Manchmal, wenn sich in Talkshows Politiker treffen, dann wird die Unterhaltung zur Unterhaltung. Das können die Zuschauer am Sonntagabend im Ersten erleben. Da hatte sich Caren Miosga SPD-Chef Klingbeil und dessen CSU-Kollegen Söder eingeladen.
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Der ist in diesem Fall der Zuschauer. Denn am Sonntagabend kommen zwei Politiker zusammen, die einiges gemeinsam haben, aber auch trefflich streiten können. Da ist zum einen Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder, der seinen Kontrahenten Lars Klingbeil von der SPD dafür lobt, dass er bei Ina Müller in der ARD besser Gitarre spielen konnte als Söder singen.
Zum anderen ist da SPD-Chef Lars Klingbeil. Der Niedersachse liebt bayerisches Essen und ist ein wenig neidisch, dass Söder öfter zu den Spielen von Bayern München gehen kann. Klingbeil, eingefleischter Bayern-Fan, ist nicht nur froh über die klare Tabellenführung von Neuer, Kimmich und Co. "Ich finde es immer gut, wenn die Roten vorn sind", sagt Klingbeil. Söder und Klingbeil sind zwei Parteichefs, die politisch sehr unterschiedlich ticken, die aber trotz des mittlerweile begonnenen Wahlkampfs fair miteinander umgehen an diesem Abend.
Ein wenig gummiartig zieht sich der Anfang. Da will die Moderatorin wissen, ob denn nun wirklich Olaf Scholz der Kanzlerkandidat der SPD sei. Das werde der Parteitag am 11. Januar beschließen, und der Vorstand schlage ihn vor, sagt Klingbeil. Und: "Wir wollen mit Olaf Scholz in diesen Wahlkampf gehen." Aber da gibt es eben noch Boris Pistorius. Der Bundesverteidigungsminister ist im Moment der beliebteste Politiker Deutschlands - und eine Kanzlerkandidatur hat er bisher nicht direkt angestrebt, aber irgendwie auch nicht wirklich ausgeschlossen. Miosga bohrt und bohrt, Söder spricht vom Siechtum der Bundesregierung, an dem Scholz eine gewisse Mitschuld trage. Aber Klingbeil bleibt hart: Scholz wird's, sonst niemand.
Die schlechte Wirtschaftslage
Doch bis die Wähler über die Zusammensetzung des Bundestages entscheiden können, dauert es noch ein Vierteljahr. Nach den Neuwahlen wird es Koalitionsverhandlungen geben. SPD-Chef Klingbeil hält nichts von einem politischen Stillstand bis dahin. Kunststück: SPD und Grüne haben noch längst nicht alles geschafft, was vor drei Jahren im Koalitionsvertrag der damaligen Ampelregierung vereinbart wurde. Doch sie haben im Bundestag keine Mehrheit. "Was wir tun müssen ist, die hohen Energiekosten runterzudrücken", fordert Klingbeil. "Wofür ich appelliere ist, dass wir nicht abwarten, bis eine neue Regierung gebildet ist, sondern das man jetzt in einem Konsens der demokratischen Parteien die Dinge anpackt, die wichtig sind für dieses Land. Und da kann Herr Söder heute einschlagen."
Man könne Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen, indem man zum Beispiel die Netzentgelte gemeinsam senke. Jetzt müsse man Probleme lösen, um die Wirtschaft zu stabilisieren, so Klingenbeil "Wir sind dazu bereit, trotz Wahlkampf zu zeigen, dass wir mit CDU, CSU und FDP gemeinsam in der Lage sind, uns in einem Konsens um die Menschen zu kümmern. Das heißt, Energiepreise zu drücken, Bürokratie abzubauen, die Frage von Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel zu lösen oder auch steuerliche Anreize für Unternehmen zu setzen. Warum wollen wir damit noch ein halbes Jahr warten und das nicht sofort machen im Sinne der Menschen in diesem Land?"
