Das Ende der rot-gelb-grünen Ampel-Koalition zwingt Deutschland Neuwahlen auf: Mit der Vertrauensfrage stellt der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz die Weichen für einen vorgezogenen Urnengang - gut ein halbes Jahr vor dem regulären Termin. Wie stehen die Parteien weniger als drei Wochen vor dem Wahltag in den Umfragen da?
Richtungsentscheidung in der Bundesrepublik: Am Sonntag, 23. Februar 2025 können rund 59,2 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland im Rahmen vorgezogener Neuwahlen die Macht- und Mehrheitsverhältnisse im Bundestag neu bestimmen. Der verkürzte Vorlauf setzt Parteien, Spitzenkandidaten und Wahlhelfer unter Druck: Bis zum Tag der Entscheidung bleiben nur noch wenige Wochen.
Wie werden sich die jüngsten Ereignisse in der Bundespolitik auf das Wahlverhalten der Deutschen auswirken? Werden die Ampel-Parteien abgestraft? Kann die CDU mit dem migrationspolitischen Kurs ihres Spitzenkandidaten Friedrich Merz profitieren? In den verbliebenen Tagen bis zum Wahltermin zeichnen die laufend erhobenen Umfragewerte der großen Meinungsforschungsinstitute ein detailliertes Bild. Wie stark werden sich die Kräfteverhältnisse im Bundestag verschieben?
Hinweis: Die Infografiken zur Bundestagswahl 2025 basieren auf den jeweils jüngsten Umfragewerten und werden laufend aktualisiert.
Die Wahl in Deutschland fällt in Zeiten gewaltiger geopolitischer Umbrüche. Der Krieg in der Ukraine, Donald Trumps zweite Amtszeit in den USA und die Exportaussichten der deutschen Wirtschaft werfen ihre Schatten auf die innenpolitische Debatte. Dazu kommen fundamentale Herausforderungen wie das Klima, die regelbasierte Weltordnung, die Angriffe auf die Demokratie und nicht zuletzt auch der demografische Wandel.
Dazu kommt: Die Zeit für die Vorbereitungen zur Wahl ist extrem knapp, die verkürzte Frist zwingt nicht nur den Spitzenkandidaten ein enormes Pensum auf: Binnen weniger Wochen mussten neben der Organisation von Helfern, den Kandidatenlisten und den Wahlprogrammen auch komplette Wahlkampfstrategien aus dem Boden gestampft werden. Auch Wähler müssen sich mit ihrer Entscheidung mitunter beeilen: Wer seine Stimme per Briefwahl abgeben möchte, sollte den erforderlichen Antrag "so schnell wie möglich", teilte die Bundeswahlleiterin Ruth Brand mit.
Fünf Parteien treten diesmal mit eigenen Kanzlerkandidaten oder Kanzlerkandidatinnen an: Neben dem amtierenden Kanzler Scholz für die SPD und Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU sind das Vizekanzler und amtierender Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und Alice Weidel für die AfD sowie Sahra Wagenknecht, die für das nach ihr benannte Bündnis (BSW) kandidiert.
In den jüngsten Umfragen lag die Union mit ihrem Spitzenkandidaten Merz zuletzt deutlich vorn. Weniger als 20 Tage vor dem angestrebten Wahltermin erreichte die CDU zwischen 28 und 31 Prozent der Stimmen. Im Bundestag hat die Fraktion aus CDU und CSU damit gute Aussichten, aus den vorgezogenen Neuwahlen im Frühjahr als neue stärkste Kraft im Bundestag hervorzugehen.
Für eine eigenständige Mehrheit dürfte es auf Basis dieser Umfragewerte jedoch nicht reichen. CDU und CSU müssen sich voraussichtlich nach mindestens einem Koalitionspartner umsehen. CSU-Chef Markus Söder hat ein Zusammengehen mit den Grünen mehrfach ausdrücklich ausgeschlossen. Merz hält sich diese Option jedoch offen. Sein gescheiterter Vorstoß, mit einem "Zustromsbegrenzungsgesetz" noch vor der Wahl einen Akzent zu setzen, dürfte etwaige Koalitionsgespräche allerdings belasten.
Ein Wechsel von der Ampel zu einer Art Neuauflage einer "großen Koalition" mit Schwarz-Rot wäre rechnerisch möglich. Die Sozialdemokraten bewegen sich in den Umfragen bei 15 bis 18 Prozent. SPD-Spitzenkandidat Scholz setzt auf den Kanzler-Bonus und zeigte sich zuletzt überzeugt, dem Ampel-Debakel zum Trotz gestärkt aus den Neuwahlen hervorzugehen. Sollte die SPD tatsächlich mehr als 20 Prozent der Stimmen gewinnen, wäre Rot-Schwarz wohl auch aus Unionssicht denkbar.
Die AfD liegt in Umfragen hinter der Union auf Platz zwei mit Werten zwischen 17 und 22 Prozent. Die rechtspopulistische Partei bewirbt sich mit Alice Weidel erstmals überhaupt um den Kanzlerposten. Aus den guten Umfragewerten leite man einen Regierungsauftrag ab, bekundete Weidel.
Ein Einzug Weidels ins Bundeskanzleramt bleibt bisher allerdings unrealistisch: Für die Rechtsaußenpartei ist weiterhin kein Koalitionspartner in Sicht. Weidel ist in der Bundespolitik komplett isoliert, Teile ihre Partei werden von Verfassungsschützern als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Ernsthafte Chancen aufs Kanzleramt kann sich die AfD nicht ausrechnen.
