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Trotz Gewinneinbrüchen: Es kommt Bewegung in die deutsche Autobranche



analyse

Stand: 15.03.2025 09:20 Uhr

Neben Strukturproblemen eint die deutsche Autobranche die Sorge vor weiteren Zöllen. Die Hersteller sind dafür unterschiedlich gut gewappnet. International zeigt ein Konkurrent, wie es geht.

Antje Erhard

Nach Volkswagen und Mercedes hat auch BMW einen Gewinneinbruch für das vergangene Jahr gemeldet. Nach Steuern verdiente der Konzern 7,7 Milliarden Euro - 37 Prozent weniger als im Vorjahr. Volkswagen und Mercedes-Benz meldeten ähnliche Rückgänge: 31 Prozent auf 12,4 Milliarden Euro bei VW, 28 Prozent auf 10,4 Milliarden Euro bei Mercedes.

Alle beklagen vor allem: das schwierige Umfeld in China. Und die Sorge vor Zöllen. Doch festzuhalten bleiben zwei Dinge: Die Zahlen des vergangenen Jahres zeigen das Ende der Sonderkonjunktur nach der Pandemie. Und: Die Hersteller sind unterschiedlich gerüstet, um die Herausforderungen zu bewältigen.

Experte: BMW gut aufgestellt

"Von den deutschen Herstellern sehe ich BMW als sehr gut aufgestellt." Das hebt Frank Schwope, Lehrbeauftragter Automotive Management an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Hannover, im Gespräch mit tagesschau.de hervor. Die Gründe: die Technologie-Offenheit von BMW, die flexible Produktion und der bereits hohe Anteil an Elektroautos.

BMW selbst hebt hervor, dass die Verkäufe in den wichtigsten Regionen relativ ausgeglichen seien. "Wir produzieren in den drei großen Marktregionen Europa, USA und China jeweils fast genauso viele Fahrzeuge, wie wir dort verkaufen." Das sagte BMW-CEO Oliver Zipse am Freitag laut Redemanuskript.

Zölle als Belastungsfaktor

Zölle sind nach Einschätzung von Frank Schwope jedoch ein Belastungsfaktor auch für die Münchener, weil BMW aus den USA in die Welt exportiert und in die USA importiert. Eine "doppelte Besteuerung" würde sich da durchaus bemerkbar machen. Schwope sieht aber auch bei VW die Perspektiven positiv. Mit fast zehn Prozent weltweitem Anteil an Elektro-Fahrzeugen halte VW Anschluss.

Dennoch gilt es, sich zu wappnen - nicht nur für die Zölle, auch für den Wettbewerb. Dazu gehört vor allem zu sparen: Mercedes hatte im Februar angekündigt, dass in der Produktion zehn Prozent der Kosten bis 2027 eingespart werden. Produktionen sollen in Länder mit niedrigen Arbeitskosten verlagert werden - aber ohne Werksschließungen in Deutschland.

Unternehmen auf Sparkurs

Diese Debatte hatte Volkswagen geführt, war aber von der starken Gewerkschaft ausgebremst worden. In Brüssel schloss im Februar das Audi-Werk. Bei der Kernmarke VW soll bis 2030 in Deutschland fast jeder vierte Job wegfallen. BMW will weltweit die Größe der Belegschaft 2025 beibehalten.

Die Deutsche Bank sieht Volkswagen als ihren Favoriten in der Branche. Sie begründet das in einer Studie damit, dass sie den Wendepunkt gekommen sieht: Wenn die CO2-Zielvorgaben in Europa abgeschwächt werden, Kostensenkungen greifen und neue Modelle auf den Markt kommen.

"Langfristige Visionen fehlen"

Automobil-Experte Jürgen Pieper sieht im Gespräch mit tagesschau.de keinen der deutschen Hersteller im internationalen Rennen besonders im Vorteil. Er bescheinigt aber allen einen inzwischen "starken Fokus auf Kosten, eine - nach einigem Hick-Hack - vernünftige strategische Ausrichtung und den Fokus auf die Elektro-Mobilität".

Allerdings blieben bei allen Bemühungen auch Defizite: "Langfristige Visionen fehlen den deutschen Herstellern genauso wie Tempo bei der Umsetzung ihrer Strategien und neuer Modelle. Außerdem fehlt es an Übernahme-Know-how." Das habe vor allem die Vergangenheit gezeigt.

Kann VW in Zukunft positiv überraschen?

Mit dem Blick nach vorne könnte nach Einschätzung von Jürgen Pieper VW ein "Überraschungskandidat" sein, weil neue Modelle herauskommen und das Kostenbewusstsein gestiegen ist. Hingegen wünscht sich Pieper von BMW ein stärkeres Bekenntnis zu Zukunftstechnologien. Stark seien die Münchener hingegen in ihrer Produktentwicklung.

Den strategischen Schwenk von Mercedes hin zu Luxus-Autos ("Luxury ist nicht das gleiche wie Luxus, das wird international weniger elitär interpretiert") findet der Experte richtig. "An margenschwachen Produkten festzuhalten, macht keinen Sinn." International betrachtet sei ein Hersteller aber insgesamt besser aufgestellt als die deutschen: Toyota.

Das Maß der Dinge: Toyota

Der japanische Branchenprimus habe eine "gute Mischung aus Produkt-Qualität, Modell-Palette, globaler Präsenz und Know-how bei den boomenden Hybrid-Antrieben". Vor allem sei Toyota strategisch sehr vorausschauend. Da käme kein deutscher Hersteller heran.

Was das für die deutschen Hersteller heißen kann, beantwortet Guillaume Dejean, Branchenexperte bei Allianz Trade, in einer Studie: "Eine Verschlankung der Modellpalette auf fünf bis sechs Modelle, die sowohl in Hybrid- als auch in Elektroversionen angeboten werden, könnte beispielsweise helfen, die Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern", sagt Dejean. "Weniger ist mehr." Außerdem rät er dazu, mindestens zehn Prozent der Ausgaben zu investieren - trotz klammer Kassen.

Hilfe aus der Politik?

Zugleich sei die Politik - wie in anderen Ländern auch - gefragt zu helfen: "Einführung von Zöllen auf Autos mit einem europäischen Produktionsanteil von unter 75 Prozent, um die lokale Produktion zu fördern, könnte hier eine Maßnahme sein", sagt Dejean. Zudem kann die Förderung der Batterieproduktion und von Batterierecycling in Europa die Abhängigkeit von China verringern. Auch Kaufanreize für lokal produzierte Elektrofahrzeuge und Förderung der Elektrifizierung von Unternehmensflotten könnten "ein Schritt in die richtige Richtung sein".

Fazit: Es tut sich was in der deutschen Automobilindustrie. Die Kostenkontrolle und Modellwechsel kommen voran, Strategien werden geschärft. Insgesamt aber haben die deutschen Autohersteller noch Hausaufgaben vor sich, etwas Unterstützung aus der Politik würde da sicher nicht schaden.

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