"Über drei Jahre hat die Ampelregierung Zeit gehabt, die Energiepreise Stück für Stück zu senken. Das haben Sie nicht gemacht", entgegnet Söder. Man habe die Gas- und Strompreisbremse umgesetzt, wirft Klingbeil ein. Doch das ist Söder nicht genug. Durch den Ausstieg aus der Kernenergie seien die Energiepreise angestiegen, klagt der CSU-Chef. Dabei vergisst er allerdings, dass es CDU, CSU und FDP waren, die 2011 die Abschaltung aller Kernkraftwerke bis 2022 in Bundestag und Bundesrat beschlossen hatten. Söder müsste es wissen: Der CSU-Politiker war damals Umweltminister in Bayern.
"Sind nicht das Reserverad der Ampel"
"Sie haben insgesamt eine falsche Strategie gemacht in der ganzen Energiepolitik, übrigens auch viel zu spät", wirft Söder Klingbeil vor. Und er hat noch mehr zu kritisieren: "Man hat die Automobilwirtschaft massiv geschädigt, deswegen gehen Zuliefererjobs ohne Ende verloren. Das ständige Steigern des Mindestlohns jenseits der gemeinsamen Empfehlung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern belastet, Und auch die Bürokratie." Die Ampel hätte unendlich viel machen können. Wichtige Dinge wie die Stärkung des Bundesverfassungsgerichts würden noch vor den Neuwahlen entschieden werden.
Aber: "Wir sind zum einen nicht das Reserverad der Ampel, die jetzt gescheitert ist, und zum andern muss es eine grundlegende Änderung geben, nicht so ein bisschen Herumdoktern an den Systemen. Dazu gehört massive Entbürokratisierung. Oder beim Lieferkettengesetz. Wenn Sie das komplett aussetzen und auch andere Gesetze nicht machen, dann wird man sehen", so Söder. Nur an ein paar Stellschrauben zu drehen, das reicht ihm nicht aus. Er fordert eine völlig andere Politik in Deutschland, dazu brauche es andere Mehrheiten.
Klingbeil fragt nach der Abschaffung der kalten Progression. Damit ist Söder zwar grundsätzlich einverstanden. Doch er bemängelt, dass sie Teil eines umfangreicheren Gesetzes sei, das unter anderem eine Belastung von Ehepaaren vorsähe. Das sei mit der Union nicht zu machen. "Wir brauchen eine grundsätzliche Steuerreform, beispielsweise mit niedrigen Steuern für mittelständische Unternehmen, mit einer Rücknahme der einseitigen Belastung für die Gastronomie, mit einer Rücknahme der einseitigen Belastung der Landwirtschaft. Wir müssen die Stromsteuer runtersetzen. Wir müssen eine richtige Steuerreform machen, einschließlich der Abschaffung der kalten Progression."
Die Koalitionsfrage
Söder will den großen Wurf. Die Wirtschaft sei nicht mehr mit Pflastern zu retten. Sie brauche Antibiotika. "Es fehlt an der grundsätzlichen Ausrichtung", weist er Klingbeils Vorschläge zurück.
Neben einer Steuerreform fordert Söder zudem die Senkung des Bürgergeldes und andere Sanktionsmechanismen. "Wir können uns das nicht leisten, sonst müssten wir massiv den Mindestlohn anheben, und das macht die Wirtschaft in der jetzigen Situation völlig kaputt."
Mit wem denn die Union koalieren sollte, falls sie die Wahlen gewänne, mit der SPD vielleicht? Das will Caren Miosga zum Ende der Sendung wissen. Hier sind sich Klingbeil und Söder dann wieder einig: Dazu sagen sie vor den Wahlen nichts. Auch hier versucht Miosga ein wenig zu bohren, spricht davon, dass in der Außenpolitik Grüne und Union nahezu gleiche Ansichten hätten, und ob es nicht doch statt der GroKo eine schwarz-grüne Koalition geben könnte? Söder lehnt ab. Und wenn CDU-Chef Merz das nun anders sähe? "Ohne mich gibt es keine Regierung", antwortet Söder kategorisch.