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Kriegsgefahr: Bunkerbau in Deutschland: Wie steht es um den Zivilschutz im Ernstfall?



Für die Zivilbevölkerung gibt es kaum funktionierende Bunkerplätze und Eigenbauten sind teuer. Der Krieg in der Ukraine zeigt aber auch die Grenzen des Bunkerschutzes.

Norma verkauft online eine kugelsichere Weste für 599 Euro – wenn ein Discounter solche Waren ins Programm nimmt, ist das ein alarmierendes Zeichen. Unklar bleibt, ob die Käufer von Angst vor Kriminalität getrieben werden oder ob sie befürchten, dass bald "der Russe" vor der Tür steht. Die Nachfrage nach solchen Produkten ist seit 2022 gestiegen, parallel zur Unsicherheit durch geopolitische Spannungen.

Und wie steht es um den Zivilschutz im Ernstfall? Der deutsche Staat verfügt noch über 579 öffentliche Schutzräume, die dem Zivilschutz dienen. Laut dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bieten sie Platz für etwa 477.593 Personen. Die meisten dieser Räume sind jedoch nicht sofort einsatzbereit. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden sie vernachlässigt, teilweise verkauft oder umgenutzt. Der Bestand in staatlicher Hand könnte reaktiviert werden. In Ländern wie der Schweiz bieten die Schutzräume dagegen fast der gesamten Bevölkerung Platz.

Bunker schützen nicht ewig

Im optimalen Zustand schützen diese Räume nicht nur vor Bomben, sondern sind auch mit Luftfiltern ausgestattet und können die Insassen einige Tage mit Wasser und Nahrung versorgen. Es handelt sich jedoch nicht um Endzeitbunker, wie sie Superreiche bauen oder wie sie typischerweise für Regierungs- und Militärspitzen angelegt werden. Solche Anlagen sollen ihre Bewohner über längere Zeiträume schützen und direkten Angriffen standhalten. Öffentliche Schutzräume hingegen bieten bei einem Krieg mit Atomwaffen und langfristiger Verseuchung keinen ausreichenden Schutz – sie würden den Moment, an dem man an die Oberfläche zurückkehren muss, nur um Tage bis maximal zwei Wochen verzögern. Für den schlimmsten Fall, eine großflächige atomare Verseuchung, gibt es für die normale Bevölkerung keine Absicherung. Anders sieht es bei Luftangriffen oder Raketen mit konventionellen Sprengköpfen aus.

Welcher Schutz ist nötig?

Die Fantasie schweift gern zu extremen Szenarien – vom großen Atomkrieg bis zur Zombieapokalypse. Realistischer lässt sich die Lage im Krieg zwischen Russland und der Ukraine betrachten. Systematische Bombardierungen von Wohngebieten als primäre Strategie sind selten, der Fokus liegt meist auf militärischen Zielen; dennoch gibt es massive Schäden an zivilen Gebieten, etwa an der Front. Dort werden Städte und Dörfer regelrecht dem Erdboden gleichgemacht. Die Ukraine versucht jedoch, diese Zonen zu evakuieren. Zivilisten, die während der Kämpfe bleiben, haben sich der Räumung widersetzt. Drohnenangriffe auf Energieinfrastruktur gefährden die Zivilbevölkerung indirekt, haben aber mit Schutz durch Bunker nichts zu tun.

Keine systematischen Angriffe bedeuten nicht, dass es keine zivilen Opfer gibt. Im Duell zwischen Luftabwehr und Flugobjekten gilt: "Alles, was hochgeschossen wird, kommt auch wieder herunter." Das betrifft Geschosse von Maschinengewehren und Kanonen. Abgefangene oder irregeleitete Flugkörper stürzen irgendwo ab und können dort explodieren. Dasselbe gilt für Abfangraketen, die ihr Ziel verfehlen. Eine Besonderheit des Ukraine-Krieges ist die verschwimmende Grenze zwischen ziviler und militärischer Nutzung: Militärgüter werden mit zivilen Transportern bewegt und in normalen Lagerhallen versteckt. Wer sich in der Nähe aufhält, gerät in Gefahr.

Was bedeutet das für Deutschland?

