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Insel der Intrigen: Die wahren Ereignisse hinter dem Film „Eden“



Mit „Eden“ erhält eines der mysteriösesten Verbrechen der deutschen Geschichte erstmals eine Hollywood-Verfilmung – doch wie genau hält sich der Thriller an die wahre Geschichte?

Seit den 1930er-Jahren zieht die geheimnisvolle Galapagos-Affäre Menschen weltweit in ihren Bann. Die nebulösen Todesfälle und teils widersprüchlichen Zeitzeug*innen-Berichte rund um das Aussteiger-Märchen auf der Insel Floreana kurbeln bis heute die Gerüchteküche an.

Auch Hollywood-Regisseur Ron Howard hegt seit vielen Jahren eine Faszination für die ungeklärte True-Crime-Geschichte und verfilmt diese nun mit einem prominenten Cast. Seit dem 3. April 2025 läuft Howards Thriller „Eden“ in den deutschen Kinos. Wir verraten euch, wie nah „Eden“ an die wahre Geschichte herankommt.

Einen ersten Eindruck in die starbesetzte True-Crime-Verfilmung liefert der Trailer:

Ihr möchtet eine spoilerfreie erste Meinung zum Film lesen? Hier erfahrt ihr, ob sich ein Kinobesuch für „Eden“ lohnt:

Film und Verbrechen im Vergleich: Die größten Überschneidungen und Unterschiede

– Achtung, es folgen Spoiler zum Film „Eden“! –

Der Schauplatz des Verbrechens: Floreana

Im Jahre 1929 gehen der deutsche Arzt Friedrich Ritter und seine Partnerin Dore Strauch als die ersten offiziellen Siedler*innen Floreanas in die Geschichte ein. Doch die bergige, vulkanische Galapagos-Insel war zuvor keineswegs unberührt, wie auch einige Details im Film verraten. Wegen ihres Süßwasservorkommens wurde die Pazifik-Insel im 17. Jahrhundert von Piraten genutzt. Als 1932 das Ehepaar Wittmer mit Sohn Harry auf Floreana ankommt, besiedeln sie eine der Höhlen im Inselinneren, die ein Überbleibsel der Piraten sind. Vermutlich wurden von diesen frühen Inselbewohnern außerdem Haus- und Nutztiere nach Floreana gebracht, die anschließend verwilderten. Dass die Wittmers im Film Tiere domestizieren und Dore Strauch eine besondere Verbindung zu einem zahmen Esel hat, ist demnach historisch belegt.

Friedrich Ritter und Dore Strauch

In „Eden“ spielt Jude Law den unberechenbaren ehemaligen Arzt und Hobby-Philosophen Friedrich Ritter. Die Szene, in der er die neu angekommenen Wittmers splitterfasernackt begrüßt, basiert auf Margret Wittmers tatsächlichen Schilderungen. Ritter galt als Exzentriker, der für sein Ideal eines Lebens abseits der Konventionen extreme Wege ging – etwa, indem er sich vor der Reise nach Floreana alle Zähne zog, um Infektionen zu vermeiden. Im Film trägt der zahnlose Law daher zum Essen ein stählernes Gebiss – anders als Vanessa Kirby als Dore Strauch, die den historischen Tatsachen entsprechend ihre Zähne behält.

Allerdings gibt es in „Eden“ eine emotional aufgeladene Szene, in der Ritter seiner Lebensgefährtin ohne Betäubung einen entzündeten Zahn zieht. Die grobe Behandlung Strauchs seitens Ritter deckt sich mit Augenzeugenberichten, die eine zunehmend toxische, bisweilen missbräuchliche Beziehung zwischen Friedrich Ritter und Dore Strauch schildern. In ihrem Buch „Satan Came To Eden“ widerspricht Strauch dieser Darstellung allerdings. Strauchs Erkrankung an Multipler Sklerose und Ritters Versuch, sie mit Naturheilkunde zu heilen, ist wiederum historisch belegt. Der Film greift zudem Ritters widersprüchliche Philosophie auf: Obwohl er den Vegetarismus predigte, aß er regelmäßig Fleisch – ein Detail, das für seinen späteren Verfall symbolisch wird.

