
US-Außenminister Antony Blinken reist aus Doha ab und mahnt Israel und die Hamas, ein Abkommen zu einer Waffenruhe zustande zu bringen. Die Hoffnung darauf sinkt indes. Laut ägyptischen Unterhändlern scheitern die Verhandlungen an fehlenden Garantien und dem Umgang mit zwei Korridoren.
Vermittler aus Ägypten sehen den vorliegenden Kompromissvorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen skeptisch. Die Hamas werde dem Entwurf in dieser Form aus einer Reihe von Gründen nicht zustimmen, sagten zwei ägyptische Gewährspersonen mit direkter Kenntnis vom Stand der Verhandlungen. Einer dieser Gründe sei, dass die militant-islamistische Palästinenserorganisation in einer ersten Phase Geiseln freilassen soll und keine Garantien von Israel oder den Unterhändlern erhalten soll, während über die zweite und dritte Phase verhandelt wird.
"Die Amerikaner bieten Versprechen an, keine Garantien", sagte eine der beiden ägyptischen Gewährspersonen, die anonym bleiben wollten. "Die Hamas wird dies nicht akzeptieren, weil es praktisch bedeutet, dass die Hamas die zivilen Geiseln im Gegenzug für eine sechswöchige Kampfpause ohne Garantien für einen ausgehandelten dauerhaften Waffenstillstand freilässt."
Knackpunkt Philadelphi-Korridor?
Die Gewährsperson sagte auch, dass der Vorschlag nicht eindeutig besage, dass Israel seine Streitkräfte aus zwei strategischen Korridoren im Gazastreifen abziehen werde, nämlich dem Philadelphi-Korridor entlang der ägyptischen Grenze und dem Netzarim-Korridor, der den Gazastreifen von Osten nach Westen durchquert. Israel biete lediglich an, seine Streitkräfte im Philadelphi-Korridor zu verkleinern und verspreche - wieder ohne Garantien -, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen, sagte er. "Das ist für uns nicht akzeptabel und natürlich auch nicht für die Hamas."
Der schmale Philadelphi-Korridor, der teilweise etwa 100 Meter breit ist, zieht sich über eine Länge von rund 14 Kilometern und umfasst den Grenzübergang Rafah nach Ägypten. Der Korridor ist Teil einer größeren entmilitarisierten Zone auf beiden Seiten der israelisch-ägyptischen Grenze. Gemäß einem Friedensabkommen dürfen beide Seiten nur eine geringe Zahl von Soldaten oder Grenzbeamten in der Zone einsetzen. Israels Militär hat nach eigenen Angaben im Mai Kontrolle über den Korridor hergestellt. Das erschwert Israels Beziehungen zu Ägypten, das sich über das israelische Vorrücken in Richtung seiner Grenze beschwert hatte.
Aus Sicht von Israel ist der schmale Philadelphi-Korridor ein Einfallstor für Schmuggelware, darunter Waffen. Unter dem Korridor verlaufen nach Armeeangaben etliche Tunnel - manche so hoch und breit, dass Fahrzeuge passieren können. Die Hamas hat demnach unter anderem Waffen aus Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt. Viele Tunnel wurden bereits zerstört.
Blinken reist ab
Ein zweiter ägyptischer Vertreter, der über die neuesten Entwicklungen in den Verhandlungen informiert war, sagte, es gebe kaum Chancen für einen Durchbruch, da Israel sich weigere, sich in der zweiten Phase des Abkommens zu einem vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen zu verpflichten. Der Ägypter sagte, Israel bestehe außerdem darauf, seine Streitkräfte im Philadelphi-Korridor zu belassen und die volle Kontrolle über den Netzarim-Korridor zu behalten.
Er sagte auch, Ägypten habe den USA und Israel mitgeteilt, dass es den Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen, der an Ägypten grenzt und ein wichtiger Zugangspunkt für humanitäre Hilfe ist, nicht wieder öffnen werde, solange die israelischen Streitkräfte nicht vollständig von der palästinensischen Seite und vom Philadelphi-Korridor abgezogen sind.
Die Vermittler werden am Donnerstag und Freitag in Kairo zu weiteren Gesprächen über den Vorschlag zusammentreffen, bevor sie ihn der Hamas offiziell unterbreiten. Unterdessen ist US-Außenminister Antony Blinken nach Gesprächen zunächst in Ägypten, unter anderem mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi, und später im katarischen Doha wieder aus der Region abgereist. Er warnte Israel und die Hamas, ein Abkommen müsse zustande kommen - "und zwar in den kommenden Tagen".