Der Schrumpfkurs hatte sich angedeutet. Als das Vergleichsportal Verivox im Februar vergangenen Jahres seinen Lagebericht vorlegte, beklagten die Buchhalter bereits ein schwaches viertes Quartal 2021. Besonders das Geschäft mit der Vermittlung von Energieverträgen lief zu der Zeit nicht mehr. Durch die stark gestiegenen Preise im Großhandel mit Strom und Gas hätten viele Versorger ihre Tarife vorübergehend aus dem Portal genommen, hieß es unter anderem. Kunden schlossen also weniger Neuverträge ab. Entgegen der ursprünglichen Pläne musste Verivox daher einen rückläufigen Umsatz ausweisen – von 120 Millionen auf 111 Millionen Euro.
Auch für das Folgejahr rechnete das Unternehmen mit weniger Erlösen, allerdings noch im kleinen Rahmen. Der Umsatz, so die damalige Prognose, werde im Jahr 2022 allenfalls "leicht" und "im mittleren einstelligen Prozentbereich" zurückgehen. Rückblickend eine schwere Fehleinschätzung: Tatsächlich folgte ein miserables Geschäftsjahr, wie sich in dem nun veröffentlichten Geschäftsbericht für 2022 zeigt.
Ein Drittel weniger Umsatz
Die über den Jahreswechsel hinaus andauernde Energiekrise hat das Geschäft demzufolge deutlich stärker belastet als zunächst angenommen. So setzte Verivox im Berichtsjahr 2022 lediglich rund 70,5 Millionen Euro um – gut 40 Millionen Euro und damit insgesamt 37 Prozent weniger als im Vorjahr.
Als Gründe führt das Unternehmen den Krieg in Osteuropa an. "Die Russland-Ukraine-Krise verschärfte ab April 2022 die Situation weiter, indem kein bis nur wenig Gas über Nord Stream 1-Pipeline geliefert wurde, was den Großhandelspreis weiter steigen ließ", heißt es in dem Verivox-Bericht.
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Auch die Abschaltung deutscher Atomkraftwerke und niedrige Wasserstände zum Vollbetrieb von Kohlekraftwerken hätten zur schwierigen Finanzlage beigetragen. Erst die zu Jahresende 2022 eingeführten "politischen Preisdeckel" hätten die Lage entspannt – und "erste Anzeichen für eine Erholung und die Rückkehr von Tarifen und Einsparpotentialen" auf der Plattform sichtbar gemacht.
Hohe Abhängigkeit von einem Produkt
Die Schilderungen veranschaulichen, wie abhängig das 1998 gegründete Vergleichsportal von einem Produkt ist. Zwar zählt Verivox in Deutschland zu den größten Anbietern von Tarifvergleichen, so können Kunden beispielsweise auch Handytarife, Kredite oder Versicherungspolicen über das Portal abschließen. Der Großteil des Umsatzes entfällt aber auf Provisionen aus vermittelten Strom- und Gasverträgen.
In vielen Haushalten sind die Energiekosten ein großer Kostenfaktor. Verbraucher suchen daher regelmäßig nach günstigeren Tarifen und wechseln diese häufig, zum Teil sogar jährlich. Für externe Schocks, wie es sie im Berichtsjahr am Energiemarkt gegeben hat, ist Verivox somit besonders anfällig.
Zwar betont das Vergleichsportal im Bericht, in anderen Geschäftsbereichen gleichzeitig gewachsen zu sein. So seien etwa die Erlöse aus Werbeanzeigen in 2022 um 45 Prozent auf rund sieben Millionen Euro gestiegen. Den horrenden Jahresverlust aber konnte das nicht ausgleichen. So belief sich der Fehlbetrag von Verivox im Jahr 2022 auf rund 30 Millionen Euro – im Jahr zuvor hatte das Unternehmen trotz erster Schwierigkeiten noch einen Gewinn von knapp elf Millionen Euro ausgewiesen. Insgesamt hat sich der Negativtrend im Vergleich zu 2021 also noch einmal deutlich zugespitzt.
Laufende Verkaufsgespräche
Krisenstimmung soll bei Verivox, das seit einigen Jahren zur Digitaltochter der ProSiebenSat1-Gruppe gehört, allerdings nicht mehr vorherrschen. Auf Anfrage teilt ein Sprecher mit, das Unternehmen befinde sich inzwischen wieder auf Wachstumskurs. Verivox profitiere einerseits seit 2023 von der Erholung der Energiemärkte. "Dies schafft günstige Bedingungen für neue Energieverträge, was zu einem deutlichen Anstieg der Anzahl der abgeschlossenen Verträge geführt hat", heißt es.
Andererseits habe Verivox sein Produktangebot im Bereich Versicherungen und Banking – wohl auch als Reaktion auf 2022 – zwischenzeitlich ausgebaut. Auch eine "groß angelegte Markenkampagne" habe sich zuletzt positiv auf die Bekanntheit und das Geschäft ausgewirkt. "Der Umsatz hat sich im Geschäftsjahr 2023 auf 162 Millionen Euro mehr als verdoppelt – und lag damit sogar über dem Niveau vor der Energiepreiskrise", so ein Sprecher. Das erste Halbjahr 2024 sei ebenfalls gut verlaufen, "mit zweistelligen Wachstumsraten" in allen Bereichen.
Ob dies auch die Rückkehr in die Gewinnzone bedeutet, lässt das Unternehmen offen. Allein die Markenkampagne dürfte zeitweilig zu hohen Kosten geführt haben. Ein finanzieller Turnaround käme für Verivox in jedem Fall zum richtigen Zeitpunkt: Wie im Frühjahr bekannt wurde, plant ProSiebenSat1 seine Tochter gewinnbringend loszuschlagen. Interesse dürften vor allem Unternehmen im Private-Equity-Bereich angemeldet haben, wie aus Branchenkreisen zu hören ist. Ein Verivox-Sprecher wollte sich zu den Verkaufsgesprächen nicht im Detail äußern. Nur so viel: "Der Prozess verläuft planmäßig."
Dieser Text erschien zuerst bei Finance Forward, dem Magazin für die neue Finanzwelt, das in Kooperation zwischen Capital und OMR entsteht.