Margret Wittmers traumatische Geburt

Eine der eindrücklichsten Szenen in „Eden“ zeigt Sydney Sweeney als Margret Wittmer bei der traumatischen Geburt ihres Sohnes Rolf. Umringt von wilden Hunden bringt sie ganz alleine den ersten offiziellen Einwohner der Insel zur Welt. In dieser Szene hat Regisseur Ron Howard mit Sicherheit filmische Mittel genutzt, um die Spannung auf den Höhepunkt zu treiben. Tatsächlich berichtet Margret Wittmer in ihrem Buch „Postlagernd Floreana: Ein deutsches Familienabenteuer auf den Galápagos-Inseln“, dass die Geburt unter extremen Bedingungen, ohne ärztliche Hilfe und zwischen wilden Hunden geschah.

Auch dass die Wittmers inmitten dieser verletzlichen Lage um Teile ihres Proviants und Werkzeugs bestohlen wurden, soll tatsächlich wahr sein. Die genauen Umstände des Diebstahls bleiben unklar, es stehen allerdings vor allem die Baronin und ihre Begleiter in Verdacht. In „Eden“ werden die Geliebten der Baronin eindeutig als Diebe inszeniert.

Die Baronin und ihr Liebesdreieck

Die Baronin Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet kam 1932 mit dem Ziel nach Floreana, dort ein Luxusresort zu errichten. Begleitet wurde sie von zwei deutlich jüngeren Männern, Robert „Bubi“ Philippson (Toby Wallace) und Rudolf Lorenz (Felix Kammerer). Ana de Armas („Blond“) führt in der Verfilmung „Eden“ als die sogenannte „Baronin“ eine intime Beziehung zu ihren zwei Begleitern. Tatsächlich bestätigen die Überlieferungen das Liebesdreieck auf der Galápagos-Insel Floreana.

Berichte der anderen Inselbewohner*innen beschreiben eine polyamore Beziehung zwischen den dreien, wobei Philippson als der bevorzugte Liebhaber und Lorenz als eher unterwürfig und unglücklich gezeichnet wurden.

Lorenz soll unter der Situation psychisch stark gelitten haben, sich aber aus Angst und Abhängigkeit nicht habe lösen können. Wie die Baronin ihre Liebhaber gezielt gegeneinander ausspielt und Lorenz zunehmend daran zugrunde geht, greift der Film also Augenzeug*innenberichten nach authentisch auf.

Die Intrigen der Baronin

Die Baronin Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet gilt als eine der schillerndsten und zugleich umstrittensten Figuren der sogenannten Galápagos-Affäre. Weder ihr Adelstitel noch ihr vermeintlicher Reichtum und ihre Herkunft konnten je eindeutig geklärt werden. Zeitzeug*innen – insbesondere Margret Wittmer und Friedrich Ritter – schildern zahlreichen Intrigen, die die Baronin auf Floreana gesponnen haben soll. Zu großen Teilen greift „Eden“ diese auf.

Neben der Manipulation ihrer zwei Begleiter, soll die Baronin auch vor den anderen Inselbewohner*innen Machtansprüche geltend gemacht haben. Als selbsternannte Herrscherin Floreanas benutzte sie angeblich Drohungen, Einschüchterungen und psychologischen Druck, um anderen Siedler*innen ihren Willen aufzuzwingen.

Hinzu kommen die vermuteten Diebstähle und Versuche, die anderen Bewohner*innen gegeneinander auszuspielen. So soll die Baronin tatsächlich den Postverkehr kontrolliert haben, Gastgeschenke wohlhabender Inselbesucher*innen für sich beansprucht haben und mutmaßlich sogar indirekt für den Tod von Dore Strauchs geliebtem Esel verantwortlich gewesen sein.

