Die neue britische Regierung macht immer wieder sehr klar, dass sie auf der Seite der Ukraine steht. Gegen das Putin-Regime gibt es stets scharfe Worte. Und es sieht weiter danach aus, als würde für London eine Sache infrage kommen, vor der sich andere Partner deutlich zieren: Langstreckenangriffe.
Der britische Außenminister David Lammy hat auf die Frage einer Korrespondentin von Voice of America nach Langstreckenangriffen auf russisches Gebiet geantwortet, dass die Entscheidung bis zum Beginn des Winters getroffen werde. "Ich erwarte, dass wir in den kommenden Tagen und Wochen eine sehr starke Position haben werden, um die Ukraine mit allem Notwendigen zu versorgen, da wir uns dem harten Winter 2025 nähern", sagte Lammy.
Er sprach außerdem davon, dass die Situation für Wladimir Putin im nächsten Jahr viel schwieriger werde. "Seine Wirtschaft ist in schlechtem Zustand. Es wird für ihn sehr schwer sein, mit der Anzahl der Verluste und Opfer umzugehen, die er erlitten hat", so Lammy laut Voice of America. Der Westen müsse beim Übergang vom Herbst in den Winter seinen "Mut und absolute Entschlossenheit" zeigen, forderte der Außenminister.
Der britische "Guardian" hatte bereits vor rund zwei Wochen unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, dass in London die Entscheidung getroffen worden sei, den Einsatz von Storm-Shadow-Marschflugkörpern auf Ziele tief innerhalb Russlands zu gestatten. Öffentlich solle dazu aber nichts bekannt gegeben werden, hieß es.
Die Erlaubnis von Attacken mit hoher Reichweite auf Russland ist eine Frage, bei der mehrere westliche Partner sich untereinander eng abstimmen - und wo nicht zuletzt die USA ein gewichtiges Wort mitsprechen. In Washington hatte man sich kürzlich jedoch wieder eher ablehnend gegenüber einer solchen Erlaubnis geäußert. Die Ukraine würde gerne weitreichendere ATACMS-Raketen aus den USA gegen Ziele in Russland einsetzen.
Vereinzelt hatte es zuletzt Mutmaßungen gegeben, die Ukraine könnte westliche Marschflugkörper schon bei ihren spektakulären Attacken auf russische Munitionslager eingesetzt haben. "Man kann davon ausgehen, dass die Ukraine erfolgreich weitreichende Waffensysteme, vermutlich Marschflugkörper, genutzt hat. Das können auch westliche Marschflugkörper gewesen sein, aber hier spekulieren wir, dafür gibt es keine Beweise", sagte Militärexperte Oberst Reisner zu ntv.de. Infrage kommen würden auch von der Ukraine selbst entwickelte und produzierte Marschflugkörper.
Lammy zählt Putin-Regime an
Die letzten Wochen erwecken den Eindruck, als sei Großbritannien die treibende Kraft beim Thema Langstreckenangriffe auf russisches Gebiet. Eine Erlaubnis würde es der Ukraine laut Institut für Kriegsstudien (ISW) in Bezug auf ATACMS-Raketen ermöglichen, mehr als 200 operativ bedeutsame Ziele ins Visier zu nehmen und die Angriffsfähigkeiten der Kreml-Truppen zu schwächen.
Der britische Außenminister Lammy hatte sich erst kürzlich in einer aussagekräftigen Rede im UN-Sicherheitsrat direkt an die Kreml-Führung gewandt und war dabei sehr deutlich geworden: "Wladimir Putin, wenn Sie Raketen in ukrainische Krankenhäuser feuern, wissen wir, wer Sie sind. Wenn Sie Söldner in afrikanische Länder schicken, wissen wir, wer Sie sind. Wenn Sie Gegner in europäischen Städten ermorden, wissen wir, wer Sie sind. Bei Ihrer Invasion geht es um Ihre eigenen Interessen. Ihre allein. Sie wollen ihren Mafia-Staat zu einem Mafia-Imperium ausbauen. Ein Imperium, das auf Korruption aufgebaut ist und sowohl das russische Volk als auch die Ukraine ausraubt."