Die internationale Lage verändert sich dramatisch. Wer sonntags "Caren Miosga" gesehen hat, der bekommt zwar ein schlechtes Gefühl, aber dafür sehr viel Einblicke.
Wer am Sonntagabend Caren Miosga gesehen hat, der hat danach richtig, richtig schlechte Laune.
Eine denkwürdige Woche geht zu Ende. Der amerikanische Vize-Präsident hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Rede gehalten, in der er seinen europäischen Verbündeten vorwirft, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Die USA wollen Gespräche mit Russland über die Zukunft der Ukraine führen – es ist unklar, inwieweit Europa und die Ukraine in diesen Gesprächen eine Rolle spielen. Dabei sollen einen möglichen Waffenstillstand europäische Truppen absichern.
Vor diesem Hintergrund läuft dann am Sonntag die hochkarätig besetzte Talkshow von Caren Miosga. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev diskutiert mit dem Militärexperten Carlo Masala, dem CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und der Direktorin des "Center on The United States and Europe" bei der Brookings Institution in Washington D.C. Constanze Stelzenmüller.
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Die einstündige Diskussion, sie ist genau das, was eine Talkshow leisten soll: Sie ordnet ein, sie interpretiert, sie spekuliert in den richtigen Momenten. Die Gäste ergänzen und widersprechen sich manchmal – aber immer respektvoll, intellektuell, ehrlich.
Wie tief die Verunsicherung über die aktuelle geopolitische Situation selbst bei den Experten sitzt, zeigt eine bemerkenswerte Kontroverse zwischen Röttgen und Masala. Der CDU-Politiker: "Ich bin mir sicher in der Einschätzung, dass es keine Strategie in der Außenpolitik dieser Regierung und dieses Präsidenten gibt." In Washington habe letzte Woche niemand gewusst, was diese Woche passieren würde. Doch Masala widerspricht energisch. Es gebe durchaus eine Strategie - die der gezielten Verunsicherung. Während er auf den Strategen Elbridge Colby verweist, winkt Röttgen ab: "Der ist nur Staatssekretär."
Warum dann die schlechte Laune? Der Grund, der ist der Inhalt der Sendung, der sich in ein Zitat von Röttgen zusammenfassen lässt: "Wir sind jetzt selber am Abgrund." Europäische Verteidigung sei jetzt europäische Aufgabe, "wenn wir die nicht übernehmen, dann fallen wir in den Abgrund."
Masala unterstützt: Man dürfe nicht den gleichen Fehler wie 1938 machen, einem Aggressor nachgeben, der sich dadurch ermutigt fühlt, noch mehr Territorien anzugreifen und sich einzuverleiben. Stelzenmüller schiebt nach: Schon jetzt laufe eine aggressive Einmischung Russlands in die deutsche Politik. "Wir erinnern uns alle an die Brandenburger Autos mit dem Baustoff im Auspuff."
Hier zeigt sich, wie ernst die Runde die Lage einschätzt. Die gesamte Diskussion um die Konzessionen Trumps an Putin, um einen möglichen Waffenstillstand und einen amerikanischen Rückzug aus der Ukraine fasst der Militärexperte Masala so zusammen: "Wenn das, was sich jetzt abzeichnet, so kommen wird, wie es momentan aussieht, dann stehen wir in Europa vor einem neuen Krieg."
Caren Miosga: "Das könnte auch Friedrich Merz ermöglichen, die Schuldenbremse zu öffnen"
Miosga schafft es, mit ihren Nachfragen, die teilweise hochtrabenden Debatten verständlich zu machen. Sie fragt, dass der amerikanische Verteidigungsminister die Trumpsche Forderung nach europäischen Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP wiederholt.
Das würde viel Geld kosten, gibt Röttgen zu. Constanze Stelzenmüller bringt einen europäischen Aspekt ein: Die EU-Kommission plane seit Monaten einen finanzpolitischen "Big Bang" zu ermöglichen, um die europäischen Schuldenregeln zu reformieren und "möglicherweise auch die Wachstumseffekte zu erzeugen, die wir brauchen." Und Miosga ordnet innenpolitisch ein: "Das könnte auch Friedrich Merz ermöglichen, die Schuldenbremse zu öffnen." Denn, wenn Europa mehr Schulden aufnimmt für Verteidigung, dann könnte das auch Deutschland als Rechtfertigung für mehr Schulden nehmen.
Wer am Sonntagabend Caren Miosga gesehen hat, der hat danach richtig, richtig schlechte Laune. Der hat aber auch eine verdammt informative Sendung gesehen. Eine, die die historische Lage, in der sich Europa findet, einordnet und analysiert. Und aufzeigt: Noch ist nichts verloren. Der ukrainische Botschafter sagt zu den Reaktionen auf die Rede von Vance: "Ich habe niemanden gesehen, der wie Chamberlain aussieht. Ich habe auch wenige Churchills gesehen." Eine Anspielung auf die beiden britischen Premierminister vor und während des Zweiten Weltkriegs: Der eine ist in die Geschichte als Hitlers "Appeaser", der andere als Hitlers Widersacher eingegangen.
Der einzige Kritikpunkt an der Sendung: Manchmal waren sich die Gäste zu einig in den Themen, sahen oft die Problematiken gleich. In einigen Stellen hätte eine frische, etwas andere Perspektive gutgetan. Manchmal wirkt die Runde beinahe wie ein harmonischer Expertenzirkel.
All in all, das Fazit für den Sonntagabend: Gutes Fernsehen, danach schlechte Träume.