Die Flexirente sollte es für Senioren attraktiver machen, trotz Rentenbezug einen Nebenjob anzunehmen. Das sollte beim Arbeitskräftemangel helfen. Hat das Gesetz etwas gebracht?
„Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, besteht ein Anspruch auf Teilrente. Die Teilrente wird berechnet, indem ein Zwölftel des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Betrages zu 40 Prozent von der Vollrente abgezogen wird …“ (§34 Abs. 3 SGB VI, seit 2023 gestrichen)
Bis 2035 werden rund sieben Millionen Fachkräfte vom Arbeitsmarkt verschwinden. Die Babyboomer gehen in Rente und reißen eine riesige Lücke. Um sie zu längerem Arbeiten zu bewegen, hat die Ampelregierung Anfang 2023 die Zuverdienstgrenzen gestrichen. Wer vorzeitig in Rente geht, aber in einem Nebenjob weiterarbeitet, darf nun beliebig viel hinzuverdienen, ohne dass seine Rente gekürzt wird. Er muss lediglich Steuern zahlen. Ein Durchbruch in einem starren System, das zuvor Rentner abschreckte, allzu viel zu arbeiten.
Bis Juli 2017 gab es monatliche Hinzuverdienstgrenzen; wer diese überschritt, musste massive Rentenkürzungen hinnehmen. Danach wurde die Regelung sukzessive gelockert (Flexirentengesetz). So konnten Bezieher einer vorgezogenen Altersrente jährlich bis zu 6300 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen. Ein höherer Zuverdienst wurde nur noch zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Rentner, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze noch arbeiten, können weiter freiwillig Rentenbeiträge einzahlen. Für jeden nach der Altersgrenze gearbeiteten Monat erhalten sie eine um 0,5 Prozent erhöhte Rentenleistung – pro Jahr also sechs Prozent mehr Rente. Das Flexirenten-Gesetz habe „die Attraktivität, während eines Rentenbezugs weiterzuarbeiten, deutlich erhöht“, heißt es bei der Deutschen Rentenversicherung.
STERN PAID 10_23 Fachkräftemangel Rentner 20.34
Flexirente ist kein Schlager
Die Wirkung ist allerdings bisher noch überschaubar: So ist die Zahl der Flexirentner seit 2018 zwar leicht gestiegen, um rund 40.000 bei den Frührentnern auf 245.000 im Jahr 2022, bei den regulären Rentnern kletterte die Zahl um 81.286. Insgesamt bezogen rund 1,4 Millionen Menschen 2022 eine Teilrente und arbeiteten nebenher, so die Zahlen der Rentenversicherung. Angesichts von über 20 Millionen Rentnern in Deutschland ist das jedoch ein Klacks.
Ob die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze 2023 zum Booster der Flexirente wird, ist fraglich; noch liegen keine Zahlen vor. Die Ampel wollte den Rentenaufschub weiter versüßen und lockt mit 22.000 Euro vom Staat für jedes Jahr, das man länger arbeitet. Wer mit 70 statt mit 67 Jahren in Rente geht, soll 66.000 Euro auf einen Schlag erhalten – bezahlt von der Deutschen Rentenversicherung. Das Arbeitgeberlager wirbt indes für eine andere Lösung: „Bevor Anreize für einen längeren Verbleib im Arbeitsleben geschaffen werden, sollten zunächst einmal alle Anreize zur Frühverrentung beendet werden.“
Testurteil: ausreichend