Friedrich Merz findet klare Worte in Richtung USA. Er mag altbacken und wirtschaftsliberal sein, aber er hat die Krisen der Zeit sofort verstanden. Hat er das Gegengift?
Friedrich Merz macht es einem nicht leicht, ihn zu mögen. Gerade denen links der Mitte, aber auch vielen in seiner eigenen Partei, der CDU. Mal empörte sich der designierte Kanzler in der Vergangenheit über "kleine Paschas", ein anderes Mal deutete er eine kommunale Zusammenarbeit mit der AfD an.
Die Asyl-Abstimmung mit Unterstützung der AfD im Deutschen Bundestag brachte ihm den Vorwurf ein, Rechtsextremisten zu Macht zu verhelfen. Kurz vor dem Wahlabend rief der 69-Jährige dann im Stile eines Alleinherrschers auch noch: "Links ist vorbei!"
Der Trump-Vergleich hängt Friedrich Merz seit Langem nach
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch nannte den CDU-Chef daraufhin einen "Mini-Trump". Der Vergleich mit dem US-Präsidenten schwingt bei Friedrich Merz seit Langem mit. Die konservative "FAZ" betitelte ihn schon 2020 als "Sauerland-Trump", der "Spiegel" witzelte einst in Anspielung auf Trumps Namen auf X über "Realfriedrichmerz".
Der Vergleich wird seither genüsslich wiederholt, wenn der CDU-Chef mal wieder etwas allzu Altbackenes, Wirtschaftsliberales oder, ja, auch mal Falsches sagt. Klar: Merz ist impulsiv, er lässt sich leicht von Stimmungen treiben. Der CDU-Mann liebt den Stammtisch und sein Machergestus könnte noch gewaltige Enttäuschungen in die liberale Demokratie fördern. Aber Merz, ein kleiner Trump? Wie ein korrupter Oligarch auf dem Weg, sich die Demokratie zu kaufen und nebenher die eigenen Taschen vollzumachen?
Das Etikett könnte gerade falscher kaum sein. Ausgerechnet Friedrich Merz, dieser Konservative alter Schule, zeigt in diesen Tagen, dass er das Zeug hat, zu einem echten demokratischen Gegenspieler für den autoritären US-Präsidenten zu werden. Merz, der Anti-Trump, das wäre gerade wohl die passendere Bezeichnung.
Das Trump-Etikett verniedlicht den Wahnsinn aus den USA
Das einmal auf die Stirn gepappte Trump-Etikett verniedlicht nicht nur den wirklichen Wahnsinn, der aus den USA kommt und auch hierzulande immer buntere Blüten treibt. Es verhindert auch einen klaren Blick auf eine andere, womöglich aktuell wichtigere Seite von Friedrich Merz: seine Verankerung im parlamentarischen System der Bundesrepublik. Und damit auf die Chance, die – ausgerechnet – in der Kanzlerschaft des ewig Ungeliebten liegt.
Schauen wir auf das, was in den letzten Wochen geschah: Merz reagierte am Wochenende als einer der ersten wichtigen europäischen Politiker auf den Eklat zwischen Trump und Selenskyj im Weißen Haus. Seit Wochen warnt er vor den Plänen des US-Präsidenten, verbat sich Einmischungen in den Wahlkampf aus Washington mit genauso großer Härte wie aus Moskau.
Ausgerechnet der Transatlantiker Merz kritisiert die Umsturzpläne der Trump-Administration mit einer Klarheit und einem Realismus, den viele andere noch immer vermissen lassen. Gleichzeitig ist er nun in Windeseile dabei, das alte Unionsdogma der schwarzen Null über den Haufen zu werfen. Milliardeninvestitionen könnten plötzlich folgen. Wofür? Für europäische Stärke, gegen Trump.
Merz positioniert sich als harter Gegenspieler des US-Präsidenten
Man soll den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben. Wie stabil Merz steht und wie erfolgreich er sein wird in seinem Ansatz, Europa zum geopolitischen Faktor zu machen, wird sich erst im Regieren zeigen. Worte allein sind noch nicht Führung.
Aber es spricht wenig dafür, dass bei ihm alles nur Fassade sein könnte, die bald abblättert. Bei seinen Wahlkampfauftritten redete Merz oft über das Erbe von Konrad Adenauer und Helmut Kohl, ganz grundsätzlich über Marktwirtschaft, die parlamentarische Demokratie, den Rechtsstaat und die Westbindung Deutschlands. Applaus gab es für diese Geschichtsstunden selten, die Leute hätten ihn lieber über die Wirtschaftspolitik der Ampel und gegen die Grünen wettern gehört. Mancher Zuhörer rümpfte die Nase über diese Reden. Aber sie waren ihm wohl wichtig.
Wem hilft also dieser ewige Trump-Vergleich? Er hilft den politischen Gegnern von Merz zum eigenen Landgewinn (wählt mich, sonst kommt der Mini-Trump) und er hilft umstürzlerischen Kräften bei der Selbstverharmlosung (wählt uns, der ist sowieso wie wir).
Das Etikett wirkt in der Konsequenz wie eine andere Version von Steve Bannon Slogans "Flooding the zone with shit". Neben Trump verschwimmt eben alles zu einem übel riechenden Brei.
Dabei gäbe es gerade genug Themen, über die man ernsthaft streiten könnte. Über Friedrich Merz' kaum bezahlbares Wirtschaftsprogramm, die komplette Fehleinschätzung der Union hinsichtlich der Staatsfinanzen, die großen Worte zur angeblichen Lösung der Asylfrage, darüber, wie sich Migranten trotz allem als Teil dieses Landes fühlen, die Verteidigung des Landes oder über die gern verschwiegene Rentenfrage.
Alles Riesenaufgaben. Aber ein deutscher Trump ist nicht in Sicht. Ein Glück.