
Die ersten zwei Monate der US-Regierung deuten nur in eine Richtung: Konfrontation. Auch in der Justiz versucht Präsident Trump, seine Macht maximal auszuweiten. Am Ende wird der Supreme Court entscheiden, wie sehr sich das politische System verändert.
Donald Trumps Wahlkampf fand vor Gericht statt. Den Erfolg seiner Präsidentschaft wird er sich ebenfalls dort erstreiten müssen - aller Voraussicht nach vor dem Supreme Court. In den ersten zwei Monaten seiner Amtszeit ist Trump mit einem ungeheuren Tempo vorangeprescht, über den Kongress und Kontrollinstanzen hinweg, ohne viel Rücksicht auf das Gesetz. Doch langsam, aber sicher kommt die Regierung um Trump, inklusive seines mächtigen, superreichen Sparkommissars Elon Musk, in Reichweite der Justiz. Trump wirft ihr Steine in den Weg, um sie aufzuhalten - aber sie holt auf.
Derzeit sind 127 Klagen gegen seine Politik und Regierung anhängig, gibt die New York University an. Trumps Justizministerin Pam Bondi sprach am Mittwoch sogar von mehr als 160. Viele davon richten sich gegen die Dekrete des Präsidenten. Die flattern seit dem Tag der Vereidigung nur so über den Schreibtisch. Fast täglich lädt das Weiße Haus ausgewählte Presse ein, die ihm Fragen stellen kann, während er im Oval Office per fettem Filzmarker seine Unterschrift auf die Dokumente hakelt. Es sind bereits fast 100 davon. Zum Vergleich: Vorgänger Joe Biden ordnete in seiner gesamten vierjährigen Amtszeit 162-mal Maßnahmen per Dekret an.
Trump fordert seit dem ersten Tag die Gewaltenteilung heraus, nicht nur die Judikative. Der Kongress hat sich ihm praktisch unterworfen, aus den dortigen republikanischen Reihen ist kein ernsthafter Widerstand erkennbar; obwohl ihr Präsident sie entmachtet. Trump und Musk frieren Gelder ein, die vom Parlament bewilligt wurden, gehen aggressiv gegen Behörden vor, die dort gegründet wurden, regiert per Dekret statt mit ausdrücklicher Unterstützung der Legislative.
"Nun lassen sie ihn es durchsetzen"
In Trumps Fall haben inzwischen in mehr als einem Dutzend verschiedener Fälle Richter niedrigerer Instanzen entschieden, dass die US-Regierung geltendes Recht gebrochen habe. Auch in dieser Woche hat es bereits wichtige Urteile gegeben: das abrupte Ende der internationalen humanitären Hilfen via USAID stoppte ein Richter. Ein anderes Gericht kassierte die Argumentation für den Ausschluss von Transgender-Soldaten ein. Etwa 0,3 Prozent des militärischen Personals ist betroffen.
Die Urteile, die seine Maßnahmen verzögern, sind zwar nicht endgültig, da Trump grundsätzlich in Berufung geht. Aber zugleich sehen Politologen darin eine Strategie: Die Exekutive ignoriert Gesetze oder reizt sie maximal aus, um mehr Macht auf das Weiße Haus zu vereinen. US-Vizepräsident J.D. Vance brachte es bereits vor Wochen mit einem angeblichen Zitat des berüchtigten Präsidenten Andrew Jackson (1829 bis 1837) auf den Punkt: "(Der Richter) hat seine Entscheidung getroffen, nun lassen sie ihn es durchsetzen." Jackson war überzeugt, seine Interpretation der Verfassung sei gleichwertig mit der des Supreme Court.
Ein Konflikt ist auch über Abschiebungen ausgebrochen. Trumps Regierung hatte am Wochenende auf Basis eines Gesetzes von 1798 über "ausländische Feinde" Hunderte Venezolaner nach El Salvador ausgeflogen, wo sie in die Hochsicherheitsgefängnisse verfrachtet wurden. Ein Richter verordnete einen Abschiebestopp, aber da waren die Flugzeuge laut US-Regierung schon in der Luft und über der südlichen Landesgrenze. "Oopsie … too late", twitterte "Bitcoin-Diktator" Nayib Bukele samt lachendem Emoji. Zu spät.
Der Richter ordnete die genaue Dokumentation über den Flug an, um feststellen zu können, ob die Regierung ihn ignoriert hatte. Gegen diesen Richter wütete Trump, forderte seine Absetzung. Musk fabulierte einen "Putsch" der Judikative gegen das Weiße Haus herbei. Der Vorsitzende Richter des Supreme Courts, John Roberts, gab jedoch ein kleines Kontra: Dies sei nicht der angemessene Weg, wenn jemand mit einer Entscheidung nicht einverstanden sei - sondern eine Berufung, schrieb der Konservative.
Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt eskalierte weiter und behauptete, der verantwortliche Richter James Boasberg habe keine Verfügungsgewalt über die Entscheidung des Präsidenten, sei wie andere Kollegen ein "Aktivist der Demokraten", der von Ex-Präsident Barack Obama ernannt worden sei. Er versuche, die Politik des Präsidenten zu diktieren und müsse vom Supreme Court "unter Kontrolle gebracht werden". Sie wiederholte damit in anderen Worten, was Trump sagte: Der Richter sei ein "radikaler Linker".
Boasberg wurde jedoch vom Republikaner George W. Bush ins Amt gebracht, Obama beförderte ihn nur. Leavitts Argument ist zudem völlig krumm - Richter sind unabhängig in ihren Entscheidungen. Der Supreme Court kann niemanden "unter Kontrolle bringen", sondern nur bei Berufungen niedrigere Instanzen überstimmen oder ihre Urteile zur Neubewertung in einem definierten Rahmen zurückverweisen. Und ein "radikaler Linker" ist in Trumps Welt ohnehin fast jeder, der ihn politisch herausfordert.
Auf dem Weg zum Supreme Court
Um in Zukunft - auch mögliche republikanische Nachfolger nach einem Ende seiner Amtszeit- nicht mehr permanent behelligt zu werden, sieht Trump ein Gegenmittel: eigene Richter installieren. Trump darf Bundesrichter nominieren, der republikanisch dominierte Senat muss sie mit einfacher Mehrheit bestätigen. Trump führt nun in der Justiz weiter, wo er in Partei und Kongress sowie seiner Regierung bislang Erfolg hatte: Loyalität zu ihm ist auch für die Juristen oberstes Gebot. Gesucht seien extreme, "kampferprobte Richter" aus dem MAGA-Universum, sagten verschiedene Experten zu "Politico".
Zugleich muss Trump es aber mit Richtern aufnehmen, die seine Maßnahmen mitnichten einfach abnicken. Den von Roberts aufgezeigten juristischen Weg bis zum Supreme Court ist der Präsident gewillt zu gehen. Schließlich wurden drei der neun Obersten Richter von ihm in seiner ersten Amtszeit nominiert, die Konservativen haben eine vermeintlich bequeme 6-zu-3-Mehrheit gegenüber den Kollegen, die eher den Positionen der Demokraten zugeneigt sind. In Zukunft wird das Oberste Gericht eine weitere Grundsatzentscheidung darüber treffen müssen, wie viel Macht der Präsident hat. Eine Entscheidung, die nicht nur die USA, sondern bei allen Verbündeten einen Donnerschlag bedeuten kann. Internationale Zusammenarbeit und Geopolitik würden dann noch abhängiger von den Wahlen in den USA, als sie es ohnehin schon sind.
Trump hatte zwar am Dienstag in einem Interview versichert, er werde kein Gerichtsurteil einfach ignorieren. Einen offensichtlichen Schritt in Richtung Autokratie möchte Trump demnach nicht gehen, sondern weiterhin den legalen Weg. Damit hat Trump bereits viel Erfahrung: Er ist verurteilt für Wahlbetrug, sexuellen Missbrauch und Abzocke. Ins Weiße Haus hat er es trotzdem geschafft. Und so wird seine Regierung wohl jeden juristischen Winkelzug austesten, um zu erreichen, was sie wollen; weiterhin Steine hinter sich schmeißen, um sich einen so großen Vorsprung wie möglich zu erstreiten. Bis sie beim Supreme Court ankommt.
Dort könnten die Obersten Richter dem Präsidenten die totale Entscheidungsmacht über die Exekutive geben und damit der Kontrolle anderer Staatsgewalten entziehen. Dies besagt die Theorie der einheitlichen Exekutive (unitary executive theory), von der einige in Trumps Regierung und der Präsident überzeugt sind. Demnach bestimmt nur Trump im Weißen Haus, darf dort in Handstreichen regieren, auch über dem untersten Staatsangestellten den Daumen senken, wenn dieser ihm nicht genehm ist. Gepaart mit dem Blankoscheck der Immunität für Amtshandlungen, dem ihm der Supreme Court bereits im vergangenen Jahr ausgestellt hatte, würde dies bedeuten: Die Vereinigten Staaten wären keine Demokratie mehr wie bisher.