Dass Deutschland einen grünen Bundeskanzler bekommt, wirkte bisher wenig wahrscheinlich. Die Grünen liegen in den Umfragen bisher bei 12 bis 15 Prozent, treten mit Robert Habeck jedoch selbstbewusst mit einem eigenen Kanzlerkandidaten an.
Habeck sei "Kandidat für die Menschen in Deutschland", der "das Zeug zu einem guten Bundeskanzler" habe, heißt es von den Grünen. Klar ist, dass der amtierende Wirtschaftsminister sich den Posten zutraut. Erfahrung mit Regierungsarbeit kann Habeck vorweisen. Noch offen ist, mit wem die Grünen eine Regierungsmehrheit finden könnten. Je nach Umfrageinstitut käme ein schwarz-grünes Zweierbündnis nur knapp auf eine eigene Mehrheit. Für eine rot-grüne Koalition reichen die bisher prognostizierten Umfragewerte nicht.
Das erst vor gut einem Jahr formierte Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt in den Umfragen mit 4 bis 6 Prozent auf Bundesebene bisher nicht über den einstelligen Bereich hinaus. Für die Ex-Linken-Politikern Wagenknecht muss es im Wahlkampf vorrangig um den Einzug in den Bundestag gehen, nicht um das Kanzleramt.
Dass Wagenknecht trotzdem entgegen allen politischen Realitäten als "Kanzlerkandidatin" auftritt, begründet BSW-Generalsekretär Christian Leye mit der "aktuellen Kanzlerkandidaten-Inflation", die auch das BSW "in Zugzwang" bringe. Nicht alle Umfrageinstitute sehen Wagenknechts BSW über der Fünf-Prozent-Hürde.
Der künftige Bundestag könnte womöglich nur fünf Fraktionen umfassen. Neben Union, AfD, SPD und Grünen halten Meinungsforscher auch einen Einzug der Linken für wahrscheinlich. Forsa, Infratest dimap und Insa zum Beispiel geben für die Linkspartei einen möglichen Stimmanteil von 5 Prozent an. Und selbst wenn die Linke bei den Zweitstimmen unter dieser Schwelle bleiben sollte, besteht für sie wie für alle Kleinparteien noch die Chance, über die Grundmandatsklausel doch noch in den Bundestag einzuziehen. Dafür wären lediglich drei sicher gewonnene Direktmandate in 3 der bundesweit 299 Wahlkreise erforderlich.
Die Liberalen müssen um ihren Wiedereinzug in den Bundestag kämpfen: Nach den Querelen um das Ampel-Aus und die Rolle der Liberalen in den monatelangen Streitigkeiten der gescheiterten Dreierkoalition mit SPD und Grünen ringt die Partei um Rückhalt unter den Wählern. In den vergangenen Wochen kam die FDP in keiner einzigen der bekannteren Umfragen der großen Institute über die Fünf-Prozent-Hürde.
Der Weg über die Direktmandate und die Grundmandatsklausel steht FDP-Spitzenkandidat und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner theoretisch zwar ebenfalls offen. Dafür müsste der einstige Juniorpartner der Ampel-Koalition allerdings in mindestens drei Wahlkreisen den Erststimmengewinner stellen - eine Hürde, die für die Liberalen bisher schwerer zu erreichen schien als für breiter aufgestellte Parteien wie Grüne oder Linke.
Rückblick: So hat Deutschland bisher gewählt
Die Zahl der Wahlberechtigten wird bei dem Urnengang am 23. Februar laut amtlicher Schätzung unter dem Niveau von 2021 liegen. Aufgerufen zur Wahl sind voraussichtlich mindestens 59,2 Millionen Menschen, wie es beim Statistischen Bundesamt heißt.
Den Berechnungen der Wiesbadener Behörde zufolge umfasst die Gesamtzahl 30,6 Millionen Frauen und 28,6 Millionen Männer. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl 2021 waren es rund 61,2 Millionen wahlberechtigte Personen.
Wie aus den Daten weiter hervorgeht, rechnen die Statistiker mit einem leichten Überhang: Insbesondere in den höheren Altersgruppen sind Frauen in der Wählerschaft deutlich in der Mehrheit. Über alle Altersstufen hinweg beläuft sich der Unterschied auf rund zwei Millionen Personen.
Bis zum Stichtag im Februar könnte die Zahl der Wahlberechtigten noch steigen. Bisher beruhen die amtlichen Angaben noch auf Schätzungen auf Basis der Daten aus dem Zensus 2022. "Hinzu kommen Wahlberechtigte, die gänzlich oder überwiegend im Ausland leben, wodurch die Zahl der Wahlberechtigten insgesamt höher ist", heißt es aus dem Bundesamt.
Knapp vier Prozent der potenziellen Wähler dürfen am 23. Februar aufgrund ihres Alters zum ersten Mal bei der Bundestagswahl ihre Stimme abgeben. Die Zahl der möglichen Erstwähler liegt bei etwa 2,3 Millionen. Insgesamt sind ältere Menschen in Deutschland deutlich in der Überzahl: Mehr als ein Fünftel der Wahlberechtigten ist der amtlichen Statistik zufolge 70 Jahre oder älter.