3 months ago

Lässt die Partei Scholz fallen?: Steinbrück wettet auf nächsten SPD-Kanzlerkandidaten



Peer Steinbrück ist einer von vielen ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten - und allein daher befähigt, sich über den nächsten Kandidaten seiner Partei fürs Kanzleramt zu äußern. Dabei hat er eine klare Meinung, ebenso wie beim Thema "Superhirne und Knallchargen" in den einzelnen Parteien.

Der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hält es für nahezu ausgeschlossen, dass die Sozialdemokraten mit Boris Pistorius an der Spitze in den Bundestagswahlkampf ziehen werden. "Ich wette, dass er nicht Kanzlerkandidat der SPD wird", sagte Steinbrück in einem Interview dem "Tagesspiegel".

Zwar werde Pistorius als "handlungsorientiert und pragmatisch" wahrgenommen. "Das ist in diesen Zeiten gefragt, in denen es mehr denn je nicht auf das gut Gemeinte, sondern auf das gut Gemachte und konkrete Ergebnisse ankommt", sagte er. Dennoch werde die SPD an Scholz festhalten: "Einem amtierenden Bundeskanzler die Kandidatur zu verweigern - das wäre ein Novum, um nicht Hammer zu sagen."

Der frühere Finanzminister sprach sich für eine Große Koalition nach der Bundestagswahl 2025 aus. "Sollte sich eine Mehrheit aus SPD und der Union ergeben, hielte ich dies für die beste aller denkbaren Varianten, sofern sich eine solche Große Koalition auf eine Agenda 2030 verständigt und dem Land wieder Zuversicht und Zukunftsvertrauen gibt." Er sehe genügend Schnittmengen zwischen Union und SPD, um für eine starke Wirtschaft mit einer wettbewerbsfähigen Industrie, eine verteidigungsfähige Bundeswehr, einen effizienteren Sozialstaat, Klimaschutz, notwendige Zuwanderung und Anreize für eine gelingende Integration zu sorgen.

Auf die Frage, ob er nachts gut schlafen könnte, wenn der nächste Kanzler CDU-Chef Friedrich Merz wäre, antwortete Steinbrück: "Klar! Es schlafen ja auch Millionen von Unionswählern nach wie vor unter einem Kanzler Scholz gut. Je älter ich werde, desto weniger glaube ich, dass die Verteilung von Superhirnen und Knallchargen einseitig auf die Parteien verteilt sind." Es gebe allerdings "bedenkliche Ausnahmen, wo an den Rändern eine gefährliche Häufung" festzustellen sei.

"Müssen wir mehr arbeiten"

Steinbrück äußerte sich auch zur Arbeitsmoral der Deutschen. Seiner Ansicht nach müssen diese künftig insgesamt mehr arbeiten. "Nicht jeder einzelne, aber gesamtwirtschaftlich müssen wir mehr arbeiten und unsere Produktivität erhöhen. Eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich dürfte den Herausforderungen nicht entsprechen", sagte Steinbrück. "Wenn das hohe Niveau unseres Sozialstaates finanzierbar bleiben soll", so Steinbrück, sei "die Aktivierung von Arbeit" nötig.

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"Nicht wenige glauben offenbar, das hohe Niveau unseres Wohlstandes - nicht für alle, aber für die meisten - und unseres Sozialstaates sei anstrengungslos garantiert, und im Wesentlichen sei die Politik dafür umfänglich verantwortlich", sagte Steinbrück. Das sei "ein Irrtum, den eine ängstlichen Politik selbst über Jahre befördert" habe. Der "Leistungsbegriff" und "Sinn für das Gemeinwohl" sind nach Ansicht Steinbrücks in Deutschlands ins Hintertreffen geraten. "Ich nehme viel Ellbogen bis hin zu Enthemmungen in den Umgangsformen wahr", sagte der Ex-Finanzminister. Er verwies auf eine starke Individualisierung der Gesellschaft "mit Ermunterungen zur Selbstoptimierung".

Steinbrück warf der einstigen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, die Deutschen nicht auf notwendige Veränderungen eingeschworen zu haben. "Frau Merkels Regierungsstil zielte darauf ab, Konflikte zu vermeiden und die Deutschen bloß nicht aufzuschrecken - nach dem Motto ,Sie kennen mich ja'", sagte Steinbrück: "Sie war damit die ideale Projektionsfläche für eine verbreitete Mentalität, nach der sich die Deutschen gern bequem in einer permanenten Gegenwart einrichten wollen. Dieser Haltung gab Merkel Futter."

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