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Schicksal in Großbritannien: 550 Tage im Krankenhausbett – dann wird Jessie festgenommen



Jessie verbringt 18 Monate im Krankenhaus. Dabei ist sie längst entlassen. Weil sie nicht geht, wird sie verklagt und verhaftet. Ihr tragischer Fall bewegt Großbritannien.

Wer ins Krankenhaus muss, hat eigentlich nur einen Wunsch: Möglichst schnell wieder herauskommen. Jessie ist 550 Tage lang geblieben. Den Großteil dieser Zeit wäre die 35-Jährige fit genug gewesen, um das "Northampton General Hospital" in Großbritannien zu verlassen. Nach all diesen Tagen wird Jessie verhaftet und gezwungen, das Bett zu verlassen, wie die BBC jetzt berichtet. Was ist passiert? 

Jessie kommt am 14. April 2023 im Krankenhaus an – wegen einer Zellulitis muss sie behandelt werden. Das dauert normalerweise ein paar Tage. Jessie nutzt einen Rollstuhl und leidet an einer Persönlichkeitsstörung. Außerdem braucht sie Hilfe bei der Körperpflege. Ende April 2023 kann sie entlassen werden – aus medizinischer Perspektive zumindest. Doch ihr früheres Pflegeheim, dort, wo sie zuvor neun Jahre lang lebte, kann sie nicht mehr aufnehmen. STERN PAID 36_23 Diagnose Husten Heiserkeit 20.41

Jessies Schicksal steht für ein strukturelles Problem

Jessie ist eine von mehr als 70 Personen, die sich bei der BBC gemeldet haben. Sie schildern Probleme mit dem sozialen Betreuungssystem im Land. Der britische Sender hat Jessie fünf Monate lang begleitet. Denn ihr Schicksal illustriert ein strukturelles Problem in Großbritannien.

Anfang 2025 sind in England knapp 13 Prozent der verfügbaren Krankenhausbetten ohne medizinische Notwendigkeit belegt. Gründe sind unter anderem fehlende Betreuung zu Hause oder fehlende Pflegeplätze. Experten im Land sind nicht überrascht: Solche Verzögerungen seien mittlerweile an der Tagesordnung.

Jessie isoliert sich zunehmend in ihrem Bett. Sie teilt sich das Zimmer mit fünf anderen Patienten. Sie fühlt sich unwohl und unter Beobachtung. Die Vorhänge um ihr Bett zieht sie in dieser Zeit lieber zu, berichtet sie. So gehen Tage ins Land. Aus Tagen werden Monate.STERN PAID Pflegeheft 01_24 Diagnose 14.45

Gericht entscheidet: Jessie muss das Krankenhaus verlassen

Die Suche nach einem neuen Pflegeplatz dauert fast ein Jahr, sagen Jessie und ihre Mutter. Der Stadtrat prüft 120 Plätze, aber nur einer wird ihr angeboten. Das Heim befindet sich in einer Stadt, die bei Jessie traumatische Erinnerungen weckt. Sie lehnt ab, da sie Suizidgedanken bekommt. Das System in Großbritannien sieht vor, dass sie mitentscheiden soll.

Im August 2024, 16 Monate, nachdem Jessie in ihr Bett gezogen ist, reicht das Krankenhaus eine Klage ein. Jessie und ihre Mutter haben keinen Anwalt, und die ersten Anhörungen finden ohne rechtliche Vertretung statt.

Krankenhausbetten als knappe Ressource 

Am 4. Oktober 2024 entscheidet ein Gericht, dass Jessie das Krankenhaus verlassen muss: "Sie kann die Einschätzung der Stadtverwaltung anfechten, aber nicht im Krankenhaus bleiben." Die NHS-Kosten für ihren Aufenthalt überschreiten 200.000 britische Pfund. Das sind etwa 240.000 Euro. Die Klinik bietet psychische Unterstützung an, doch Jessie fühlt sich nicht gehört: "Ich habe alle Gründe dargelegt, warum ich mit [der Unterbringung] nicht zufrieden war, aber man hat sie trotzdem weitergeführt." STERN Paid Reizhusten persönliche Geschichte 12:50

Die NHS-Verwaltung argumentiert, dass Patienten ihr Pflegeheim nicht selbst wählen können und Krankenhausbetten eine knappe Ressource seien. 

Zehn Tage nach der letzten Anhörung, am 14. Oktober, wird Jessie verhaftet und in die Stadt gebracht, die sie psychisch belastet. Wegen angeblicher Vorfälle, darunter beleidigende E-Mails, ermittelt die Polizei gegen sie. Seit ihrem Umzug hat sie sich mehrfach selbst verletzt. Die Polizei wird dreimal gerufen – einmal von ihr, zweimal von Angestellten. Jessie sagt: "Sie wissen nicht, was sie mit mir machen sollen."

Quelle: BBC Report

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