EU-Verteidigungspakt mit London: Macrons Sicherheitspolitik stinkt auffällig nach Fisch

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Ein Verteidigungspakt soll es besiegeln: London und Brüssel wollen Einigkeit gegen den russischen Aggressor demonstrieren. Allerdings gefährden London und Paris mit ihrem Streit um Fischereirechte das Abkommen - Frankreichs Präsident Macron macht Druck.

Die neuen Probleme drängen, während die alten wieder hochkochen. Zwar wollen die EU und Großbritannien angesichts der russischen Aggressionen bei der gemeinsamen Verteidigung zusammenrücken - aber das ist nicht so einfach. Denn Paris scheint mit London noch eine Rechnung offen zu haben und gefährdet deshalb den avisierten Pakt. Es geht um die Rechte für Fischereiquoten in britischen Gewässern.

Über den Streit empört sich sogar die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas öffentlich. Im April sagte Kallas der BBC, sie sei "überrascht, wie wichtig der Fisch in den Gesprächen ist". Vor einigen Tagen gab sie sich etwas optimistischer: "Da ein Abkommen erst zustande kommt, wenn man sich über alles einig ist, sind noch einige Elemente unklar, aber ich hoffe, dass wir es schaffen werden."

Die Frage nach dem Zugang europäischer Fischereiflotten zu britischen Gewässern war bislang ein Bremsklotz für die Verhandlungen zum Verteidigungspakt der EU mit Großbritannien. Am Montag soll das Sicherheitsabkommen auf dem EU-UK-Gipfel in London eigentlich besiegelt werden. Zudem soll dort über die Verbesserung des gemeinsamen Handels- und Kooperationsabkommens gesprochen werden. Nach Informationen von ntv.de sind die Fischereirechte noch immer Teil der Verhandlungsmasse im Vorfeld. Und der Streit darüber ist eben noch nicht beigelegt.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei dem Treffen am Montag den Pakt blockieren könnte, weil es ihm nur um den Fisch geht. Seit seinem Amtsantritt gibt sich Macron bei jeder sich bietenden Gelegenheit als der große Verfechter der europäischen Verteidigungspolitik. Und die EU-Sicherheitsarchitektur, da sind sich Experten einig, muss sich auf Nachbarn wie Großbritannien stützen können - vor allem angesichts eines US-Präsidenten Donald Trump, der für Europa wenig mehr als Drohungen und Pöbeleien übrig hat. "Wenn man sich die Weltlage so anschaut, ist die französische Taktik, eine Kooperation im Verteidigungsbereich mit Fischereiquoten zu verknüpfen, reichlich absurd", sagt die Grüne Hannah Neumann, Mitglied des Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament, ntv.de.

London will Zugang zu EU-Verteidigungsfonds

Der Zwist um den Fischfang ist nicht neu. Er schwelt seit dem Brexit. Macron steht innenpolitisch unter Druck, da die Fischerei für französische Küstenregionen ein bedeutender Wirtschaftszweig ist. Deswegen stinkt Macrons Sicherheitspolitik zurzeit auffällig nach Fisch. Für Frankreichs Flotten ist der Zugang zu britischen Gewässern wichtig, um etwa Jakobsmuscheln in großen Zahlen zu fangen. Frankreich ist nicht das einzige EU-Land, das deshalb auf diesen Zugang pocht. Doch der Clinch zwischen London und Paris eskalierte schon vor etwa vier Jahren, bis eine Einigung über die Anzahl der Lizenzen für die Fischer gefunden wurde. Die Regeln dieser Abmachung könnten nach Angaben der "Financial Times" um zwei weitere Jahre verlängert werden.

Es soll weitere Streitpunkte im Vorfeld des Gipfels gegeben haben, etwa über ein Jugendmobilitätsprogramm und die Grenzpolitik für Gibraltar. Zudem pocht Großbritannien darauf, Zugang zu den Mitteln des 150 Milliarden Euro schweren EU-Verteidigungsfonds zu bekommen. Dafür kann der Verteidigungspakt, sollte er am Montag geschlossen werden, nur einen Grundstein legen. Bevor Gelder fließen, muss ein zweites, konkreteres Abkommen geschlossen werden. In der EU werden Stimmen laut, die darauf verweisen, dass die finanzielle Förderung von Rüstungsgütern bei der Zusammenarbeit keine Einbahnstraße sein darf. "Wenn Großbritannien Zugang zum EU-Verteidigungsfonds erhält, müssen auch EU-Unternehmen besseren Zugang zu britischen Programmen bekommen", fordert Neumann. Ziel sei schließlich eine Kooperation auf Augenhöhe.

In den Verhandlungen über den Pakt geht es nicht nur um Rüstungsgüter, sondern auch um die verstärkte Zusammenarbeit der Truppen. "In den Gesprächen wurde auch eine Beteiligung des Vereinigten Königreichs an EU-geführten Militärmissionen erörtert, die zwar begrenzt wäre, aber die Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich im Verteidigungsbereich weiter stärken würde", sagt der estnische Ex-General Riho Terras gegenüber ntv.de Terras sitzt für die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament und ist Vize-Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.

Zudem bietet die Zusammenarbeit mit Großbritannien die Chance, der EU in den Sicherheitsbereichen zu helfen, in denen sie ohne die militärische Unterstützung der USA große Lücken hätte. "Das Vereinigte Königreich hat im Bereich der Nachrichtendienste und Satelliten eine Menge zu bieten", so Terras. Mit Blick auf die Unterstützung der kriegsgebeutelten Ukraine könne Großbritannien auch einen entscheidenden Beitrag leisten, indem es weiterhin schwere Waffen, Munition und Präzisionsschlagsysteme mit großer Reichweite liefere. Es besteht kein Zweifel: Die EU könnte enorm von dem Verteidigungspakt mit London profitieren. Hoffentlich scheitert er nicht an Macrons ambitionierter Fischereipolitik.

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