Die Fußballmannschaft des Bundestags muss AfD-Politiker wieder mitkicken lassen. Hat ein Gericht entschieden. Warum die AfD beim Duschen stört und es um mehr als Fußball geht.
Die Luft bei Kassem Taher Saleh ist raus. Jedenfalls beim Fußball, den er seiner Bundestagskollegin Maja Wallstein vor dem Nordeingang des Bundestags zupasst. "Man ist der platt. Den hättest du ja aufpumpen können", schnauzt sie Taher Saleh an.
Taher Saleh und Wallstein sitzen im Bundestag in unterschiedlichen Fraktionen. Er ist ein Grüner, sie eine Sozialdemokratin. Nach Feierabend spielen sie aber im gleichen Team. Beide sind Mitglieder des "FC Bundestag", der offiziellen Fußballmannschaft des Parlaments. "Auf dem Platz geht es um die Werte des Sports: Fairness, Inklusion und Internationalität", sagt Wallstein. Jeder sei willkommen – bis auf eine Ausnahme: Die Alternative für Deutschland. Für die SPD-Politikerin ist klar: "Die passt da nicht hin."
Die AfD stört beim Duschen
2024 hatte die Parlaments-Fußballmannschaft daher die AfD-Abgeordneten vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Es waren die Wochen nach den Recherchen der Investigativjournalisten von "Correctiv". Für Taher Saleh war es das schönste Jahr beim FC Bundestag. Seitdem die AfD nicht in den Kabinen und auf den Fußballplätzen ist, sei die Stimmung untereinander viel vertrauensvoller. Auch, weil er sich jetzt wieder ungestört einseifen kann: "Ich persönlich möchte nicht mit Nazis und Rechtsextremen nackt unter einer Dusche stehen."
Doch damit könnte jetzt Schluss sein. Das Landgericht Berlin hat den Beschluss für nichtig erklärt, wonach eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Verein und in der AfD unvereinbar sei. Vier AfD-Bundestagsabgeordnete hatten dagegen geklagt. In der Fraktion im Bundestag sorgt das für Jubelstimmung.
Stephan Brandner sagt von sich selbst, er interessiere sich absolut nicht für Fußball. Und das, obwohl er aus dem Ruhrgebiet kommt. Eine Region, in der die Leute zuerst fragen, welchem Fußballklub man die Daumen drückt, bevor weniger wichtige Dinge geklärt werden. Trotz der fehlenden Fußballleidenschaft macht das Bundesvorstandsmitglied aus dem Gerichtsbeschluss eine große Sache. Mit dem Versuch der Ausgrenzung sei der FC Bundestag, angeführt von einem SPD-Politiker, krachend gescheitert.
Dass diese Frage vor Gericht geklärt werden musste, findet Brandner "affig". Aber die AfD habe so reagieren müssen, man sei "rechtswidrig" behandelt worden. "Gerade beim FC Bundestag erschließt sich mir schon nicht, was das überhaupt mit Politik zu tun haben soll", zetert Brandner.
Der Fall steht exemplarisch für die schwierige Frage, wie mit der AfD im Bundestag umzugehen ist. Sie ist längst zum Politikum geworden. Die Zahl ihrer Abgeordneten hat sich nach der jüngsten Wahl verdoppelt, 152, vorrangig Männer, werden ihr angehören. Trotzdem hat die zweitstärkste Fraktion wohl erneut keine Chance, einen der Vizepräsidenten zu stellen. Alle anderen künftig im Parlament vertretenen Fraktionen lehnen die Wahl eines AfD-Kandidaten ab. Zum Ärger von Brandner: "Es wird überall versucht, uns Stöcke in die Speichen zu stecken."
Streit um Ausschussvorsitze und zukünftigen AfD-Sitzungssaal
SPD-Frau Wallstein kann den Ärger nicht verstehen. Es entspreche dem normalen Recht einer jeder Abgeordneten, "solche Menschen" nicht zu wählen. "Genauso hat die AfD jedes Recht, eine Claudia Roth nicht als Vizepräsidentin zu wählen", so Wallstein. Und da das auch geschehen ist, solle die AfD nicht "rumopfern".
Streit gibt es auch bei der Vergabe der Posten von Ausschussvorsitzenden, bei der die AfD zuletzt leer ausging, und bei der Zuteilung von Räumen. Die AfD beansprucht den Sitzungssaal der SPD und begründet das mit ihrer gestiegenen Anzahl an Abgeordneten. Der Saal ist nach dem Sozialdemokraten Otto Wels benannt. Einer der wenigen, die 1933 nicht vor dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP eingeknickt war.
Brandner kommentiert das alles genervt. Dahinter stecke nur die Unfähigkeit, sich mit der AfD auf der argumentativen Ebene und inhaltlich auseinanderzusetzen. Es gehe nur darum, "mit der Keule" draufzuhauen. Starke Worte für einen Bundestagsabgeordneten, der bei den erteilten Ordnungsrufen zur Spitze seiner Fraktion und des Parlaments gehört.
FC Bundestag muss zwei AfD-Abgeordnete mitspielen lassen
Zurück zum FC Bundestag. Der muss jetzt die AfD-Abgeordneten Jörn König und Malte Kaufmann, nach eigenen Angaben Mitglieder des Vereins, wieder mitspielen lassen. Die hatten unter anderem geklagt und teilten nach dem Urteil mit: "Wir freuen uns, bald wieder mit dem Adler auf der Brust auf dem Spielfeld unser Bestes für den FC Bundestag zu geben."
Eine Nachricht, die der Grüne Kassem Taher Saleh ohne jede Begeisterung aufnimmt. Man sei Rechtsaußen beim FC Bundestag gut aufgestellt und brauchen da keine Ersatzspieler. Wobei das zumindest in der jüngsten Vergangenheit nicht auf die Ergebnisse des Teams zutrifft. Bei der Europameisterschaft der Parlamentsteams wurde der FC Bundestag im Sommer Dritter. Es traten allerdings lediglich vier Mannschaften an.
Die Abgeordneten könnten also jede Unterstützung gebrauchen. Oder? AfD-Mann Brandner sagt: Ja! König und Kaufmann seien "begnadete Fußballer". Eine Einschätzung, die Taher Saleh nicht teilt: "Ein Herr König kann nichts am Ball." Der könne maximal "geradestehen". Malte Kaufmann könne man "einen Pass anvertrauen, mehr aber auch nicht." Sein Urteil: "Die sind nicht hilfreich."
SPD-Kollegin Wallstein gibt sich diplomatischer. Sie möchte über die spielerischen Qualitäten nicht urteilen. "Mich interessiert an der Stelle die Ideen und auch die politische Ausrichtung, die sie haben", sagt sie. Diese seien "menschenverachtend" und daher "nicht tragbar".
Und jetzt? Im FC Bundestag überlegt man, die Satzung zu ändern. Um so die AfD-Kicker auch endgültig rausschmeißen zu können.