1 month ago

Meinung: Es braucht ganz dringend Liberale – aber diese FDP braucht keiner



Die Lügenaffäre der FDP ist mit einem Rücktritt nicht ausgestanden. Die Christian-Lindner-Partei schadet liberalem Gedankengut inzwischen eher, als dass sie nutzt.

50 Sekunden sprach FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Freitagvormittag, dann war er weg. Gescheitert an der Ampel, dem FDP-Geheimplan und den eigenen alternativen Fakten. 

Der Rücktritt war unausweichlich, wenigstens das haben über Nacht offenbar genügend Liberale erkannt. Das ist es dann aber auch, was man der FDP dieser Tage zugutehalten kann.

Schuld an der Misere? Die Medien!

Was ist das nur für ein schauriges Schauspiel, das die Partei gerade aufführt? Mit Lügen versucht die restliche Parteispitze, ihre Jobs und ihr Ansehen zu retten. Schuld an der Misere? Sollen die Medien sein, die mit "tendenziöser Berichterstattung" die Partei unfair attackierten. So schallt es aus der Partei.

Wollen die Liberalen uns komplett verschaukeln?

Eil Rücktritt FDP Bijar-Sarai

Der Reihe nach: "Zeit" und "SZ" recherchierten kürzlich, dass die FDP gezielt den Bruch der Ampel-Koalition vorbereitet hatte, während sie öffentlich noch beteuerte, das Bündnis retten zu wollen. Der Name des Plans: D-Day.

Jede angebliche Frechheit war offenbar die Wahrheit

Die Recherchen wurden von der Parteiführung nach ihrer Veröffentlichung als Märchen diskreditiert, als tendenziös und unwahr. Der Chef, Christian Lindner, stellte die Geheimplanungen als harmlosen Vorgang dar. Das Wort "D-Day" sei so nie gefallen, sagte sein General, eine "Frechheit" seien diese Behauptungen. 

Die Führung der Partei flüchtet in ihre eigene Wirklichkeit, in eine alternative Wahrheit. Donald Trump hätte es nicht besser hingekriegt

Nun kommt heraus, dass jedes Detail stimmte. In der Bundesgeschäftsstelle der Partei wurde von Lindners früherem Büroleiter sogar ein Plan verschriftlicht – auch dieser lag jetzt Journalisten vor.

Umfrage FDP Bundestag 05.55

Als diese die Partei damit konfrontierten, veröffentlichte die FDP-Führung den Plan kurzerhand lieber selbst. Kontrollierte Sprengung nennt man sowas in der Krisen-PR. Das Problem ist: Damit überführte sich die Parteispitze gleichzeitig selbst der Lüge. 

Christian Lindners Truppe bleibt bei ihren Märchen

Trotzdem bleibt die Truppe um Christian Lindner bei ihren Märchen, die Liberalen seien Opfer einer Medienkampagne. Die Führung der Partei flüchtet in ihre eigene Wirklichkeit, in eine alternative Wahrheit. Donald Trump hätte es nicht besser hingekriegt. Ein Tabubruch in der demokratischen Kultur des Landes.

Christian Lindners Wirtschaftspapier 14.40

Zumal das Ganze nur den Höhepunkt einer monatelangen Folge aus Durchstechereien, Unwahrheiten und kalkulierten Verzögerungen bildet. So ist kein Staat zu machen.

Die Lügenaffäre wird nun zu einer existentiellen Krise für die FDP selbst. Es geht um Vertrauen, um Anstand. Wer soll diesen Männern noch glauben? Wer soll ihnen abnehmen, dass es ihnen um liberale Werte geht und nicht bloß darum, die eigene Haut zu retten? 

Das Verhalten der FDP muss jeden Liberalen schmerzen

Ihr Verhalten muss jeden Liberalen schmerzen. Es bräuchte doch dringend eine regierungsfähige, liberale Alternative im nächsten Parlament. Auch das hat, bei allem Streit, diese Ampel-Regierung gezeigt.

Liberale waren es, die den Bürger vor massiver digitaler Überwachung durch den Staat schützten. Liberale waren es, die als erste ein Stoppschild für noch mehr Bürokratie setzten. Liberale waren es, die gesellschaftliche Mehrheiten für die "Ehe für alle" ermöglichten. 

Der Liberalismus kämpft im besten Fall darum, wo die Grenzen demokratischer Herrschaft zu ziehen sind. Wo Freiheit vor Gleichheit stehen muss.

Und Liberale waren es auch, die sich während der Pandemie gegen die "Anmaßung von Wissen" stellten, also die eine unumstößliche Wahrheit. Heute wissen wir, dass ihre Zweifel am staatlichen Handeln nicht unbegründet waren.

Es braucht jene, die für Freiheit vor Gleichheit kämpfen

Ganz grundsätzlich sind es Liberale, die bei allem Streben nach Gleichheit auch die Freiheit des Einzelnen nicht aus dem Blick verlieren. Der Liberalismus kämpft im besten Fall darum, wo die Grenzen demokratischer Herrschaft zu ziehen sind. Wo Freiheit vor Gleichheit stehen muss. Eine solche Partei braucht es in einer zunehmend autoritären Welt mehr denn je.

Christian Lindner, der derzeitige Chef der FDP, hat sich selbst einmal eine "skeptische Staatsfreundschaft" bescheinigt. Tatsächlich ist das ja die zentrale Pointe des Liberalismus: die Skepsis. Sie trifft die Partei nun selbst. Man weiß nicht mehr, ob Worte der Parteiführung noch einen Cent wert sind.

Die Rücktritte können nur ein Anfang sein

Die Rücktritte von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Lindners Bundesgeschäftsführer können nur ein Anfang sein. Gesicht, Hirn und Machthaber bei den Liberalen ist Lindner selbst. Es scheint unvorstellbar, dass er von alldem nichts gewusst haben will, nicht maßgeblicher Teil der alternativen Wahrheiten an der Parteispitze ist. Wer soll ihm noch trauen?

Für den Liberalismus in Deutschland ist eine Partei mit Christian Lindner an der Spitze keine Vertretung mehr, sondern eine Belastung. Sie stärkt vor allem jene, die liberales Gedankengut ohnehin ablehnen.

Die FDP muss sich jetzt entscheiden, wofür sie stehen will.

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