Das Wort zum Wochenende ist wie immer ein Meinungsartikel.
Vom 20. bis zum 24. Januar 2025 findet das jährliche Treffen des World Economic Forums in Davos statt. Feudalherrscher Donald Trump wird nicht daran teilnehmen, weil er am 20. Januar inauguriert wird. Am 7. Januar ist der WEF-Report The Future of Jobs erschienen. Der Bericht hat mich interessiert, weil darin ein Plus an durch KI geschaffene Arbeitsplätze vorausgesagt wird:
In den kommenden fünf Jahren sollen 170 Millionen neue Arbeitsplätze durch künstliche Intelligenz entstehen. Gleichzeitig erwarten die Autoren des Berichts, dass die Unternehmen 92 Millionen Jobs abbauen und durch KI ersetzen werden. Unter dem Strich bleiben 78 Millionen neue Arbeitsplätze weltweit übrig.
Auf der Suche nach den neuen Arbeitsplätzen habe ich die 290 Seiten des Berichts nur quergelesen und eine KI darüber laufen lassen. Ich wollte wissen, welche konkreten neuen Arbeitsplätze durch KI geschaffen werden. Hier ist die Antwort:
- Technologiebezogene Rollen:
- Big Data Spezialisten (nein, das ist nicht auf KI beschränkt und gab es schon vorher)
- FinTech Ingenieure (nein, gab es schon vorher)
- KI- und Machine-Learning-Spezialisten (ja, ist aber selbsterfüllend)
- Software- und Anwendungsentwickler (sicher nicht)
- Datenanalysten und -wissenschaftler (ja, da stimme ich zu)
- Informationssicherheitsanalysten (vielleicht, aber nicht in den USA oder China)
- UI/UX-Designer (das ist Unsinn)
- Grüne und nachhaltige Rollen:
- Spezialisten für autonome und elektrische Fahrzeuge (ja, ich stimme zu)
- Umwelttechniker (nein, das ist nicht vorwiegend von KI abhängig)
- Ingenieure für erneuerbare Energien (dito)
- Sicherheitsrollen:
- Sicherheitsmanagement-Spezialisten (das ist Unsinn)
- Datenbank- und Netzwerksicherheitsspezialisten (was hat das mit KI zu tun?)
Bei der Beurteilung dieses Ergebnisses, welches sich überprüfbar aus dem langen Text herauslesen lässt, sollte man beachten, ob diese Jobs tatsächlich neu sind und ob sie wirklich durch das Aufkommen von KI geschaffen werden. Ich habe meine Meinung in Klammern hinter die Rollen in der Liste geschrieben und begründe die positiven Funde genauer:
KI- und Machine-Learning-Spezialisten: Das ist ein No-brainer. Wer Traktoren baut, um den Pflug abzulösen, benötigt keine Pflug-Bauer, sondern Traktoren-Bauer. Traktoren sind effizienter als Pflüge, weshalb weniger Traktoren als Pflüge benötigt werden, weshalb weniger Traktoren-Bauer als Pflug-Bauer benötigt werden. Berücksichtigt man die höhere Komplexität der Traktoren und damit mehr Jobs, läuft das vermutlich auf ein Nullsummen-Spiel hinaus.
Datenanalysten und -wissenschaftler: Dieser Vorhersage stimme ich uneingeschränkt zu. Nachdem die KI- und Machine-Learning-Spezialisten ihre Aufgabe getan haben, werden die Analysten und Wissenschaftler benötigt, um die Modelle zu bewerten, abzusichern, geradezurücken und für die Gesellschaft erkennbar und einschätzbar zu machen.
Spezialisten für autonome und elektrische Fahrzeuge: Diese Rolle würde ich umformulieren in Spezialisten für autonome Systeme. Die Voraussetzung für diese Annahme ist, dass zukünftige autonome Systeme nur mittels KI funktionieren können. An der Schnittstelle zwischen KI-Modellen und autonomen Systemen kann ich mir einige neue Arbeitsplätze vorstellen.
Wie ihr seht, ist meine Ausbeute an neuen Jobs, die durch KI entstehen werden, sehr beschränkt und nicht so konkret, wie ich es mir gewünscht hätte. Sucht man im WEF-Bericht nach Jobs, die wegfallen werden/könnten, finden sich viele Beispiele, die logisch und nachvollziehbar sind:
Um auf das Beispiel der Pflüge und Traktoren zurückzukommen, möchte ich auf den Zeitraum der Ersatzarbeitsplätze eingehen. Bei technologischen Sprüngen lagen in der Vergangenheit meist Generationen von Arbeitnehmenden dazwischen. Der Pflüger wurde nicht direkt zum Traktorfahrer, sondern erst seine Kinder. Bei der aktuellen technologischen Entwicklungsgeschwindigkeit kann der Grafiker nicht auf neue Jobs für seine Kinder hoffen, weil er oder sie innerhalb weniger Jahre ihren Job verlieren kann. Dann reden wir bestenfalls von Umschulungen, im schlechten Fall vom Jobverlust ohne realistische Perspektive. Dem könnte man entgegnen, dass es nicht um das Einzelschicksal, sondern um die volkswirtschaftliche Sicht geht: Wenn Peter seinen Job verliert, wird Anna den neuen Arbeitsplatz erhalten, weil sie ganz anders geschult ist. Das kann man so sehen, wenn man sozialpolitischen Sprengstoff ausser Acht lässt.
Diese Grafik zeigt, welche Fähigkeiten bald gewünscht, bzw. unerwünscht sind:
Zum Schluss möchte ich neue Berufsfelder aufzeigen, die einem nicht sofort einfallen:
- Es werden mehr Lehrpersonen benötigt, um KI im Unterricht zu vermitteln.
- Faktenprüfer und Plagiats-Aufdecker werden wie Pilze aus dem Boden schiessen, ausser in den USA.
- Psychotherapeuten sind jetzt schon knapp, demnächst noch mehr. Wer sonst soll den KI-Geschädigten helfen?
- Wir brauchen mehr ehrliche Politiker :) , Wissenschaftler und Journalisten, um die Auswirkungen von KI einzuhegen.
Wie immer am Wochenende ist meine Sicht der Dinge subjektiv und beschränkt. Ich freue mich über eure Kommentare. Die Frage lautet: Welche neuen Jobs wird KI schaffen?
Geniesst euer Wochenende!
Titelbild: https://pixabay.com/photos/dream-job-looking-for-seek-4453054/
Quellen:
https://www.heise.de/news/WEF-Bericht-KI-schafft-bis-2030-weltweit-170-Millionen-Jobs-10239208.html
https://www.weforum.org/meetings/world-economic-forum-annual-meeting-2025/
https://www.weforum.org/publications/the-future-of-jobs-report-2025/digest/
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