10 hours ago

Klage gegen TV und Zeitung: Trumps Rachefeldzug ist jetzt schon in vollem Gange



Gegen die sogenannten "Mainstream-Medien" wettert Trump schon seit Jahren. Mittlerweile lässt er seinen Drohungen Taten folgen. Erfolgreich verklagt er den Sender ABC News und reicht Klage gegen eine Tageszeitung in Iowa ein - wegen einer für ihn unvorteilhaften Umfrage. Geht das jetzt so weiter?

Donald Trump und die Medien, eine Liebesbeziehung war das nie. "Offene Feindschaft" trifft es schon eher, wenn man sich seine Äußerungen der vergangenen Jahre anschaut. Die wohl haarsträubendste davon war: "Die Medien sind Feinde des Volkes" - was er kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 behauptete. Wobei, man muss genauer hinschauen: Er meinte vor allem jene Sender, Zeitungen und Webseiten, die er als "Mainstream-Medien" bezeichnet.

Medien, die große Reichweite haben, wie "New York Times", NBC oder CNN und kritisch über ihn berichten - denn der ebenfalls reichweitenstarke, aber freundlich gesinnte Sender Fox News gerät selten in sein Visier. Heben Magazine ihn aufs Titelblatt oder loben ihn in langen Beiträgen, feiert er sich dafür. Aber wehe, wenn sie das Gegenteil wagen.

Nicht erst seit seinem Wahlsieg führt Trump einen offenen Rachefeldzug gegen diese "Mainstream-Medien". Jüngst machte ein Urteil in seiner Auseinandersetzung mit ABC News Schlagzeilen, nun verklagte er eine Regionalzeitung aus Iowa, den "Des Moines Register", der in der namensgebenden Hauptstadt erscheint. Das sind nur zwei Beispiele einer Klagewelle gegen Redaktionen und Medienunternehmen.

Vergewaltigung oder Missbrauch?

Im Falle von ABC News hatte sich Star-Moderator George Stephanopoulos nicht ganz korrekt über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Trump geäußert. Eine New Yorker Jury hatte es als erwiesen angesehen, dass er eine Frau, die Autorin E. Jean Carroll in den 90er Jahren mit einem Finger penetriert hatte. Bis vor kurzem wurde so eine Tat in New York aber nicht als Vergewaltigung definiert, sondern lediglich als Missbrauch. Entsprechend wurde Trump vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Der zuständige Richter hatte aber genau das noch einmal eigens ausgeführt und gesagt, Trump habe die Frau in einem erweiterten Sinne des Wortes vergewaltigt.

In einem Interview mit der Republikanerin Nancy Mace hatte Stephanopoulos gesagt, Trump sei wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Da das Urteil aber "nur" ein Missbrauch konstatierte, schickte Trump seine Anwälte los. Zwar hatte Trump insofern recht, als er nicht der Vergewaltigung überführt worden war. Stephanopoulos hatte aber auch gute Argumente, da der Richter selbst von einer Vergewaltigung gesprochen hatte. Kurzum: Eindeutig war die Sache nicht.

Bis hierhin wäre das alles eher eine Randnotiz. Denn zu erwarten wäre gewesen, dass Stephanopoulos Sender, ABC NEWS, sich vor seinen Moderator gestellt hätte. Anfangs tat er das auch. Doch dann knickte er ein. Nachdem der Versuch gescheitert war, Trumps Klage abzuweisen, einigte man sich auf einen Vergleich. Der Sender muss nun 15 Millionen Dollar zahlen, die eine Trump gewidmete Präsidenten-Bibliothek finanzieren soll. Außerdem zahlt er eine Million Dollar Anwaltskosten von Trump.

Business wichtiger als Pressefreiheit?

Liberale Kommentatoren sind empört. "Ein tiefer Tiefpunkt für ABC News" kommentierte Eric Wemple in der "Washington Post". Von einer "großen Kapitulation" schrieb Michelle Goldberg in der "New York Times" und meinte damit nicht nur ABC News, sondern "mächtige Amerikaner" insgesamt. Sie nannte aber ABC News als "schockierendstes Beispiel der Woche". Der Kommentator John Heilemann sagte im Politik-Podcast "Hacks on Tap": "Wir sehen hier, wie Großunternehmen und Medien vor Trump niederknien."

