4 months ago

Nach Wahlerfolgen im Osten: Reul schließt Koalition von CDU und AfD aus



Sollte in Sachsen und Thüringen die AfD mitregieren? Über diese Frage diskutieren die Gäste in der ARD-Talkshow "Hart aber fair". Die Antworten sind ein Spiegel der Gesellschaft in Deutschland.

"Wenn Du in der Dorfkneipe sitzt und das Bier schmeckt schal, dann gehst Du auch nicht aus der Pissrinne saufen." So erklärt Monchi, Frontmann der Punkband "Feine Sahne Fischfilet" aus Mecklenburg-Vorpommern, warum er nicht die AfD wählt. Aber das kann man auch anders sehen, wie mancher Gast in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" zeigt.

Die Spaltung der Gesellschaft habe sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt, stellt die sächsische Sozialministerin Petra Köpping von der SPD fest. Ihn beunruhige der Rückgang des Vertrauens in staatliche Institutionen, fügt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul von der CDU hinzu. Das sei ein Grund für das Ergebnis der Wahlen in Thüringen und Sachsen gewesen. Reul: "Ich hoffe, wir haben jetzt alle den Schuss gehört und fangen mal an darüber nachzudenken, woran das liegt."

Das wünscht sich auch Gilda Sahebi. Die deutsch-iranische Autorin und Journalistin arbeitet unter anderem für die "taz", den "Spiegel" und die ARD. Sie geht davon aus, dass die AfD in einer der beiden Landesregierungen vertreten sein wird, wenn auch erst nach den nächsten Landtagswahlen. "Ich kann sehr gut verstehen, dass man von den Parteien enttäuscht ist. Ich kenne nur wenige Menschen, die das nicht sind", sagt sie mit Blick auf die Konkurrenten der AfD. Ihr sei besonders nach dem islamistischen Anschlag in Solingen aufgefallen, dass sich viele Politiker die Zeit zum Nachdenken nicht nehmen würden.

Ex-Grüne kritisiert die Partei

Tatsächlich sind die seit Jahren ungelösten Probleme der Zuwanderung und der Abschiebung geflüchteter Menschen Gründe für die Wahlentscheidung vieler Menschen in Sachsen und Thüringen, jedoch nicht die einzigen. Schon gar nicht in Ostdeutschland. Darauf weist die ehemalige Grünen-Politikerin Antje Hermenau hin. Sie ist inzwischen Politikberaterin und nennt ihre ehemalige Partei "eine Art Sekte".

Vielen Wählern sei es darum gegangen, "eine Art Stoppsignal" zu setzen und einen bestimmten Teil der Politik abzulehnen. Vielen Wählern sei es nicht um die Migrationspolitik an sich gegangen, sondern um die mangelhafte Integration geflüchteter Menschen. Zudem sei es vielen Wählern um die Forderung gegangen, die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Was die Mängel der Integration geflüchteter Menschen anbelange, seien die Probleme seit Jahren bekannt: Massenvergewaltigungen und Messerangriffe in der Öffentlichkeit. Darüber sei nie gesprochen worden, die Probleme seien verdrängt worden.

Ob die SPD das Thema Migration verschlafen habe, will Moderator Louis Klamroth von Petra Köpping wissen. Die antwortet zunächst mit dem üblichen Wahlkampf-Wording: Die SPD sei in Sachsen immer schwach gewesen, und sie habe ihr Wahlergebnis fast gehalten. Die Frage beantwortet sie nicht, stattdessen fordert sie, "dass die demokratischen Parteien sich hinsetzen und die Probleme lösen müssen, die die Menschen aufgezeigt haben. Das ist die Verantwortung, die wir haben."

Gegenwind für AfD-offenen Bürgermeister

Ob BSW und CDU mit der AfD reden sollten, fragt Klamroth gegen Ende der Sendung. Mirko Geißler hat da eine besondere Ansicht. Der parteilose Bürgermeister der Erzgebirgs-Gemeinde Grünhain-Beierfeld findet: "Demokratie ist manchmal schwer auszuhalten. Aber man muss die Leute (von der AfD) jetzt auf die Spielfläche holen und sagen: Zeigt, was ihr könnt. Und dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Wenn wir das nicht machen, sehe ich die nächsten fünf Jahre wieder im Leerlauf, und dann haben die 40 oder 50 Prozent."

"Das lässt sich leicht sagen, wenn man nicht zur betroffenen Hassgruppe dieser Partei gehört", gibt Gilda Sahebi zu bedenken. "Wenn man irgendeiner Minderheit angehört, wenn man einen Migrationshintergrund hat, dann ist das sehr real, wenn die regieren. Und die Gewalt steigt auch." Tatsächlich gehört Deutschland zu den europäischen Ländern mit den meisten rechtsextremistischen Straftaten.

Auch Petra Köpping kann sich mit der Idee des sächsischen Bürgermeisters nicht anfreunden. Immerhin könne es eine Koalition aus drei demokratischen Parteien ohne die AfD geben. Zudem sei deren Landesverband gesichert rechtsextrem. "So lange das so ist, kann man mit einer AfD nicht zusammenarbeiten", so die SPD-Politikerin.

Eine Regierungsbeteiligung des BSW lehnt Antje Hermenau ab, die Teil der demokratischen Bürgerbewegung in der DDR war. Das sei eine Partei, die gar nicht existiere, außer als Briefkästen in Jamaika. "Ihr sitzt dann mit der Sahra zusammen. Viel Spaß. Das ist eine Übersprungshandlung, weil man sich nicht traut, mit der AfD zusammenzusitzen und die Sachen auszudiskutieren."

Herbert Reul stellt klar: über eine AfD-Beteiligung brauche man nicht nachzudenken. "Das wird nicht passieren." Auch Monchi von "Feine Sahne Fischfilet" hält nichts von einer Regierungsbeteiligung der AfD. Aber er weiß: So weit ist es noch nicht. "Ich denke, wir müssen das Positive sehen. Wir sind noch nicht im Arsch. Wir können noch was. Wir gucken noch nach oben. Ich denke: Hier geht noch was, und hier sind noch echt viele tolle Leute, die zusammen was reißen."

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