Das viel erwartete Telefongespräch zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml hat nicht die sofortige Waffenruhe für 30 Tage gebracht. Es gab nur eine Einigung, von der man sehen muss, ob sie trägt.
Zum zweiten Mal seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus hat US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Die Erwartungen an das Gespräch waren riesig. Die Ergebnisse bleiben eher dahinter zurück. Fünf Erkenntnisse:
1) Erreicht wurde nur ein Minimalziel
Das Telefonat erbrachte nicht die von Trump erhoffte sofortige Waffenruhe für 30 Tage, sondern einen kleinen ersten Schritt: Russland wird 30 Tage keine ukrainischen Energieanlagen beschießen, wenn auch die Ukraine darauf verzichtet. Der Kreml teilte mit, Putin habe seine Militärs sofort entsprechend angewiesen. Auch nach Trumps Angaben soll dies sofort gelten. Aus Kiew fehlte vorerst eine Reaktion.
Der Schritt bleibt hinter dem Vorschlag zurück, alle Angriffe zur Luft und zu See zu unterbrechen. Trotzdem könnte er Entlastung für beide Seiten bringen. Die allnächtlichen russischen Luftangriffe haben in der Ukraine weite Teile der Energieversorgung beschädigt. Für Russland stellten zuletzt die ukrainischen Drohnentreffer auf seine Ölraffinerien eine Gefahr dar.
2) Putin bleibt hart
Putin brachte seine bekannten Argumente gegen eine allgemeine Waffenruhe vor. Es sei unklar, wie eine solche Feuerpause entlang der gesamten Frontlinie überwacht und abgesichert werden solle, sagte er in dem Telefonat. Der Kreml stellte zudem zwei Bedingungen. Demnach darf der Westen keine weiteren Waffen und Geheimdienstinformationen mehr an Kiew liefern. Die Ukraine darf die Zeit nicht zur Rekrutierung weiterer Soldaten und zur Wiederbewaffnung nutzen. Für Russland gelten solche Einschränkungen dabei wohl nicht.
Auch für eine Einigung auf einen endgültigen Frieden rückt der Kreml nicht von seinen Forderungen ab. Dazu zählen neben eigenen Sicherheitsinteressen - also dem Verbot eines Nato-Beitritts für die Ukraine - auch die "Beseitigung der Ursachen des Konflikts". Moskau beschuldigt Kiew, die russischsprachige Minderheit in der Ukraine zu unterdrücken und den Nationalismus zu fördern. Implizit ist damit die Forderung nach einem weiteren Einfluss auf die Politik in Kiew verbunden.
3) Nicht die Ukraine steht dem Frieden im Weg
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich von Trump in den vergangenen Wochen Undankbarkeit und fehlenden Friedenswillen vorwerfen lassen müssen. Die USA schickten zeitweise keine Geheimdienstinformationen und Waffen mehr. Dann schloss sich die Ukraine dem US-Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe an. Sie konnte zeigen, dass nicht sie den Weg zu Vereinbarungen blockiert. Nun kommt die Waffenruhe nicht, an die Moskau viele Bedingungen geknüpft hätte. Die Ukraine befürchtet, dass ihr territoriale Zugeständnisse abverlangt werden könnten. Doch in den Mitteilungen aus Moskau und Washington kam diese Frage gar nicht vor.
4) Trump kommt langsamer voran, als er will
Der US-Präsident ist mit Maximalforderungen in die Verhandlungen gestartet – doch sein vollmundiges Versprechen, den russischen Angriffskrieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, hat sich offensichtlich nicht erfüllt. Inzwischen rückt der Republikaner selbst von dieser Aussage ab: Es sei "ein bisschen sarkastisch" gemeint gewesen, erklärte er kürzlich. Nun geht es für ihn darum, den Krieg zumindest zügig zu beenden. Während er die Ukraine deshalb fortwährend gängelt, inszeniert er sich als Friedensstifter.
Doch sein Gespräch mit Putin brachte nicht den erhofften Durchbruch - obwohl der US-Präsident dem Kremlchef zuletzt nach dem Mund geredet hat. Die Einigung auf eine partielle Waffenruhe ist zwar ein erster Schritt, den Trump seinen Anhängern als Erfolg präsentiert: Bei Truth Social erklärte er nach dem Gespräch, es seien "viele Elemente eines Friedensvertrags" erörtert worden und der Prozess "in vollem Gange". Die Frage ist aber, ob er dieses Ziel bald erreichen kann. Denn bisher konnte er sich offenbar gegenüber Putin nicht durchsetzen.
5) Europäer müssen um Platz am Verhandlungstisch kämpfen
Die Chefs der großen Atommächte telefonierten allein, weder die Ukraine noch die europäischen Staaten waren dabei gefragt. Die europäischen Staaten verstärken dieser Wochen ihre Anstrengungen, mehr in die ukrainische Verteidigung und in die eigene Sicherheit zu investieren. Überlegungen zu einer europäischen Militärmission in der Ukraine nehmen Form an. Sie soll die ukrainische Armee ausbilden und als Schutz vor weiteren russischen Angriffen dienen. Doch unklar ist, wann sich die Soldaten auf den Weg machen könnten, ob sie mit oder ohne Zustimmung Russlands kommen. Die Zeit drängt, bevor Trump und Putin weitere mögliche Alleingänge unternehmen.