ABC News gehört der Disney Corporation. Nun steht der Verdacht im Raum, hier sei Business wichtiger als Pressefreiheit gewesen. Einmal könnte es darum gegangen sein, die Prozesskosten zu begrenzen. Aber womöglich auch darum, sich mit Trump gut zu stellen. Denn als Präsident könnte er sein Amt für persönliche Rachefeldzüge nutzen, daran zweifelt wohl niemand mehr. Nicht zuletzt hatte Trump damit gedroht, ABC News könnte seine Lizenz verlieren. Einen ähnlichen Verdacht zog Amazon-Gründer Jeff Bezos auf sich, dem auch die "Washington Post" gehört. Vor der Wahl hatte er verhindert, dass die Zeitung offen die demokratische Kandidatin Kamala Harris unterstützt. Vielleicht weil er für sein Weltraum-Unternehmen Blue Origin auf Aufträge der Trump-Administration hofft?

Immerhin, wenn Trump gegen einen riesigen Sender in der Hand von Disney vor Gericht zieht, hat das zumindest den Anschein von Chancengleichheit. Und immerhin hatte Trump einen Punkt. Den Vorwurf, sich ungenau ausgedrückt zu haben, konnte man Stephanopoulos machen - auch wenn er das sagte, was auch der Richter selbst gesagt hatte.

Anders sieht es bei der Regionalzeitung "Des Moines Register" aus. Ein anderes Motiv außer Rache ist kaum zu erkennen. Die Zeitung hatte kurz vor der Präsidentschaftswahl am 5. November eine Umfrage veröffentlicht, in der Harris überraschend stark dastand. Die Umfrage sorgte für viel Wirbel und befeuerte die Fantasie der Demokraten. Das Wahlergebnis sah dann ganz anders aus - Trump gewann den Bundesstaat souverän, die Umfrage hatte komplett danebengelegen. Über die Gründe wurde gerätselt. Trump verklagt die Zeitung nun wegen "dreister Wahleinmischung" - eben wegen jener Umfrage.

Verantwortlich dafür zeichnete die Meinungsforscherin J. Ann Selzer, die sich über Jahre einen exzellenten Ruf aufgebaut hatte. Ihre Umfrage galt vielen als "Gold-Standard" und wurde besonders ernst genommen. Selzers Ruf allerdings war ruiniert, sie trat anschließend zurück. Dass sie absichtlich die Wahl beeinflussen wollte, ist wenig glaubhaft. Von einer Klage hielt das Trump aber nicht ab.

Klima der Angst

Womöglich geht es auch gar nicht darum, zu gewinnen. "Bei den Klagen geht es nicht so sehr darum, zu gewinnen, als zu drohen", sagte die Jura-Professorin und Buchautorin Samantha Barbas der "New York Times". Sie unterrichtet am Iowa College of Law. "Es ist klar, dass Trump Krieg gegen die Presse führt", sagte sie.

Trump selbst macht gar keinen Hehl daraus. Auch nicht daraus, dass es ihm darum geht, die Glaubwürdigkeit der Presse zu untergraben, damit Kritik an ihm abperlt. Dieses Muster ist seit Jahren zu beobachten. Nun wird er aber nicht mehr nur ein grummelnder, alternder Milliardär in einem Golfclub in Florida sein. Sondern Präsident der Vereinigten Staaten.

Als solcher hat er bereits angekündigt, künftig den Generalstaatsanwalt und Justizminister für seine Strafaktionen einzuspannen. Für die Pressefreiheit sind das in der Tat keine guten Nachrichten. Dabei geht es nicht nur um die Details der Einzelfälle, sondern um das Klima, das entsteht. Trump schüchtert die freien Medien ein. Während ihm zu viele seiner Fans die Mär glauben, die Medien seien auch ihre Feinde.

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