So schnell wie sich Trends auf Instagram mittlerweile ablösen, kann man im Geschäft gar nicht die EC-Karte zücken. Damit ist nun Schluss.
Dark Academia, Tomato Girl, Cowboy Core: Wer sich für Mode interessiert und auf Instagram und TikTok unterwegs ist, dürfte seit einiger Zeit kaum mehr mitkommen. Microtrends haben Fast Fashion auf die Spitze getrieben.
Gerade ist das rosa Ballettcore-Outfit über den Ladentisch gegangen, plötzlich sind schwarze Fakefur-Mäntel und schwerer Goldschmuck im Mob-Wife-Stil der letzte Schrei. So schnell wie sich Trends mittlerweile ablösen, kann man im Geschäft gar nicht die EC-Karte zücken. Nun aber scheint sich bei den Konsumenten und Konsumentinnen langsam eine Art Trend-Müdigkeit einzustellen, stellen "Vogue Business" und der "Guardian" fest.
Leben statt posten
Und die Gegenbewegung dazu ist auch schon am Start: Wie es anders geht, zeigte der letzte "Brat-Sommer", ausgelöst von Obergöre Charli XCX (32), ihrem gleichnamigen Album und einer Attitüde, die den Zeitgeist traf und nicht mal vor dem Twitter-Account von Kamala Harris (60) Halt machte. Doch beim Brat-Sommer ging es nicht nur um giftgrüne Klamotten und Accessoires - sondern um den "Vibe" und die Einstellung. Man wollte laut sein, roh sein, echt sein, wild sein. Weinflecken auf dem weißen Shirt statt Instagram-Filter auf dem Gesicht, Zigarette zum Frühstück statt akkurat aufgeräumter Acai-Bowls im Feed, die eigene Unordentlichkeit feiern anstatt am "That Girl"-Ideal zu scheitern. Und vor allem: Leben statt posten.
"Heute geht es bei der Mode um einen Vibe, der nicht nur eine Ästhetik, sondern eine ganze Stimmung widerspiegelt", schreibt der "Guardian". Emotionen statt Konsum lautet das neue Credo. Vibes sind zudem nicht auf Klamotten und Styles beschränkt - sie umfassen alles von Verhaltensweisen über Musik bis hin zu Essen und Hobbys. Style drückt sich jetzt eher über bestimmte Sportarten - man denke an den Reformer-Pilates-Hype - oder individuelle DIY-Projekte wie Charm-Bags und Kreativität aus (Klamotten rückwärts tragen ist auch so ein neues Ding). Es geht nun darum, sein Leben wirklich zu leben, anstatt einfach nur einen Lifestyle durch Trendprodukte zu kaufen. Das sind gute Nachrichten für den Planeten sowie die Psyche und die Geldbeutel sämtlicher Fashionistas.
Microtrends sind keine Mode, sondern Cosplay
Mittlerweile herrscht sogar ein richtiger Anti-Microtrend-Trend. Kurzlebige Trends sind schließlich das Gegenteil von allem, wofür Mode im besten Fall steht: Individualität, Ausdruck und Kreativität. Wer Trends nur hinterherhechelt, zeigt damit vor allem, dass ihm die eigenen Ideen fehlen. Oder wie es Brand-Stratege Eugene Healey erklärt: "Sich in Microtrends zu kleiden, zeigt jedem, dass du durchgehend online bist. Es ist keine Mode, es ist Cosplay." So ist es nun sogar peinlich, mit einem übermäßig gehypten Artikel wie dem Stanley-Cup gesehen zu werden.
Die Spitze des Zeitgeists erklimmt derjenige, der gar nichts mitmachen will beim Vibe- und Trend-Check, eine Mischung aus Normcore und Minimalismus ist das aktuelle Stylegebot. Laut des Lifestyle-Magazins "Dazed" sieht man an den Universitäten in Großstädten bereits, dass sich die coolen Kids mittlerweile extra unaufgeregt kleiden: blaue Jeans, grauer Pulli, schwarze Boots.
"Basic", also "gewöhnlich", wird nun als Kompliment verstanden. Es impliziert, dass man niemandem etwas beweisen muss, dass man es sich leisten kann, aus dem Fashion-Karussell auszusteigen, dass man lieber "sein" will anstatt irgendwie zu "wirken". Wenn das mal keine Revolution ist.