Ob die Baronin tatsächlich eine kaltblütige Intrigantin war oder Opfer von Rufmord und Konkurrenzdenken wurde, lässt sich rückblickend schwer klären, schließlich konnte sie sich nie zu den Vorfällen auf Floreana äußern. Ein Faktor, der jedoch die Aussagen der anderen Siedler*innen untermauert, sind Zeitzeugenberichte externer Besucher Floreanas. So wurden ein norwegischer Jäger erheblich verletzt und ein dänischer Kaufmann durch einen Bauchschuss der Baronin lebensbedrohlich verwundet. Dieses düstere Kapitel aus der Geschichte der Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet lässt der Film „Eden“ außenvor.

Die wahren Mörder von Floreana

Bis heute ist ungeklärt, wer für das spurlose Verschwinden der Baronin Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet und ihres Partners Robert Philippson verantwortlich ist. Margret Wittmer zufolge kündigte die Baronin am 26. März 1934 an, die Insel mit Philippson per Jacht Richtung Tahiti zu verlassen. Danach wurden beide nie wieder gesehen. Rudolf Lorenz, ihr Begleiter, verkaufte daraufhin das gesamte Hab und Gut der Baronin an Friedrich Ritter und die Wittmers.

Investigative Berichte über die Vermissten von Floreana, wie John Trehernes „Verloren im Paradies“, schließen eine freiwillige Abreise per Boot aus. Stattdessen liegt ein Doppelmord nahe – Hauptverdächtiger: Rudolf Lorenz, der aus Eifersucht und Verzweiflung gehandelt haben könnte.

Auch Friedrich Ritter gerät in Verdacht, da er nachweislich einen Hass auf die Baronin hegte und widersprüchliche Aussagen machte. Statt die Ambivalenz der uneindeutigen Galapagos-Affäre zu wahren, wird der Fall in „Eden“ eindeutig geklärt und erstmalig so ausgelegt, dass alle 3 Männer, Wittmer, Ritter und Lorenz, an dem Doppelmord beteiligt sind.

Zu dritt stürmen sie im Film die Hacienda Paradiso, Wittmer ersticht Philippson, anschließend erschießt Ritter die Baronin. Gemeinsam beseitigen sie die Leichen im Meer und erzählen ihren Frauen nichts von der Tat. Diese Deutung trifft der Film zwar rein spekulativ, aber dem geringen Tatbestand nach dennoch stimmig.

Auch die anschließend im Film gezeigte Vergiftung Ritters durch Strauch ist nicht bestätigt, liegt aber tatsächlich nahe. Ritter starb an den Folgen einer Vergiftung durch schlechtes Hühnerfleisch, welches ihm seine Partnerin zubereitete.

Im Nachhinein wies Strauch den Vorwurf von sich. Tatsächlich wusste sie aber nachweislich um die Gefahren einer solchen Infektion, im Film kommt der entscheidende Hinweis hierzu von Margret Wittmer selbst, was allerdings reine Spekulation ist.

Auch dass Dore Strauch die Wittmers erst um Hilfe für ihren kranken Mann bat, als es bereits zu spät war, entlastet sie nicht. Die Ermittlungen der ecuadorianischen Behörden blieben damals oberflächlich – ein Umstand, den „Eden“ ebenfalls thematisiert.

Fazit

Insgesamt lässt sich festhalten, dass „Eden“ stark auf historische Authentizität setzt und einen der rätselhaftesten True-Crime-Fälle der deutschen Geschichte erstmals groß für die Leinwand rekonstruiert. Ein wichtiger Punkt für das realistische Erscheinungsbild des Films ist sicherlich, dass die Dreharbeiten tatsächlich auf Floreana stattfanden und das Kreativteam die Kulisse historischen Fotografien nachempfand. Lediglich bei der Beantwortung einiger ungeklärter Aspekte bedient sich Regisseur Ron Howard filmischer Freiheit, driftet dabei jedoch nie in absurde Verschwörungstheorien ab.

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