Die VW-Krise wirkt wie ein Sinnbild der Krise des Landes. Aber für die SPD ist sie auch eine Chance. Kommt jetzt der billige Industriestrompreis?
Daniela Cavallo ist in der SPD in diesen Tagen ein gern gesehener Gast. Am Montagmorgen war sie zur Sitzung des SPD-Präsidiums zugeschaltet, am Abend soll Cavallo auch an der Sitzung der Bundestagsfraktion teilnehmen.
Die Betriebsratschefin von Volkswagen kämpft gegen die Kürzungspläne beim deutschen Autobauer, die zu Entlassungen von Mitarbeitern und auch Werksschließungen führen könnten. Und die Sozialdemokraten? Wollen offenkundig keinen Zweifel daran lassen, was sie von den Plänen halten – und auf wessen Seite sie zuvorderst stehen.
"Die SPD steht an der Seite der Industriearbeitnehmer", meint Sebastian Roloff, Mitglied im SPD-Parteivorstand, und sagt dem stern: "Also müssen wir alles dafür tun, deren gut bezahlte tarifliche Arbeitsplätze im Land zu erhalten – und in der Zukunft zu sichern." Roloff sieht dabei auch die Bundesregierung in der Pflicht.
Die Krise bei VW, aber auch die drohende Insolvenz der Meyer-Werft und die defizitäre Stahlsparte von Thyssenkrupp könnten den Sozialdemokraten eine Chance bieten, sich für die Beschäftigten respektive den Erhalt von Arbeitsplätzen einzusetzen – und damit ihr Profil als Arbeitnehmerpartei herauszustellen. Ob das gelingt, ist unklar. Längst wird die VW-Krise auch als Sinnbild der Krise des Landes gesehen, für die die SPD in Mithaftung genommen wird. Dass es ganz offensichtlichen Profilierungsbedarf der Sozialdemokraten gibt, haben die zurückliegenden Europa- und Landtagswahlen gezeigt: Viele Arbeiter sind zu den Extremen und Populisten von AfD und BSW abgewandert. Die SPD als politische Heimat der Arbeiter? Das war einmal, so scheint es.
SPD-Politiker Roloff für Industriestrompreis und Kaufprämie
Dass die SPD den Kampf um sie aufnehmen will, zeigt nicht nur ihr demonstrativer Schulterschluss mit VW-Betriebsratschefin Cavallo. Spitzengenossen wie Parteichef Lars Klingbeil stellen klar, dass die "Leidtragenden der Krise" nicht die Beschäftigten bei VW sein dürften. Klingbeil sprach sich in der "Süddeutschen Zeitung" gegen Entlassungen aus, mahnte nun "zügige" Beratungen zwischen Bundesregierung und Industrie an. Er halte nach wie vor einen Industriestrompreis für eine "gute Option", sagte der SPD-Chef, auch eine weitere Förderung für Kaufanreize von E-Autos könne er sich vorstellen.
Auch Sebastian Roloff, der Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestags ist, wirbt für finanzielle Rückendeckung durch den Staat. "Genauso wie ich von Volkswagen erwarte, dass sie sich als Unternehmen mit Verantwortung an die Standortsicherungen halten, erwarte ich von der Bundesregierung, dass wir alles dafür tun, damit Volkswagen das auch sichern kann." Das erreiche man durch "sichere Strompreise, also einen Industriestrompreis" für die Produktion und durch eine Förderung der Absätze im E-Bereich. "Hier wären eine Kaufprämie und verbesserte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten sinnvoll", meint Wirtschaftspolitiker Roloff.
Staatliche Subventionen sind nicht unumstritten. Die SPD setzt sich zwar seit Längerem für einen Industriestrompreis ein, ist mit ihrer Forderung aber bislang an den Vorbehalten von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Koalitionspartner FDP gescheitert.
Auch ansonsten wirken die Sozialdemokraten gerade nicht, als stimmten sie alles miteinander ab. SPD-Co-Chefin Saskia Esken hatte zuletzt ihre Skepsis gegenüber staatlichen Finanzhilfen zur Stabilisierung des VW-Konzerns geäußert. "Staatliche Prämien für Elektroautos sind ein sinnvolles Instrument", sagte sie dem "Handelsblatt", "doch bei der derzeitigen Haushaltslage ist dafür kein Geld da." Außerdem lasse sich mit politischen Maßnahmen nicht lösen, dass die VW-Spitze die Elektromobilität "lange Jahre nicht ernst genommen" habe. Esken schlug etwa das Modell der Kurzarbeit vor, um den "akuten Problemen" bei VW zu begegnen. "Auch die in der Vergangenheit schon angewendete Viertage-Woche ist ein Modell."
Der SPD geht es nicht nur um ihr Profil als Partei, die Beschäftigte und Betriebe im Blick hat, vor allem der arbeitenden Mitte, sondern auch um ihr Standing in Niedersachsen, SPD-Kernland und Sitz der Volkswagen-Firmenzentrale. Zum Landesverband gehören Spitzengenossen wie Parteichef Klingbeil, Arbeitsminister Hubertus Heil und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Alle drei wollen Werksschließungen verhindern.
Ministerpräsident Weil verlangt eine Wiederauflage der E-Auto-Kaufprämie – der Zuschuss von bis zu 4500 Euro für Neuwagen war Ende vergangenen Jahres weggefallen. Laut Arbeitsminister Heil sei zwar erstmal das Unternehmen am Zug, es seien betriebswirtschaftliche Probleme zu lösen. "Aber das ist ein starkes Unternehmen. Wir werden das politisch flankieren", sagte der Niedersachse.
Die VW-Betriebsratschefin Cavallo dürfte das gern hören.