
Der Kanzler möchte nicht den Eindruck erwecken, politische Konkurrenten beseitigen zu wollen. Die Prüfung, ob die AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpft, sieht er allein beim Staat, nicht im Bundestag. Nicht nur sein Parteifreund Daniel Günther will trotzdem Druck machen.
Die Debatte um eine mögliche Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD geht weiter. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther bekräftigte am Wochenende, dass er - anders als Bundeskanzler und CDU-Parteichef Friedrich Merz - ein solches Verfahren für dringend geboten halte. "Es ist meine feste Überzeugung, dass ein Staat sich selbst schützen muss", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Immer mehr Menschen sehen die Gefahr, die von der AfD ausgeht."
Sein Ziel sei es, dass ein solcher Antrag auf Bundesebene gestellt werde, da sich das Verfahren gegen die Bundespartei AfD richten würde. "Wir werden die Bundesregierung nach Kräften dabei unterstützen", erklärte Günther. Auch der Grünen-Co-Vorsitzende Felix Banaszak sprach sich erneut deutlich für ein solches Verfahren aus. Dieser Weg sei wichtig, "bevor es zu spät ist", sagte Banaszak beim Landesparteitag der sächsischen Grünen in Neukieritzsch bei Leipzig.
Bundeskanzler Merz steht Forderungen nach einem AfD-Verbotsverfahren dagegen skeptisch gegenüber, wie er in der "Zeit" deutlich machte. Die Nachweispflicht, dass die Partei "aggressiv kämpferisch" gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeite, liege ausschließlich beim Staat, sagte Merz. "Und ich habe mich innerlich immer dagegen gewehrt, aus der Mitte des Bundestages heraus Verbotsverfahren zu betreiben. Das riecht mir zu sehr nach politischer Konkurrentenbeseitigung", betonte der CDU-Chef.
Laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextremistisch
Die Rufe nach der Einleitung eines Verbotsverfahrens waren lauter geworden, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD Anfang Mai zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" hochgestuft hatte. Dagegen setzt sich die Partei mit einem Eilantrag zur Wehr.
Bis zu einer Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts Köln legt der Inlandsgeheimdienst die neue Einstufung auf Eis und führt die AfD daher erst einmal weiter nur als sogenannten Verdachtsfall. Über ein Parteiverbot müsste auf Antrag von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, äußerte sich skeptisch zu den Erfolgsaussichten eines solchen Antrags. Nach der Auswertung des Verfassungsschutz-Gutachtens stelle "sich die Frage, ob die vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgelegten Belege auch den Nachweis erbringen können, dass die strengen Voraussetzungen eines Parteiverbots erfüllt sind oder zumindest erfüllt sein können", sagte er der "Bild am Sonntag". "Auf der Grundlage der bislang öffentlich bekannten Informationen würde ich das derzeit verneinen."
Für ein Verbot der Partei würden die im Gutachten enthaltenen Äußerungen, die Papier unter anderem als "überzogen, polemisch, abwegig und gemein" bezeichnete, aus seiner Sicht nicht ausreichen.
Trotz aller Skepsis dürfte das Thema weiter für Diskussionen sorgen. Für Sonntagmittag riefen Anhänger der Organisation Fridays for Future in Karlsruhe - wo das Bundesverfassungsgericht seinen Sitz hat - zu einer Demonstration für ein AfD-Verbotsverfahren auf.