Auch ohne Atomkrieg oder systematische Bombardierungen von Wohngebieten ist die Bevölkerung gefährdet und sollte Schutz vor "Zufallstreffer" suchen. Das kann in öffentlichen Schutzräumen, geeigneten Kellern oder unterirdischen Bahnhöfen geschehen – wie Bilder aus der Kiewer U-Bahn zeigen. Für Decken, Wasser und Verpflegung muss man dort selbst sorgen. Da Städte nicht komplett zerstört werden und Taktiken wie das Entfachen eines Feuersturms unwahrscheinlich sind, können solche Treffer in vielen Kellern überstanden werden. Selbst wenn der Eingang verschüttet wird, können Insassen rechtzeitig befreit werden. Das BBK empfiehlt zudem einen 14-tägigen Notvorrat für den Fall von Stromausfällen oder Evakuierungen.

Das Problem dieser Luftkriegsführung ist die Ermüdung der Bevölkerung. Die Menge an Raketen, Marschflugkörpern und vor allem Drohnen, die gegen die Ukraine eingesetzt werden, ist enorm. In einem möglichen zukünftigen Konflikt wären noch höhere Zahlen zu erwarten – wir stehen erst am Anfang einer wirklich industriellen Rüstungsproduktion. In Ballungszentren oder nahe strategisch wichtigen Einrichtungen könnte es Nacht für Nacht und Tag für Tag Luftalarm geben. Doch niemand wird sein gesamtes Leben in einem Keller verbringen wollen, solange die Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer zu werden, gering bleibt. Die meisten Menschen werden abstumpfen und nach einiger Zeit wieder im eigenen Bett schlafen.

Alternative: eigener Schutzraum

Länder wie die Schweiz und Finnland fördern den Bau privater Schutzräume; teilweise war er dort sogar Pflicht. In Deutschland gibt es zumindest Überlegungen in diese Richtung. Das Problem: Auch ein Schutzraum hat seinen Preis. Sollte für jede Wohnung ein zusätzlicher Bunkerplatz entstehen, würde Wohnen noch teurer werden, als es ohnehin schon ist. Ein vollwertiger Schutzraum mit Notstromaggregat, Wasser, Lebensmitteln und Luftfiltern verursacht zudem laufende Kosten für Wartung und den regelmäßigen Austausch der Vorräte. Ein simpler, stark betonierter Kellerraum mit geschützten Eingängen und grundlegender Luftversorgung ist günstiger. Die Regierung prüft aktuell, ob öffentliche Gebäude wie Schulen als Schutzräume dienen könnten. Schon wegen der großen Fensterflächen ist das allerdings eine abwegige Idee.

Schutz ist teuer

Eigenheimbesitzer können selbst entscheiden, müssten aber hohe Kosten tragen. Grob geschätzt beginnen die Preise bei 30.000 bis 40.000 Euro für einen armierten Schutzraum bei einem Neubau. Mit höherem Schutzlevel und besserer Ausstattung liegen die Kosten eher bei 60.000 Euro. Ein nachträglicher Einbau – im Keller oder separat im Garten – wird deutlich teurer und kann leicht die 100.000-Euro-Marke überschreiten. Auch hier gilt: Solche Anlagen bieten nur kurzfristigen Schutz und sind nicht für monate- oder jahrelanges Überleben ausgelegt. Und lohnt sich das überhaupt? Stellen wir uns vor, man lebt in einem Vorort von Kiew und besitzt einen Schutzraum: Würde man dort jahrelang mit der Familie schlafen? Oder bei Luftalarm Nachmittage und Abende in dem engen Raum verbringen? Würde der pubertierende Nachwuchs mitmachen? Zweifel sind erlaubt. Ein Fakt bleibt aber: Sollten Kampfhandlungen am Boden die eigene Stadt erreichen, wäre so ein Raum natürlich sehr nützlich.

Deutlich günstiger ist es, einen Notvorrat für Krisenzeiten anzulegen – mit Lebensmitteln und vor allem Wasser. Dazu kann ein kleines Notstromaggregat oder ein großer mobiler Akku sinnvoll sein. Die Norma-Weste mit Stahlplatten ist relativ schwer und bietet Schutz vor Handfeuerwaffen. Bei einem Messerangriff würde sie den Träger eher behindern als schützen. Gegen militärische Gegner, etwa "den Russen", ist sie nutzlos. Im Ukraine-Krieg tragen Soldaten meist Westen mit Schurz, da Gegner auf den Unterleib zielen.

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