Eine diplomatische Einigung zeichnet sich im Konflikt zwischen Israel und Hamas nicht ab, militärisch lasse sich die Lage laut Annalena Baerbock nicht lösen. Die Außenministerin reist erneut nach Israel, um für einen Kompromiss zu werben.
Als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Ende Juni Israel besuchte, warnte sie vor einem "endlosen" Gaza-Krieg. Knapp zweieinhalb Monate später bricht sie am Abend erneut zu einer Reise in die Region auf - und die Aussichten sind weiterhin düster: Die Kämpfe im Gazastreifen dauern an und die Gefahr einer weiteren Eskalation ist angesichts der Drohungen des Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz weiterhin akut.
Baerbocks elfte Nahost-Reise seit Beginn des Gaza-Kriegs führt sie am Donnerstag zunächst nach Saudi-Arabien und Jordanien. Am Freitag besucht sie dann bereits zum neunten Mal seit dem Hamas-Großangriff vom 7. Oktober Israel.
Ziel Zweistaatenlösung
Die Außenministerin bemüht sich seit Kriegsbeginn unermüdlich um ein Ende der Kämpfe und wirbt für das langfristige Ziel einer Zweistaatenlösung. Dabei betont sie stets Israels Selbstverteidigungsrecht, macht aber auch immer wieder auf das Leid der Menschen im Gazastreifen aufmerksam - und betont, dass sich der Konflikt militärisch nicht beilegen lässt.
Eine diplomatische Lösung zeichnet sich aber auch knapp elf Monate nach Kriegsbeginn nicht ab. Israels Soldaten setzen ihren Einsatz gegen die Hamas im Gazastreifen unvermindert fort. Nach Hamas-Angaben wurden dabei bereits mehr als 40.800 Menschen getötet, die humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet wird von Hilfsorganisationen als katastrophal eingeschätzt. Israel startete in der vergangenen Woche zudem einen Großeinsatz zur "Terrorismusbekämpfung" im besetzten Westjordanland, was in Berlin ebenfalls mit Sorge beobachtet wird.
An der nördlichen Grenze zum Libanon sieht sich Israel nahezu täglichem Beschuss durch die pro-iranische Hisbollah ausgesetzt und reagiert seinerseits mit Angriffen auf Stellungen der hochgerüsteten Miliz.
Risiko der Eskalation akut
Wie akut das Risiko einer Eskalation ist, zeigte sich Ende Juli, als der Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran und der Militärchef der Hisbollah-Miliz im Libanon, Fuad Schukr, getötet wurden. Knapp vier Wochen später startete die Hisbollah-Miliz einen Vergeltungsangriff, den Israel nach eigenen Angaben durch gezielte Angriffe auf Stellungen im Südlibanon weitgehend abwehren konnte. Und auch der Iran droht weiterhin mit Vergeltung.
Seit Baerbocks letztem Israel-Besuch im Juni hat sich die Lage also weiter zugespitzt. Der Fund von sechs getöteten Hamas-Geiseln sorgte am Wochenende in Israel und international für Entsetzen, heizte die Proteste gegen die Regierung an und erhöhte den Druck auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung der Hamas-Geiseln zu schließen.
Doch die monatelangen Verhandlungen unter Vermittlung der USA, Katars und Ägypten brachten bisher keinen Durchbruch. Während Netanjahu am Montag ankündigte, in den Verhandlungen nicht nachzugeben, drohte die Hamas damit, dass die verschleppten Geiseln "in Särgen" zurückkehren würden, wenn Israel weiterhin militärischen Druck ausübe.
Nach israelischen Angaben werden noch immer 97 Geiseln im Gazastreifen gefangen gehalten, 33 von ihnen sind demnach vermutlich tot. Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind unter den verbliebenen Geiseln auch Menschen mit Deutschland-Bezug.
Treffen mit Katz und Galant
In Israel trifft Baerbock am Freitag ihren Kollegen Israel Katz und Verteidigungsminister Joav Galant. Letzterer dringt auf ein Waffenruhe-Abkommen und kritisiert die Strategie Netanjahus in den indirekten Verhandlungen mit der Hamas. Auch US-Präsident Joe Biden warf dem israelischen Regierungschef zuletzt vor, nicht genug für ein solches Abkommen zu tun.
Baerbock will sich auch mit Angehörigen der von der Hamas verschleppten Geiseln treffen. Zudem steht ein Gespräch mit dem palästinensischen Regierungschef Mohammed Mustafa in Ramallah im besetzten Westjordanland auf dem Programm.
In Israel dürfte die Ministerin auch wieder für das langfristige Ziel einer Zweistaatenlösung werben. Die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staats wird von Netanjahu aber abgelehnt.
Vor ihrem Besuch in Israel fliegt Baerbock zunächst nach Saudi-Arabien. In Riad wird sie vom saudi-arabischen Außenminister Faisal bin Farhan empfangen. Das Königreich ist eine wichtige Regionalmacht, die international wegen der Menschenrechtslage im Land scharf kritisiert wird.
Danach reist die Ministerin zu einem Treffen mit ihrem jordanischen Kollegen Ayman Safadi nach Amman weiter. Jordanien gilt traditionell als Vermittler im Nahost-Konflikt und ist ein wichtiger Partner der USA und der EU. In Amman soll es unter anderem um die Koordinierung der Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen gehen.