Die Welt rückt nach rechts? Nicht in Mexiko, wo Präsidentin Sheinbaum wegen der Wirtschafts- und Sozialpolitik ihrer Partei extrem beliebt ist. Ihr Umgang mit US-Amtskollege Trump und dessen Zollvolten hat ihren ersten Monaten im Amt zusätzlichen Schwung verliehen. Doch die Politik des so wichtigen Nachbarn zeigt bereits Wirkung.
In der Nacht zum 10. November zog ein Sturm an Mexikos Horizont auf. Es war klar: Donald Trump würde im Januar eine neue Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten beginnen. Der Republikaner hatte unter anderem immer wieder mit Zöllen gedroht, sogar mit Militäreinsätzen im Nachbarland, um gegen Drogenkartelle und Migration vorzugehen.
Mexiko war über Jahre wirtschaftlich stabil und auf Wachstumskurs - und ist es bislang auch geblieben. Dabei gab es auch in Mexiko-Stadt einen Wechsel an der Staatsspitze: Anfang Oktober 2024 übernahm Claudia Sheinbaum den Staffelstab ihres Vorgängers Andrés Manuel López Obrador - kurz Amlo - und versprach, als Präsidentin dessen Politik der "Vierten Transformation" fortzuführen. Der hatte unter dieser Überschrift 2018 versprochen, die Privilegien der Politik abzubauen, Korruption zu bekämpfen und Sozialprogramme zu verbessern.
Sheinbaum erhielt einen enormen Vertrauensvorschuss und mit fast 36 Millionen Stimmen die meisten Stimmen eines Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte des Landes. Ihr Erfolg wurde trotzdem von Fragen begleitet: Was würde es für sie bedeuten, als erste Präsidentin des Landes zu regieren? Würde Sheinbaum die Lücke ausfüllen können, die Amlo hinterließ? Der Politiker hatte einige seiner Wahlversprechen gehalten und seine einzige erlaubte sechsjährige Amtszeit mit einer Zustimmungsrate von mehr als 75 Prozent beendet.
Die anfänglichen Fragen und Zweifel sind schnell ausgeräumt worden. Nach fünf Monaten im Amt ist die Lage für Sheinbaum hervorragend. In einer jüngsten Umfrage der Zeitung "El Financiero" erreichte die Staatschefin eine Zustimmungsrate von 85 Prozent, das sind rund 15 Prozentpunkte mehr als zu Beginn ihrer Amtszeit. "Es ist seltsam, denn üblicherweise beginnt man in diese Flitterwochenzeit mit einer hohen Zustimmungsrate und dann sinkt sie. Doch Sheinbaums Zustimmungsrate steigt", erklärt Mario Campa, ein unabhängiger mexikanischer Wirtschaftswissenschaftler.
Sheinbaums Beliebtheit dringt auch in alltäglichen Gesprächen deutlich durch. "Wir hatten immer einen männlichen Anführer, aber jetzt haben wir erstmals eine Frau an der Spitze, mit vielen Kompetenzen, Werten, Prinzipien, und vor allem mit akademischem Sachverstand", sagt etwa Fernando Martínez, der in dem beliebten Viertel Iztapalapa lebt: "Sie hat viele solide Argumente, die auf Wissen beruhen", erklärt der 63-jährige Chemiker, der mit seiner Frau und Kindern im Zentrum von Mexiko-Stadt unterwegs ist.
Gründe für die Beliebtheit


Mario Campa
(Foto: privat)
Amlo hat sich die Unterstützung der Bevölkerung verdient, Sheinbaum hat sie geerbt. Campa führt zwei zentrale Gründe an: "Der Mindestlohns, nominal um mehr als 100 Prozent gestiegen, ist eine enorme Erhöhung. Die allein hat Hunderttausende, wenn nicht Millionen Mexikaner aus der Armut geholt." Zweitens hebt der Wirtschaftswissenschaftler die Auswirkungen der Sozialprogramme hervor, von denen das wichtigste die Rentenerhöhungen seien. Zusammen hätten sie zu einem "historischen Rückgang der Armut" geführt, wie Campa sagt.
Die Armutsrate sank von 43,9 Prozent im Jahr 2020 auf 36,3 Prozent im Jahr 2022, wie die Weltbank angibt. 8,8 Millionen Mexikaner seien aus der Armut geführt worden. Vor der Pandemie lag die Rate bei 41,9 Prozent. Die Einkommensungleichheit ist ebenfalls zurückgegangen.
