Die Wahlergebnisse in Grönland überraschen – selbst den Wahlsieger. Aber was bedeutet der Politikwechsel für die Unabhängigkeit, für Dänemark, für Donald Trump? Fünf Erkenntnisse.
Es ist ein wahrer "Lawinen-Sieg" für die Opposition in Grönland, um es mit einem arktischen Wortspiel zu sagen. Zwei Oppositionsparteien konnten bei den Parlamentswahlen markant zulegen: die sozialliberale Demokraatit und die Unabhängigkeitspartei Naleraq. Erstere geht mit knapp 30 Prozent der Stimmen als klarer Wahlsieger durchs Ziel, Naleraq kommt auf knapp 25 Prozent. Die bisherige Mitte-links-Regierung aus Inuit Ataqatigiit und Siumut ist damit abgewählt.
Ein überraschender Wahlsieg für die Grönländer, Dänemark, internationale Beobachter – und auch den Wahlsieger selbst: "Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Wahl so ausgehen würde. Wir sind sehr glücklich", sagte der 33-jährige Demokraatit-Spitzenkandidat Jens-Frederik Nielsen nach der Wahl im grönländischen Rundfunk KNR.
Doch was bedeutet der politische Wechsel in Grönland? Strebt die größte Insel der Welt nun schneller in Richtung Unabhängigkeit? Und welche Schlüsse zieht Donald Trump, der Grönland gern den USA einverleiben würde?
1. Grönlands Wähler setzen auf eigene Interessen
Obwohl das geopolitische Tauziehen zwischen den USA, Grönland und Dänemark die Wahl überschattete, ging es weniger um Trump als um den Alltag der Grönländer. Demokraatit will die grönländische Wirtschaft stärken und die Steuern senken. Offenbar strebten die Grönländer eine Veränderung und eine Verbesserung ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation und der der Inuit-Nation an. Und darauf hat Demokraatit bei dieser Wahl gesetzt.
2. Unabhängigkeit rückt in den Hintergrund
Der Wahlkampf war vom Thema Unabhängigkeit geprägt. Fast alle Parteien streben sie an, doch ihre Wege dorthin unterscheiden sich. Naleraq möchte diese so schnell wie möglich erreichen, während Demokraatit zurückhaltender ist. Sie wollen zunächst klären, welche Finanzen und Kompetenzen nötig sind, um die Unabhängigkeit schrittweise zu erreichen. Konkret heißt das: Erst muss das wirtschaftliche und finanzielle Fundament stehen, bevor die Tür zur Unabhängigkeit geöffnet wird.
Auch andere Parteien, wie der Wahlverlierer Siumut, plädierten für Untersuchungen, bevor der Paragraf 21 des grönländischen Autonomiegesetzes aktiviert wird, der den Weg zur Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark regelt.
Da Demokraatit und Naleraq in der Unabhängigkeitsfrage weit auseinanderliegen, scheint eine Koalition mit Parteien, die hier einen Gang zurückschalten, wahrscheinlicher.
3. Gute Nachrichten für Kopenhagen
Die Wahlergebnisse in Grönland dürften das Königreich Dänemark – bestehend aus Dänemark, den Färöer-Inseln und Grönland – sowie die Beziehungen zwischen Dänemark und Grönland selbst stärken. Mit ihrer vorsichtigen Annäherung an die Unabhängigkeit bleibt Demokraatit (zumindest auf absehbare Zeit) der ehemaligen Kolonialmacht Dänemark verbunden. Parteichef Jens-Frederik Nielsen könnte Kopenhagen zu Zugeständnissen bewegen, um die grönländische Infrastruktur und Wirtschaft weiterzuentwickeln, was die Bindungen zwischen Dänemark und Grönland stärken könnte.
Außerdem gibt es Kopenhagen die Möglichkeit, sich wieder intensiver mit der Grönlandfrage zu befassen. Die Grönländer streben offenbar einen geordneten Übergang in die Unabhängigkeit an, was Dänemark mehr Zeit und Spielraum für eine gute Lösung für beide Seiten gibt.
Das Wahlergebnis ist auch eine Absage an Trumps Pläne, Grönland zu kaufen oder gar militärisch zu annektieren. Dänemark kann also vorerst vorsichtig aufatmen.
4. Ein Wermutstropfen für Kopenhagen
Insgesamt ist das Wahlergebnis für die dänische Regierung positiv zu bewerten, es birgt aber auch Risiken. Die bisherigen Regierungsparteien Inuit Ataqatigiit und Siumut wären Wunschpartner Kopenhagens gewesen, da man mit ihnen schon lange und eng zusammenarbeitet und sich dadurch Stabilität erhofft. Nun ist zum einen unklar, welche Forderungen die neue Regierung in Nuuk stellen wird. Zum anderen könnte die Regierungsbildung in Grönland lange dauern, da stabile Mehrheiten in der neuen Parteienkonstellation schwer zu finden sein dürften. In dieses Vakuum könnte Trump hineinstoßen.
5. Eine Niederlage für Trump, die er umdeuten könnte
Für den US-Präsidenten ist diese Wahl kein Sieg: Die Unabhängigkeit Grönlands rückt in weite Ferne, eine pro-amerikanische Koalition wird es nicht geben. Seine kruden Pläne, Grönland zu US-Territorium zu machen, haben weder die grönländischen Wähler in seine Arme getrieben noch die Unabhängigkeitsfrage vorangebracht.
Aber Donald Trump macht sich seine Welt gern so, wie sie ihm gefällt. Er könnte argumentieren, dass Demokraatits Sieg zeigt, dass Grönland mehr "Business" machen will. Das passt tatsächlich zu den Plänen der Partei, die grönländische Wirtschaft zu stärken. Trump könnte hier also mit milliardenschweren Investitionen werben, zum Beispiel für die Bergung der begehrten Bodenschätze Grönlands. Auch das starke Abschneiden der eher US-orientierten Naleraq könnte er als starken Unabhängigkeitswillen deuten. Beides wäre ein Risiko für die dänische Regierung und den Zusammenhalt des Königreichs Dänemark.
Sollte Trump tatsächlich diese Schlüsse ziehen und seine Annexionspolitik fortsetzen, bleibt der Druck auf Kopenhagen bestehen. Dänemark steht dann unter Zugzwang, den Grönländern schnell entgegenzukommen. Ein zweiter Wermutstropfen für Dänemarks Regierung.
Weitere Quellen: TV2, "Berlingske", "Sermitsiaq"