Frieren in Moldau: Zum Jahreswechsel beendete die Ukraine den Transfer von russischem Gas. Das erzeugt Engpässe in dem kleinen Land im Osten Europas.
Eigentlich unvorstellbar, aber noch bis Silvester floss russisches Gas über eine Pipeline durch die Ukraine nach Europa – und nicht wenig: knapp 150 Milliarden Kubikmeter über die letzten fünf Jahre, pro Tag zuletzt etwa 45 bis 50 Millionen Kubikmeter. Die Röhre und die Verdichterstationen wurden in knapp drei Jahren Krieg kein einziges Mal attackiert.
Denn Russland verdiente so etwa fünf Milliarden US-Dollar im Jahr, die Ukraine erhielt aus Moskau für den Transit etwa eine Milliarde US-Dollar. Doch nun ist der Fünfjahresvertrag ausgelaufen – und die Ukraine hat – wie zuvor angekündigt – nicht verlängert.
Moldau ist abhängig vom russischen Gas
Auch EU-Länder sind davon betroffen, allen voran Ungarn und die Slowakei, wo die Abhängigkeit von russischem Pipeline-Gas am größten ist. Der linkspopulistische slowakische Ministerpräsident Robert Fico drohte nach dem Gas-Stopp sogleich damit, die Hilfe für ukrainische Flüchtlinge und Stromlieferungen an die Ukraine einzustellen. Allerdings können diese EU-Länder über das europäische Pipeline-Netz mit Gas aus anderen Weltregionen versorgt werden – und über den Balkan, wohin die "Turkstream"-Pipeline russisches Gas über die Türkei nach Europa bringt.
Für ein politisches Erdbeben dürfte der Lieferstopp dagegen im kleinen EU-Anwärterstaat Moldau sorgen. Grund dafür ist ein kompliziertes Konstrukt: Bisher lieferte Russland praktisch kostenlos Gas an die von Moldau abtrünnige Republik Transnistrien – ein wichtiger Grund, warum die 350.000 Menschen dort, ein Gemisch aus Russen, Moldauern und Ukrainern, weitgehend prorussisch eingestellt sind.
Ein in Transnistrien gelegenes Kraftwerk produzierte aus dem kostenlosen russischen Gas Strom und lieferte diesen fast kostenlos an die Bürger der abtrünnigen Republik – und günstig an die Bürger Moldaus. Bis zuletzt kamen 80 Prozent des in Moldau verbrauchten Stroms von dort. Auf diese Weise subventionierte Russland diese kleine "Republik", wo bis heute etwa 1500 russische Soldaten stationiert sind und unter anderem ein riesiges, aus Sowjetzeiten stammendes Munitionslager bewachen.
Doch das Geschäftsmodell der Separatisten ist nun zerstört, und die Bewohner Transnistriens leben seit Neujahr ohne Warmwasser und Heizung. Schulen und Kitas werden nicht mehr beheizt, die meisten Industriebetriebe stehen still. Das Kraftwerk produziert jetzt mit den übrigen Gasreserven und Kohle Strom, allerdings nur für Transnistrien.
Moldau erhält sein Gas schon seit über einem Jahr aus dem europäischen Netz – allerdings zu höheren Preisen, weshalb der Preis schon Anfang Dezember um ein Drittel stieg. Noch schwieriger ist die Lage beim Strom: Den importiert das Land nun aus Rumänien, allerdings wird die erste Starkstromverbindung wohl erst in der zweiten Jahreshälfte fertiggestellt. Die Strompreise stiegen bereits zu Jahresbeginn um zwei Drittel. Dabei hatte der Premierminister des Landes den Menschen noch im September versprochen, die Preise für Gas und Strom würden im Winter nicht steigen.
Teenager im Ukraine-Krieg 14.53
In der moldauischen Hauptstadt Chisinau hoffen nun manche darauf, dass sich aus der Krise eine Möglichkeit ergeben könnte, Transnistrien wieder in den moldauischen Staat zu integrieren. Denn ohne das kostenlose Gas steht die dortige Verwaltung praktisch ohne Mittel da.
Doch weit größer könnte das Problem für die proeuropäische moldauische Präsidentin Maia Sandu werden: Im Herbst wurde sie nur äußerst knapp und dank der Stimmen der Moldauer im Ausland wiedergewählt, doch in diesem Jahr stehen Parlamentswahlen an – bei denen ihre Partei die Mehrheit zu verlieren droht. Im ärmsten Land Europas dürften explodierende Energiepreise nur wenig zu Sandus Popularität beitragen.
In dieses Horn bläst erwartungsgemäß die Opposition. "Wir stehen vor sehr schweren Zeiten", schreibt Igor Dodon, ehemaliger moskaufreundlicher Präsident und Chef der größten Oppositionspartei, auf Facebook und beschuldigt Präsidentin Sandu, "Spiele im Interesse von Ausländern und nicht im Interesse der Moldauer" zu spielen. "Es gibt nur einen Weg, um diese Situation zu ändern: Die Regierung muss bei den Wahlen abgelöst werden."