Am 5. November, in einem Monat, wird in den USA entweder zum zweiten Mal Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt oder mit Kamala Harris erstmals eine Frau das höchste Amt in den Vereinigten Staaten erreichen. Einen Favoriten gibt es nicht, aber mehr oder weniger klare Routen zum Sieg.
Donald Trump oder Kamala Harris? Die Frage, ob der 45. US-Präsident auch der 47. sein wird oder die amtierende Vizepräsidentin Geschichte schreibt als erste Frau im Weißen Haus, entscheidet sich am Dienstag in vier Wochen. Grund genug, um einen Überblick zum aktuellen Stand im US-Wahlkampf zu liefern.
Gibt es - Stand jetzt - einen Favoriten auf den Sieg?
Nein, die meisten landesweiten Umfragen sehen zwar Kamala Harris stabil etwa zwei Prozentpunkte vor Donald Trump. Aber wegen des besonderen Wahlsystems in den Vereinigten Staaten ist das zweitrangig und nicht mehr als ein schwacher Indikator. Der Wahlausgang ist derzeit komplett offen. Wie trügerisch landesweite Umfragen sein können, zeigen vor allem die letzten beiden Präsidentschaftswahlen. 2016 lag Hillary Clinton genau einen Monat vor dem Wahltag fast fünf Prozentpunkte vor Trump. Am Wahltag holte sie landesweit zwar mehr Stimmen als ihr Gegner, doch Donald Trump gewann mehr Wahlleute und allein das ist entscheidend. Trump wäre das 2020 fast noch einmal gelungen. Damals hatte er einen Monat vor der Wahl in landesweiten Umfragen 8,5 Prozentpunkte hinter Joe Biden gelegen. Die Wahl war dann aber viel knapper als erwartet, erst nach einem tagelangen Auszählungsmarathon setzte sich Biden durch.
War es klug, Kamala Harris für die Demokraten ins Rennen zu schicken, anstatt einen offenen Bewerberkampf innerhalb der Demokratischen Partei zuzulassen?
Sehr wahrscheinlich schon. Harris ist als Vizepräsidentin bekannter, als es andere gehandelte Bewerber gewesen wären. Das ist ein wichtiger Faktor, wenn bis zum Wahltermin nicht mehr viel Zeit bleibt. Ein offener Kampf um die Kandidatur hätte vermutlich zu viel Staub innerhalb der Partei aufgewirbelt. Es wäre schwer geworden, danach geeint in die Wahl zu ziehen.
Was spricht derzeit für Kamala Harris?
Da es keinen Favoriten gibt, sind es eher weiche Faktoren. Für Harris spricht, dass sie ein positives Bild der Vereinigten Staaten zeichnet. Sie spricht vom Land der Möglichkeiten, einer "opportunity economy". Das ist sehr nah am "American Dream". Trump geht den Wahlkampf genau andersherum an. Er stellt das Negative in den Vordergrund, zeigt auf, was die USA verloren haben und er wieder zurückholen würde. Harris hofft darauf, dass ihr neuer amerikanischer Traum stärker verfängt als Trumps Angstmacherei vor Demokraten, welche die USA angeblich in den Sozialismus stürzen wollen.
Was spricht derzeit für Donald Trump?
Die meisten Menschen in den USA wissen ganz genau, wofür Trump steht. Das hilft Trump dabei, die eigene Wählerklientel zu mobilisieren. Harris bleibt bei manchen Themen ungefährer als ihr Gegner. Außerdem fürchten die Demokraten, dass Trump auf den letzten Metern im Wahlkampf noch ein Ass aus dem Ärmel zaubert. In vier Wochen kann viel passieren, bezogen auf einen US-Präsidentschaftswahlkampf ist das eine gefühlte Ewigkeit. Vor acht Jahren waren es Hillary Clintons berufliche Nachrichten über den privaten Mailserver, vor vier Jahren wurde der "Laptop aus der Hölle" von Biden-Sohn Hunter zum Problem für die Demokraten. Möglich, dass auch diesmal kurz vor der Wahl noch mit Schmutz geworfen wird.
Welche Bundesstaaten entscheiden die Wahl?
Voraussichtlich werden sieben sogenannte "Swing States" den Unterschied machen. Nevada und Arizona im Südwesten der USA. Georgia und North Carolina im Südosten, der sogenannte Rostgürtel mit den Staaten Pennsylvania, Michigan und Wisconsin im Nordosten. In allen anderen Staaten ist anscheinend schon vor dem Wahltag entschieden, welcher Kandidat das Rennen macht. Unter den umkämpften "Battleground States" ist Pennsylvania der spannendste. Zum einen ist der Bundesstaat südlich von New York der "wertvollste" mit seinen 19 Wahlleute-Stimmen. Zum anderen hat das US-Portal "Five Thirty Eight" errechnet, dass Pennsylvania statistisch gesehen in 18 von 100 Fällen die Wahl entscheidet. Ein bemerkenswert hoher Wert angesichts von 50 Bundesstaaten. Danach kommen Michigan, North Carolina und Georgia, die in 12 von 100 Fällen die Wahl entscheiden.
Welcher Weg zur Präsidentschaft ist für Kamala Harris am "einfachsten"?
Wenn es Harris gelingt, genau wie Joe Biden den gesamten Rostgürtel für sich zu entscheiden, ist ihr die Präsidentschaft so gut wie sicher. Gibt es andernorts keine Überraschungen, reichen Siege in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin für exakt die erforderliche Mehrheit von 270 Stimmen im Electoral College, dem Wahlleute-Gremium. Verliert Harris in Pennsylvania, hat sie nur noch eine Chance, wenn sie Georgia oder North Carolina gewinnt. Gelingt ihr das, käme es final auf Arizona oder Nevada an.
Wie sieht die "einfachste" Route zur Präsidentschaft für Donald Trump aus?
Wenn Trump dieselben Staaten gewinnt wie 2020, käme der Kandidat der Republikaner auf 235 Wahlleute. Das würde das umkämpfte North Carolina einschließen. Einen Staat im Rostgürtel muss Trump aber ohnehin in jedem Szenario zwingend gewinnen. Schafft der 78-Jährige den Sieg in Pennsylvania, würde ihm bereits die Mehrheit in Georgia reichen, um zurück ins Weiße Haus zu gelangen. Gewinnt Trump Pennsylvania nicht, sondern Michigan, bräuchte er neben Georgia auch noch Arizona oder Nevada. Gewinnt Trump nur Wisconsin, wäre nicht nur Georgia, sondern auch Arizona ein "Must Win" für Trump.
Worauf kommt es im Wahlkampf-Endspurt an?
Für beide Parteien wird es das Wichtigste sein, ihre Wähler zu mobilisieren. Es geht darum, diejenigen, die ohnehin zu einer der beiden Parteien tendieren, davon zu überzeugen, auch tatsächlich zur Wahl zu gehen. Wirkliche Wechselwähler gibt es in den USA dagegen kaum, sie machen maximal drei Prozent der Wahlberechtigten aus. Zudem wird es im Endspurt darauf ankommen, schlicht und einfach keine Fehler mehr zu machen. Bloß nicht stolpern und bei den für die eigene Klientel delikaten Themen nicht zu viel Angriffsfläche bieten, das ist das Credo auf beiden Seiten.
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