
Außenministerin Annalena Baerbock soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden. Eine andere Frau dürfte sich über die Neubesetzung wenig gefreut haben. Für die Top-Position in New York ist eigentlich Karriere-Diplomatin Helga Schmid vorgesehen gewesen.
Fast wäre die Nachricht am Nachmittag untergegangen. Der Bundestag hatte gerade nach hitziger Debatte mit Zweidrittelmehrheit das Millliarden-Schulden-Paket beschlossen und damit einer schwarz-roten Koalition den Weg in die Regierung geebnet. Da lief die Nachricht über den Ticker, dass Noch-Außenministerin Annalena Baerbock einen neuen Job in Aussicht hat.
Die 44-Jährige soll neue Präsidentin der UN-Generalversammlung werden. In dieser Funktion (nicht zu verwechseln mit dem Amt des UN-Generalsekretärs, das derzeit der Portugiese António Guterres bekleidet) vertritt sie die 193 Mitgliedstaaten, die in jedem Herbst zur Vollversammlung in New York zusammenkommen. Der Startschuss für das neue Amt, das auf ein Jahr angelegt ist, fällt im September. Dann würde Baerbock auch ihr Bundestagsmandat niederlegen.
Gerüchte, Baerbock könne im internationalen Umfeld weitermachen, gab es seit Tagen. Spätestens seit Baerbock Anfang März Spekulationen eine Absage erteilt hatte, sie könne den Fraktionsvorsitz übernehmen. In einem Brief an die Fraktion, der dem "Stern" vorliegt, begründete Baerbock dies auch mit ihrer Familie. Sie spricht darin von "Jahren auf Highspeed", davon, dass die "intensiven Jahre auch einen privaten Preis" gehabt hätten. Im November wurde die Trennung von ihrem Ehemann, dem Kommunikationsberater Daniel Holefleisch, bekannt; gemeinsam haben sie zwei minderjährige Töchter. "Aus persönlichen Gründen" habe sie sich entschieden, "erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen", schreibt Baerbock in dem Brief an die Fraktionskollegen. Dem Scheinwerferlicht wird sie aber auch in ihrer neuen Funktion nicht ganz entkommen.
Eine andere Frau dürfte sich wenig über die Neubesetzung gefreut haben. Die Karriere-Diplomatin Helga Schmid, bis 2024 Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Denn eigentlich sollte sie den Posten bekommen, den nun Baerbock machen wird.
Schmids Berufung zur Präsidentin galt als sicher
Im vergangenen Juli war bekannt geworden, dass die Bundesregierung die 64-Jährige für den Posten nominieren will. Schmid hat sich bei den Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Iran, das 2015 abgeschlossen wurde, einen Namen gemacht. Im September war sie dann anlässlich der Teilnahme von Außenministerin Baerbock an der UN-Generalversammlung noch einmal der mitgereisten Presse vorgestellt worden.
Schmids Berufung zur Präsidentin gelte als sicher, hieß es damals. Denn üblicherweise gebe es keine Gegenkandidatin bei der Wahl im Juni. Nun muss sie für Baerbock Platz machen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, Baerbock werde im Mai das Arbeitsprogramm in New York vorstellen, das Schmid bereits erarbeitet hat.
Schmid selbst soll als Trostpreis offenbar gemeinsam mit Ex-Botschafter Wolfgang Ischinger vorübergehend die Münchner Sicherheitskonferenz leiten. In Vertretung von Ex-Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der eigentlich schon der neue Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz ist, nun aber vorübergehend noch als Finanzminister in seinem Heimatland Norwegen aushelfen muss. Eine Anfrage des "Stern" an Helga Schmid blieb bislang unbeantwortet.
Dieser Text ist zuerst bei Stern.de erschienen.