Doch die enorme politische Unterstützung für die "Vierte Transformation" ist nicht nur die Folge der verbesserten Einkommen. Sondern auch aus einer Wahrnehmung heraus, dass beide Regierungen der von Amlo gegründeten national-progressiven Partei Morena die Einnahmen einer wirtschaftlichen Wachstumsphase verteilt haben. Anders als frühere, neoliberaler orientierter Regierungen.
So beschreibt es auch der Fernando Martínez auf der Straße: "Die Situation des Landes ist gut, denn die Vorgängerregierung und die jetzige Regierung haben die Gesellschaft sehr unterstützt." Zuvor hätten die Politiker für sich selbst gewirtschaftet. "Jetzt teilen sie es mit den schwachen der Gesellschaft." Amlo und Sheinbaum "teilen den Reichtum des Landes, denn das Land ist reich", meint er.
Sheinbaum hat in den vergangenen Wochen noch einmal an Zustimmung gewonnen, was auch am Zollstreit mit Trump liegt. Der US-Präsident hatte zweimal allgemeine Zölle von 25 Prozent auf sämtliche Importe aus Mexiko angekündigt, nach Gesprächen mit Sheinbaum jedoch auf den 3. April verschoben. Es ist unklar, ob die nun tatsächlich in Kraft treten - oder etwa nur für Autos gelten werden, die Unternehmen von Mexiko aus in die USA einführen.
Eine derjenigen, die begonnen haben, die Präsidentin zu unterstützen, aber im Oktober nicht für sie gestimmt hatten, ist Ana Laura Gama Cruz. Die staatliche Angestellte im Bereich der Flugsicherung verweist auf Sheinbaums Verhandlungsgeschick. "In der internationalen Situation, in der sich Mexiko befindet, vor allem wegen der Politik von Trump, hat sie Sachlichkeit mit dem Ziel bewiesen, die nationale Unabhängigkeit zu bewahren", erklärt sie ihren Meinungsumschwung: "Das ist die Position einer echten Staatschefin."
Kommende Probleme
Der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahre ist jedoch in Gefahr. Das liegt laut Campa eben an den Spannungen mit Trump wegen der Zölle. "Die enorme Unsicherheit des größten Handelspartners Mexikos, der Vereinigten Staaten, und seiner Politik verursacht viel Unruhe", erklärt der Wirtschaftswissenschaftler: "Investitionsentscheidungen werden aufgeschoben." Im Jahr 2024 betrieben die beiden Länder Handel im Wert von rund 840 Milliarden Dollar, 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA.


Sheinbaum erklärt täglich ihre Ansichten und Politik auf der "Volkskonferenz". Ihr Vorgänger Amlo hatte sie eingeführt.
(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)
Die wirtschaftliche Perspektive hängt also von den US-Grenzgebühren ab: "Wenn die Zollfrage gelöst wird, könnte die zweite Jahreshälfte besser ausfallen als von vielen erwartet, und es könnte zu Aufwärtskorrekturen kommen", meint Campa. Wegen Trump waren die Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2025 immer wieder nach unten angepasst worden, inzwischen liegen sie bei unter 1 Prozent.
Und wie geht Sheinbaum damit um? Die gab an, dass sie einen "Plan A, B und C" habe. Einen Teil dieser Pläne hat sie bereits auf der "Mañanera" genannten Pressekonferenz vorgestellt, die sie täglich um 7:30 Uhr im Nationalpalast abhält. Die wird live übertragen und ist einer der Grundpfeiler der großen Unterstützung für die Präsidentin. Dort erklärt Sheinbaum dem Land ihre Politik.
Die Mexikaner stehen derzeit auch hinter ihr, weil sie gegenüber dem problematischen Nachbarn nicht nachgibt. Und so haben die Spannungen mit Trump ihr öffentliches Bild geschärft und ihre Beliebtheit gesteigert. Das liegt aber ebenso an der Opposition, die es seit Amlos Wahlsieg 2018 nicht geschafft hat, sich neu zu formieren. Angesichts der großen Unterstützung für Sheinbaum wirken ihre politischen Gegner geradezu hilflos. Die erste Präsidentin Mexikos, sie wird nichts dagegen haben.
Übersetzung aus dem Spanischen: Roland Peters